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Auslandschweizer:innen sagten Ja zur Biodiversitätsinitiative

Die Initiative für Biodiversität fand mehr Unterstützung unter den Auslandschweizern.
Die Biodiversitätsinitiative fand mehr Zuspruch unter den Auslandschweizer:innen. Keystone / Christian Beutler

Während die Biodiversitätsinitiative und die BVG-Reform sehr deutlich abgelehnt wurden, zeigt die Analyse der Stimmen aus dem Ausland eine andere Dynamik: Die Diaspora sagte Ja zur Biodiversität und lehnte die BVG-Reform ab, aber nur knapp.

Die Abstimmung vom Sonntag endete mit einer Schlappe für beide Vorlagen: Die Änderung des Bundesgesetzes über die berufliche Vorsorge (BVG) wurde von 67,1% der Wählerschaft abgelehnt, und in allen Kantonen resultierte ein Nein. Die Volksinitiative für Biodiversität hatte kaum ein besseres Schicksal: 63% der Bürgerinnen und Bürger und fast alle Kantone bis auf zwei lehnten das Vorhaben ab, der Natur mehr Raum und Mittel zu geben.

Das Abstimmungsverhalten der Auslandschweizer unterscheidet sich deutlich von jenem der inländischen Bevölkerung. Wobei die Analysen – wie immer – dadurch eingeschränkt sind, dass nur 12 von 26 Kantonen separate Statistiken über das Abstimmungsverhalten ihrer im Ausland wohnhaften Bürger:innen liefern. Gerade die Themen Umwelt und Renten haben in früheren Abstimmungen zu erheblichen Abweichungen geführt. Diese Abstimmung bildet keine Ausnahme.

Unterstützung für die ökologische Ideen

Anders als auf nationaler Ebene wurde die Biodiversitätsinitiative in der Diaspora mehrheitlich unterstützt. Vergleichbare Unterschiede waren bereits bei der Abstimmung über das Klimagesetz im Juni 2023 zu beobachten. Das Ja der Fünften Schweiz war damals viel stärker ausgeprägt als jenes der einheimischen Wählerschaft. Ähnliches war auch im Juni 2021 beim CO2-Gesetz zu beobachten: Dieses wurde vom Volk zwar knapp abgelehnt, von den Auslandschweizern jedoch mit über 72% angenommen.

Auch andere Umweltabstimmungen wie die Initiativen «Für eine pestizidfreie Schweiz» oder «Für sauberes Trinkwasser» wurden von allen Stimmberechtigten klar abgelehnt, von der Diaspora jedoch klar angenommen.

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Die Details nach Kantonen spiegeln diese Diskrepanz sehr deutlich wider. Die Biodiversitätsinitiative erreichte in 7 von 12 Auslandschweizer Bezirken mehr als 50% Ja-Stimmen, während sie auf nationaler Ebene nur in Genf und Basel-Stadt angenommen wurde.

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Laut Martina Mousson, Politologin beim Institut gfs.bern, zeichnet sich ein «Muster» ab, wonach Personen im Ausland vermehrt für die Ökologie stimmen. «Das hat mit der Demografie dieser Gruppe zu tun, die im Allgemeinen linker, umweltbewusster ist, ein höheres Bildungsniveau hat und dazu neigt, Probleme mit einer globaleren Sichtweise anzugehen.»

Die Tatsache, dass ein Ja nur in den Stadtkantonen Genf und Basel zustande gekommen ist, «die zu den urbansten und kosmopolitischsten der Schweiz gehören», stützt laut Mousson diese Hypothese.

Hat es eine Rolle gespielt, dass die Auslandschweizer:innen weniger mit den Kampagnen in Berührung gekommen sind? Expertin Mousson sagt, es stimme, dass diese Gruppe weniger betroffen und weniger empfänglich für spezifisch inländische Probleme sei, die von den Gegnern der Inititiative eingebracht wurden. Das gelte insbesondere für das Argument, dass die Initiative die Wohnungsnot verschärft hätte.

«Die Unterschiede in der Sensibilität für die verschiedenen Argumente sind jedoch nicht enorm.» Für die Politologin war es weniger der konkrete Inhalt der Vorlage, der den Unterschied machte, sondern «die ideologische Vision, die man von der Ökologie hat».

Ein knappes Nein zur BVG-Reform

Ein Nein zur Reform der Altersvorsorge kam auch in allen auswertbaren Auslandschweizer-Kantonen zustande. Allerdings war die Ablehnung nicht so massiv wie in der Schweiz, im Gegenteil.

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In 9 der 12 Auslandschweizer-Kantone, für die Statistiken vorliegen, war die Zustimmung  ausgeprägter; die Genferinnen und Genfer im Ausland waren die einzigen, die die Reform deutlich ablehnten. Sie kippten die Gesamtauswertung mit 600 Stimmen ins Nein.

In der Vergangenheit haben die Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer in der Rententhematik etwas liberaler gestimmt als die inländische Bevölkerung. Dies war etwa im März der Fall, als die Ablehnung von Rentenalter 66 unter den Auslandschweizern weniger stark war. Oder im September 2022, als die Schweizer Diaspora die Erhöhung des Rentenalters für Frauen von 64 auf 65 Jahre deutlicher unterstützte.

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Dass solche Vorlagen die Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer in der Regel nur am Rande betreffen, trägt zur Erklärung des unterschiedlichen Abstimmungsverhaltens bei. Eine weitere Möglichkeit: Da die meisten Industrieländer die Herausforderung der Nachhaltigkeit der Rentensysteme teilen, könnten die Auslandschweizer Reformen gegenüber etwas aufgeschlossener sein.

Bei der Abstimmung am Sonntag könnte es auch sein, dass die Zweifel an der Dringlichkeit von Reformen, die in der Schweiz durch den Rechenfehler bei den Finanzprognosen der AHV geweckt wurden, in der Diaspora weniger stark ausgeprägt waren. «Die Auslandschweizer bekamen diese Diskussion und die Atmosphäre des Misstrauens weniger stark mit», sagt Martina Mousson.

Geringe Mobilisierung

Auf nationaler Ebene mobilisierte die Abstimmung 44,5% der Stimmberechtigten, was unter dem Durchschnitt der letzten Abstimmungen liegt: Die durchschnittliche Stimmbeteiligung bei Abstimmungen in den letzten fünf Jahren lag bei knapp 50%. Auch bei den Auslandschweizern lag die Stimmbeteiligung mit 20,7% im unteren Bereich. Der Durchschnitt der letzten Abstimmungen lab bei 25,6%.

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Diese geringe Mobilisierung könnte die Komplexität des BVG-Reformprojekts widerspiegeln. «Wenn sie sich nicht in der Lage fühlen, ein Urteil zu fällen, neigen die Schweizer eher dazu, sich der Stimme zu enthalten», sagt die Politologin.

Editiert von Samuel Jaberg

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