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Nein zu Grundeinkommen, Nein zu Vision

Die beiden Anhänger ziehen geschlagen von dannen. Der goldene Punkt war das Symbol der Kampagne für Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens. Keystone

Die Weltpremiere, die im Nein endete: Als erstes Land stimmte die Schweiz über ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle und auf Lebenszeit ab. Satte 76,9% der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger sowie alle Kantone lehnten die visionärste Schweizer Volksinitiative der letzten Jahrzehnte ab.

Nur knapp 570’000 Personen oder 23,1% der Stimmenden legten ein Ja zur Vorlage ein. Ihnen stand ein erdrückendes Mehr von 1’897’000 Bürgerinnen und Bürger gegenüber, welche die Vorlage bachab schickten. Sämtliche Kantone sagten Nein.

Am meisten Unterstützung erhielt die Initiative in den Kantonen Basel-Stadt und Jura mit einem Ja-Stimmen-Anteil von je 36%, gefolgt von Genf mit 35% sowie Zürich und Neuenburg mit 31%. 

Kleiner Aufsteller für die Initianten: Mindestens drei Schweizer Gemeinden sowie mehrere Quartiere in den Städten Zürich und Genf haben für die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens gestimmt.

Klar dafür votierten die Einwohner zweier kleiner Gemeinden im Kanton Jura: In Courroux gab es 65% Ja, in Le Bémont gar 67%. In Sarzens im Kanton Waadt stimmten 51,4% der Initiative zu. 

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Der hohe Nein-Anteil von fast knapp 77% entsprach für gfs.bern-Leiter Claude Longchamp den Erwartungen. Dem Komitee sei es mit seiner Initiative zwar gelungen, in der Schweiz eine politische Grundsatzdebatte über das bedingungslose Grundeinkommen auszulösen, analysierte der Politologe am Schweizer Fernsehen.

Doch habe die grosse Mehrheit der Bürger eben genau wissen wollen, wie die Mehrkosten zu finanzieren seien, und das in einer angespannten Finanzlage, so Longchamp. Diese würden immerhin rund 25 Milliarden Franken betragen, was einem Aufschlag der Mehrwertsteuer um 8% ausmachen würde. 

Regierung anerkennt Diskussion-Anstösse der Vorlage

Die Schweizer Regierung nahm die deutliche Ablehnung zum Grundeinkommen mit Zufriedenheit zur Kenntnis. Das Sozialsystem in der Schweiz sei ausgezeichnet, hielt Bundesrat Alain Berset fest. Es habe sich bewährt und werde immer wieder reformiert. «Das System braucht keine weitere Revolution wie das bedingungslose Grundeinkommen.»

Hingegen begrüsste der Sozialminister die Debatte über den Wert der Freiwilligenarbeit, die das Begehren in der Schweiz ausgelöste. Auch anerkannte Berset, dass die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Arbeitswelt ein Thema sei. 

«Es gab immer wieder Jobs, die verschwunden sind. Aber es sind auch immer wieder Stellen in neuen Sektoren geschaffen worden», sagte er. In der Schweiz sei es daher wichtig, das mit Bildung und Forschung aufrechtzuerhalten. 

Gegner happy über «Ohrfeige»

Die Gegner der Initiative zum bedingungslosen Grundeinkommen zeigten sich erfreut über das deutliche Nein des Stimmvolks. «Das ist eine echte Ohrfeige», sagte der christlichdemokratische Walliser Nationalrat Yannick Buttet von der CVP.

Das Grundeinkommen sei nun beerdigt, glaubt er. Diese «gute Nachricht» hindere jedoch nicht daran, über die Zukunft der Beschäftigung in der Schweiz nachzudenken. Die von der Initiative aufgeworfenen Fragen seien legitim gewesen, die Lösung aber nicht realistisch.

«Das Thema sollte jetzt gegessen sein», fand auch der freisinnige Nationalrat Marcel Dobler vom Nein-Komitee. Die Initiative habe auf Vorrat ein Problem lösen wollen. Die Digitalisierung könnte zwar in der Zukunft zu einer Verlagerung der Arbeitsstellen führen. «Davon sind wir aber noch meilenweit entfernt», so der FDP-Politiker

Gewerbeverbands-Direktor und FDP-Nationalrat Hans-Ulrich Bigler sprach am Schweizer Fernsehen SRF gar von «Missbrauch der Demokratie», weil die Initianten selbst gar nie an einen Sieg ihres Begehrens geglaubt hätten.

«Demokratie ist kein Gewinnspiel», entgegnete Initiant Daniel Häni. Die Arbeitswelt stehe angesichts der Roboterisierung vor tiefgreifenden Veränderungen, da gelte es, gemeinsam nach Lösungen zu ringen.

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Die sozialdemokratische Nationalrätin Susanne Leutenegger Oberholzer, auch sie eine Gegnerin, sagte, das klare Nein zeige, dass die Bevölkerung keine Experimente mit den Sozialversicherungen wolle. Die Diskussion gehe aber weiter. Aus ihrer Sicht waren in der Vorlage ganz wichtige Fragen unklar geblieben: die Finanzierung, die Höhe des Grundeinkommens und das Verhältnis zu den bestehenden Sozialversicherungen. 

Initianten: «Sagenhaftes» Ergebnis

Trotz des Scheiterns der Initiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen äusserten sich die Initianten mehr als zufrieden. «Ich bin positiv überrascht», sagte Mitinitiant Daniel Häni. Er habe mit 15% Ja-Stimmen gerechnet. Nun sehe es nach rund 20% aus. «Das ist jeder Fünfte, das ist ein sagenhaftes Ergebnis», sagte Häni.

Jubel auch bei Manuel Michel, ebenfalls vom Initiativkomitee:

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@swissromanExterner Link @konradweberExterner Link @srfnewsExterner Link @SRFExterner Link Von Null auf +20% ist für eine "Utopie" definitiv ein Grund zum Feiern! Start geglückt! #abst16Externer Link #BGEExterner Link

— Manuel Michel (@mnlmchl) June 5, 2016Externer Link

Daniel Häni sieht das Resultat als «Zwischenresultat». Das Thema sei damit nicht vom Tisch, sagte er. Die Debatte sei lanciert, auch im Ausland. Er verwies auf das grosse mediale Echo, das die Initiative auch im Ausland ausgelöst hatte. Bei grossen Themen wie der AHV und dem Frauenstimmrecht habe es ebenfalls mehrere Anläufe gebraucht.

Häni verwies auf eine am Sonntag veröffentlichte Umfrage, die das Forschungsinstitut gfs.Bern im Auftrag der Initianten durchgeführt hatte. Demnach rechnen 69% damit, dass es eine 2. Abstimmung gibt. 44% sprechen sich für Experimente mit dem Grundeinkommen aus.

Auch der Freiburger Wirtschaftsprofessor Sergio Rossi, der sich für die Initiative eingesetzt hatte, nannte das Abstimmungsresultat einen Erfolg. Das Wichtige aber sei, dass die Bürger beginnen, über diese Idee nachzudenken, denn sie müsse «früher oder später umgesetzt werden», zeigte sich Rossi überzeugt.$

Im Zentrum stand eine Frage

Über den Ausgang der Abstimmung hatten sich die Urheber keinerlei Illusionen hingegeben. Viel wichtiger war für sie, die Debatte über die Neu-Bewertung der Arbeit zu lancieren und zu befeuern sowie gedankliche Freiräume zu öffnen.

«Würden Sie aufhören zu arbeiten, wenn Sie vom Staat ein bedingungsloses Grundeinkommen erhalten?» Dies die zentrale Frage, die sie mit ihrem Begehren auf die politische Agenda brachten.

Neuer Arbeitsbegriff und tiefgreifender gesellschaftlicher Wandel

Die Idee ist einfach. Umgesetzt würde sie aber einen radikalen gesellschaftlichen Wandel bedeuten. Dies in Form einer humanistisch ausgerichteten Neubewertung des Begriffs Arbeit. Niemand müsse mehr Existenzängste haben, sondern könne sich in eigenverantwortlicher Kreativität betätigen, lautet ein Hauptargument der Initianten.

Weitere Gründe, die Häni & Co. ins Feld führten: Lösung der Armut, Verschlankung des aufgeblähten Sozialstaates sowie die proaktive Vorbereitung auf die Roboterisierung der Arbeitswelt, in der Technik menschliche Tätigkeiten übernimmt.

Das BGE – so würde es funktionieren

Laut Vorschlag der Initianten stünde allen Menschen in der Schweiz ein bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) von 2500 Franken pro Monat zur Verfügung, Minderjährigen 625 Franken. Einkommen aus Erwerbstätigkeit bis zur Höhe des BGE würden abgeschöpft und durch dieses ersetzt.

Die Kosten wurden auf 208 Mrd. Franken pro Jahr veranschlagt. Davon müssten rund 20 Mrd. Franken zusätzlich finanziert werden, etwa mit einer Erhöhung der Mehrwertsteuer.

Beispiel: Wer 1500 Franken verdient, erhielte bei  Annahme also 1000 Franken drauf.

Wer gleich viel oder mehr verdient als die 2500 Franken des BGE, hat trotzdem gleich viel Einkommen wie heute.

Beispiel: Verdient jemand 6500 Franken, werden 2500 Franken für die Finanzierung des BGE abgeschöpft, der Lohn würde somit 4000 Franken betragen. Dazu kommen aber wieder die 2500 Franken des BGE, womit insgesamt die vollen 6500 Franken Lohn zur Verfügung stehen.

Dasselbe Muster gälte auch für Unterstützungszahlungen im Rahmen der Sozialwerke. Bis zu der Schwelle von 2500 Franken würden diese durch das BGR abgegolten, während alles darüber hinaus wie bisher über die Sozialversicherungen laufen würde.

Damit könnten 88% der Finanzierung des BGE abgedeckt werden.


Soll oder muss die Debatte um ein staatliches Einkommen für alle weitergehen, wie dies die Initianten fordern?

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