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UNO: Schweizer Brückenbauer verlässt New York

Peter Maurer, UNO-Botschafter der Schweiz, schmiedete im Namen der Schweiz öfters Allianzen mit anderen, oft eher kleinen Staaten. swissinfo.ch

Nach 6 Jahren als Schweizer UNO-Botschafter in New York wird Peter Maurer Staatssekretär im Aussenministerium in Bern. Mit New York verbindet er viele Erinnerungen. Und der Weggang, sagt er, sei auch mit einer gewissen Tristesse verbunden.

«Alle Übergangszeiten sind schwierig. Emotional steckt man in zwei Welten. Mir hat es in New York und bei der UNO sehr gut gefallen» erklärt Maurer.

Im Gespräch mit swissinfo.ch schaut er zurück auf seine Zeit am East River – nur wenige Stunden, nachdem er mit den Budgetverhandlungen einen seiner letzten grossen Brocken in einem nächtlichen Sitzungsmarathon über die Bühne gebracht hat.

Maurer hat immer wieder versucht, die Schweiz als Land zu positionieren, das konkrete Lösungen sowie machbare Kompromisse zwischen Blöcken und Interessen sucht. Und er hat es verstanden, der Schweiz bei der UNO ein Profil zu verschaffen.

Mit Maurer hatte die Schweiz am UNO-Sitz in New York, der Stadt der zahlreichen Brücken, einen multilateralen Diplomaten, der von vielen Kollegen als Brückenbauer mit viel Verhandlungsgeschick geschätzt wurde.

Ungeachtet der wachsenden Spannungen im Verhältnis zwischen Libyen und der Schweiz blieb nach Angaben aus diplomatischen UNO-Kreisen auch das Verhältnis zwischen Maurer und Ali Treki, dem libyschen Präsidenten der Generalversammlung, gut.

Menschenrechte, Entwicklung, Friedenspolitik

Maurer schmiedete im Namen der Schweiz öfters Allianzen mit anderen, oft eher kleinen Staaten: Er brachte etwa Vorstösse für transparentere Arbeitmethoden des Sicherheitsrates ein, oder für mehr Transparenz und rechtstaatliche Ansätze im Umgang mit den umstrittenen «Terror-Listen» der UNO.

Auf die Frage zu Höhepunkten seiner UNO-Jahre sagt Maurer, Höhepunkt müsse nicht notwendig Erfolg heissen: «Höhepunkte gab es immer dann, wenn es zu interessanten Verhandlungen gekommen ist.»

Als Beispiele nennt Maurer die Schaffung des Menschenrechts-Rats und der Friedensbildenden Kommission, die Verhandlungen über den Soforthilfe-Fonds der UNO, die Resolution zu «Waffengewalt und Entwicklung» oder den Vorsitz im Budget-Ausschuss, den er in der laufenden Generalversammlung innehat.

«Höhepunkt bedeutet für mich in erster Linie, dass man weiss, wo das Problem liegt, und beginnen kann, Lösungen zu skizzieren. Es ist mir klar, dass es nicht einfach ist, langwierige Budgetverhandlungen als einen Höhepunkt zu kommunizieren», räumt er mit einem Lächeln ein.

Momente, in denen sich anhand von scheinbar unwesentlichen Fragen Welten auftäten, seien für ihn Höhepunkte. Wenn man beginne, zu verstehen, warum die Leute aus Somalia, dem Kongo oder Burundi bis morgens um zwei Uhr um drei oder vier Helikopter für eine Mission kämpften – weil die Helikopter eben wirklich dringend gebraucht würden.

Immer wieder Gespräch suchen

Es ist Maurer ein Anliegen, «verschiedenste Interessen intelligent zusammenzubringen, so dass am Schluss alle das Gefühl haben, man habe ein gangbares Resultat erreicht.»

Seine kecke Frisur, sein oft verschmitztes Lächeln lassen erahnen, dass Maurer ein humorvoller Mensch ist. Kein Mann von Smalltalk, sondern ein ernst zu nehmender Verhandlungspartner, dem viele seiner Kollegen in UNO-Kreisen ein äusserst gutes Gespür für das politisch Machbare nachsagen.

Maurer lässt in New York viele Kollegen und Kolleginnen zurück. Zu seinen guten Freunden oder Kollegen zählt er nicht nur Botschafter aus Ländern mit ähnlichen Interessen wie die Schweiz, sondern gerade auch aus solchen, mit denen es grosse Divergenzen gibt.

«Ich habe bewusst auch immer wieder das Gespräch gesucht mit Leuten, die als etwas schwierig gelten. Etwa mein iranischer Kollege, oder der pakistanischer Kollege, mit dem ich über viele Jahre alle umstrittenen Themen durchgeackert habe.»

Optimismus und hohe Frustrationsgrenze

Um bei der UNO voranzukommen, müsse man schon etwas ein Optimist sein, meint Maurer weiter: «Wer nur resigniert ist, kann hier nichts machen.»

Internationales Verständnis zu schaffen sei schwierig, sagt Maurer. Für die Strukturierung internationaler Beziehungen brauche es einen mittel- und langfristigen Zeithorizont. Man brauche eine hohe Frustrations-Akzeptanz, müsse sich auch immer wieder motivieren.

Maurer kommt bei seiner Arbeit sein Studium der Geschichte zu gute. Wenn man seine Tätigkeit mit einer historischen Dimension angehe, öffneten sich andere Perspektiven und Horizonte für Optimismus und Pessimismus, für Zynismus und Frustration.

«Historischen Prozessen kann man keine Gewalt antun. Es gibt Dinge, die reif sind und solche, die es nicht sind.» Wenn man sein diplomatisches Handwerk gut einsetze, könne man zur Reifung eines Themas beitragen.

Ein Thema, das sich «schleppend dahinzieht» ist die Reform des UNO-Sicherheitrats. Seine Zusammensetzung entspricht nicht mehr den heutigen geopolitischen Realitäten, zudem leidet der Rat an einem Demokratiedefizit. Die Schweiz setzt daher auf die Reform der Arbeitsmethoden des Rats, um wenigstens kleine Schritte in Richtung Transparenz zu erreichen.

UNO und Schweiz

Maurer erklärt auch, warum eine starke UNO im Interesse der Schweiz liege: “Tendenziell verlieren wir international an Bedeutung, weil andere an Bedeutung gewinnen.» Je mehr die Schweiz als einzelne Akteurin an Gewicht einbüsse, umso mehr brauche es einen institutionellen Rahmen, in dem das Land seine Interessen vertreten könne.

In seinen Jahren als UNO-Botschafter sei er bei seiner Arbeit wohl stärker als mancher seiner Kollegen an sein eigenes Land erinnert worden: Die Verfassung der Schweiz sei auf Konsens ausgelegt und die UNO sei «eine konsensorientierte Organisation, bei der die Zustimmung des Einzelnen zum politischen Prozess extrem wichtig ist».

Darum habe er oft, halb spasseshalber, auch gesagt: «Es gibt nicht nur die Globalisierung, sondern auch die Helvetisierung der Welt, die sich hier niederschlägt.»

Maurer wird in den nächsten Wochen weiter zwischen New York und der Schweiz pendeln. Sein wohl letzter Auftritt als UNO-Botschafter dürfte im Mai erfolgen, wenn der ehemalige Bundesrat Joseph Deiss zum Präsidenten der 65. UNO-Generalversammlung gewählt wird.

Rita Emch, swissinfo.ch, New York

Seit Anfang Jahr pendelt Peter Maurer zwischen Bern und New York hin und her, denn er hat bereits Aufgaben in seinem neuen Amt als Staatssekretär wahrzunehmen. Neuer UNO-Botschafter in New York wird Paul Seger, bisher Chef der Direktion für Völkerrecht des EDA.

Sein Nachfolger, sagt Maurer, werde sich in erster Linie mit Themen wie dem Kampf gegen die Armut (Millenniums-Entwicklungsziele), Umwelt, Klima und nachhaltige Entwicklung und Friedensbildende Massnahmen befassen müssen. Mit den Schlüsselthemen der UNO und mit Gouvernanzfragen.

«Es lohnt sich, hin und wieder die UNO-Charta hervorzunehmen: Es geht um das friedliche Zusammenleben der Völker, um Entwicklung und Menschenrechte – die Aufgaben sind die gleichen geblieben wie 1945.»

Peter Maurer wurde 1956 in Thun geboren. Er ist verheiratet und Vater zweier Töchter.

Studium: Geschichte, Politische Wissenschaft und internationales öffentliches Recht in Bern und Perugia (Italien).

1987 trat er in den Dienst des EDA ein und versah verschiedene Funktionen. Von 1996 bis 2000 war Maurer erster Mitarbeiter des Chefs der damaligen Ständigen Beobachtermission der Schweiz bei der UNO in New York.

2000 wurde er zum Botschafter ernannt und war bis 2004 Chef der Politischen Abteilung IV der Politischen Direktion des EDA in Bern.
September 2004 bis Frühjahr 2010: Botschafter und Chef der Ständigen Mission der Schweiz bei der UNO in New York.

Ab März 2010: Staatssekretär im Schweizer Aussenministerium.

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