Schweiz-Nepal: über Hängebrücken zur Demokratie
Nepal ist Schwerpunktland der Schweizer Entwicklungshilfe und Beispiel dafür, wie sich diese in 50 Jahren verändert hat. Standen anfangs Hängebrücken und die Erschliessung von Gebirgsregionen im Zentrum, ist es heute der Demokratie- und Friedensprozess.
Nepal war das erste Land, in dem die Schweiz auf Anfrage hin zunächst private Entwicklungshilfe leistete und eigens dafür 1955 die Entwicklungsorganisation Helvetas gründete.
Dies noch bevor der Bund 1961 den ersten Delegierten für die öffentliche Entwicklungshilfe ernannt habe, sagt der ehemalige Helvetas-Leiter Werner Külling an einem Podium in Bern zum Thema «50 Jahre Deza».
Die Kernaufgabe der Schweizer Hilfe lautete damals Vorabklärung für Strassenbau im unwegsamen Hochgebirgsland. «Mit der Regierung und unter Einbezug der Dörfer mussten wir entscheiden, wo der Zugang zu Märkten, Schulen und Spitälern am wichtigsten war», sagt Ruth Egger, ehemalige Vizedirektorin von Intercooperation.
Die Ökonomin war die Frau der ersten Stunde, als ein Schweizer Viererteam auf Nepals Wunsch hin wirtschaftlich-soziale Entwicklungsmöglichkeiten aufzeigen sollte.
Käse statt Gold
Die Hoffnung Nepals, Gold zu finden, zerschlug sich alsbald. Stattdessen führte die Schweiz Käse- und Milchwirtschaft ein, weil Nepali Hochlandrinder hielten. Ein Wirtschaftszweig, der sich multiplizierte und heute selbstständig funktioniert: «Der Yak-Käse wird an ausländische Reisende verkauft oder nach Indien exportiert und bringt Geld in die Täler», sagt Egger.
Mehrere Hundert Strassenkilometer und über 3000 Hängebrücken hat die Schweiz seit 1960 zusammen mit der lokalen Bevölkerung gebaut. «Und deren Unterhalt durch Ausbildung gesichert», betont Markus Heiniger, Berater für Sektorpolitik Konflikt und Menschenrechte im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA).
In der Schweiz wären mit denselben Mitteln in all der Zeit bloss rund 18 Kilometer Autobahn entstanden, vergleicht er.
Der Aufbau der Infrastruktur und technischen Hilfe sind laut Heiniger weitgehend abgeschlossen. Der Wunsch Nepals nach Unterstützung ist indes geblieben. Die Entwicklungszusammenarbeit verlagerte sich auf Demokratie- und Friedensförderung.
Der 1996 ausgebrochene Bürgerkrieg bildete «eine Zäsur», blickt Heiniger zurück. Sowohl die Deza wie auch die Schweizer Hilfswerke blieben jedoch unter Sicherheitsvorgaben im Land. «Unsere Treue in schwierigen Zeiten wurde geschätzt. Dass auf die Schweiz Verlass ist, hat ihr Image gehoben», sagt Egger.
Schwerpunktland der Friedenspolitik
Da sich die Schweiz in der langjährigen Entwicklungszusammenarbeit stets als unparteiisch erwies, wurde sie um Vermittlung zur Beilegung des Konflikts angefragt. Erfolge erzielte sie vor allem deshalb, weil sie alle Konfliktparteien in die Gespräche einbezog, auch die «bösen» maoistischen Rebellen, wie Heiniger ausführt.
Die Pendel-Diplomatie des EDA-Beraters für Friedensförderung brachte den Durchbruch und alle Parteien an einen Tisch. Seminare in der Schweiz folgten, und vor fünf Jahren, Ende 2006, beendete ein Friedensabkommen den zehnjährigen Bürgerkrieg.
Die Schweiz unterstützt den Friedens- und Demokratieprozess weiterhin. Seit 2007 haben führende nepalesische Politiker mehrmals kurz die Schweiz besucht und sich zu Föderalismus und Verfassungsfragen informiert. 2008 bestätigte die verfassungsgebende Versammlung die Abschaffung der Monarchie, seither heisst der Himalaya-Staat Demokratische Bundesrepublik Nepal.
Mit der Verabschiedung der Verfassung harzt es allerdings seit einiger Zeit. Ob sich die Parteien wie vorgesehen bis Ende Mai einigen werden, ist unsicher. «In 90 Prozent der Fragen herrscht Einigkeit», sagt Heiniger.
20’000 Kämpfer eingliedern
Einer der Streitpunkte ist die Demobilisierung von rund 20’000 Kämpfern und Kämpferinnen und Kindersoldaten. Diese in die von Royalisten geprägte Armee zu integrieren, ist genauso schwierig wie deren Integration ins soziale und wirtschaftliche Leben.
Nepal ist auch nach mehr als 50 Jahren Entwicklungspartnerschaft mit der Schweiz ein armes Land. Ein Versagen? Keinesfalls, betonen die Entwicklungsfachleute. Bei allen Schwierigkeiten auf dem Weg zu mehr Wohlstand und Demokratie gebe es viele Erfolge, wie die Evaluationen belegten.
Nepal war für die Schweizer Entwicklungshilfe eine Art «Versuchslabor», in welchem Fachleute «Felderfahrung» sammeln konnten, auf der die Deza auch andernorts bauen konnte.
Neben Hängebrücken und Strassenbau hat die Schweiz früh die Folgen der Abholzung erkannt und die Wiederaufforstung der Wälder an die Hand genommen.
Die Schweiz unterstützte Waldnutzer-Gruppen und Frauenkooperativen wie auch die Schul- und Berufsbildung.
Herausragend ist das Schweizer Engagement in den Berggebieten des Himalaya und Hindukusch.
Die Schweiz hat mit internationalen Fachleuten das Zentrum für Ressourcenmanagement ICIMOD (International Centre for Integrated Mountain Development) begründet.
Dieses setzt sich für wirtschafts- und umweltverträgliche Öko-Systeme ein und will so zur Verbesserung der Lebensbedingungen der armen Bergbevölkerung beitragen.
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