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Die Schweiz pokert hoch mit der EU

Schweiz – EU: Eine schwierige Beziehung

Die Beziehung zwischen Bern und Brüssel sind abgekühlt. Die Chancen auf Fortschritte im Wahljahr 2023 stehen schlecht. Was bedeutet das für die Auslandschweizer:innen? 

Es sind 450’000 Schweizerinnen und Schweizer, die sich in Ländern der EU niedergelassen haben. Sie arbeiten da, studieren, oder geniessen ihre Rente an der Sonne. Doch sonnig ist die Beziehung zwischen Bern und Brüssel längst nicht mehr. Da herrscht Distanz, die Liebe ist abgekühlt.

Personenfreizügigkeit in Gefahr?

Ist auch die Personenfreizügigkeit in Gefahr? Nachdem der Bundesrat im Mai 2021 die Verhandlungen um das Rahmenabkommen einseitig ausgesetzt hat, sind kaum Fortschritte sichtbar. Die Auslandschweizer-Organisation ist besorgt. Und die politische Schweiz fragt sich: Was ist zu tun?

Wir haben das in unserem Diskussions-Format «Let’s Talk» besprochen. Die Analyse erfolgte im Bundeshausstudio der SRG mit zwei profunden Kenner:innen der Materie: Astrid Epiney, Rektorin der Universität Freiburg und Spezialistin für Europarecht sowie Urs Bieri, Politologe beim Forschungsinstitut Gfs in Bern, Spezialgebiet Europafrage.

Die Schweiz führt zurzeit Sondierungsgespräche, versucht herauszufinden, worüber überhaupt dereinst verhandelt werden kann. «Meine Hoffnung ist, dass wir in nicht allzu ferner Zukunft auch zu richtigen Verhandlungen kommen, damit das Dossier vor den anstehenden Wahlen vorangetrieben werden kann», sagt Astrid Epiney.

Kaum Fortschritte im Wahljahr

Doch kann man in einem Wahljahr überhaupt  Fortschritte erwarten? Urs Bieri sagt: «Das Thema Europa ist im Wahljahr nicht gross, weder in der Bevölkerung, noch in der Politik. Dort gibt es verschiedene Parteien, die das Thema eher scheuen.»

Dabei sind gerade die Auslandschweizer:innen direkter betroffen. Erleiden sie einen Kollateralschaden, den die Schweizer Innenpolitik in Kauf nimmt? Urs Bieri sagt: «Auslandschweizer:innen haben sicher ein sehr feinfühliges Gespür für diese Beziehungen. In der Vergangenheit waren sie auch europafreundlich in Abstimmungen.»

Wenn es knapp werde, könnte die Fünfte Schweiz in dieser Frage durchaus das Zünglein an der Waage sein. Bieri schätzt den spezifischen Einfluss der Auslandschweizer:innen im Europadossier auf 2-3 Prozentpunkte, ein Anteil, der «durchaus relevant» sei. «Der EWR zum Beispiel wurde mit 50,3% abgelehnt.» Unter dem Einfluss der Auslandschweizer:innen, «hätte das absolut kippen können», sagt er.

In konkreter Gefahr ist die Personenfreizügigkeit laut Astrid Epiney derzeit aber nicht, «selbst wenn sich jetzt die Schweiz und die EU nicht in der nächsten Zeit einigen.» Dennoch sei nicht auszuschliessen, dass irgendwann mal der Unmut auch bei der Europäischen Union steige.

Das Volk, bereit zum Kompromiss?

Und warum kann die Schweiz nicht wie bisher einfach die Bilateralen aufdatieren? «Der Status quo ist nicht länger im Angebot», sagt Epiney.

Dabei wäre dies exakt, was das Volk will. Politanalyst Bieri sagt, dass die Schweizer Stimmbevölkerung nicht hinter die jetzigen Regelungen zurückgehen werde. «Man will das behalten und man ist durchaus bereit, vielleicht mehr als die Politik , dafür auch Kompromisse einzugehen», sagt Urs Bieri.

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