TAGESÜBERBLICK WIRTSCHAFT
Bern (awp/sda) – Mittwoch, 14. September 2011
REICHSTES LAND: Die Schweiz ist nach wie vor das reichste Land der Welt. Durchschnittlich hatte 2010 jede Einwohnerin und jeder Einwohner rund 250’000 Franken auf der hohen Kante. Dies sind 19 Prozent mehr als im Jahr zuvor – allerdings vor allem wegen des starken Frankens. Umgerechnet betrug das Pro-Kopf-Geldvermögen inklusive Rentenguthaben in der Schweiz gut 207’000 Euro. Auf Platz zwei stehen die USA. Die US-Bürger hatten durchschnittlich knapp 112’000 Euro gespart, etwas mehr als die Hälfte des Schweizer Vermögens. In der Rangliste der reichsten Länder folgen Japan, Dänemark und die Niederlande, wie die zweite Ausgabe des «Global Wealth Reports» des Versicherungskonzerns Allianz zeigt. Aufstrebenden Volkswirtschaften in Asien, Lateinamerika und Osteuropa verzeichnen dagegen zweistellige Zuwachsraten.
EU-KOMMISSION FÜR EUROBONDS: Angesichts der Schuldentragödie in Griechenland setzt die EU-Kommission auf Eurobonds, also gemeinsame Staatsanleihen der Euro-Länder. Einige Möglichkeiten könnten im Rahmen der bestehenden Verträge realisiert werden, für andere müsse der EU-Vertrag geändert werden, sagte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso im Europaparlament in Strassburg Vorschläge sollen in Kürze vorliegen. Allerdings warnte Barroso vor überzogenen Hoffnungen: «Das wird natürlich nicht die Wunderlösung sein für die Probleme, denen wir gegenüberstehen.» Dies könne nur ein Element eines umfassenden Ansatzes einer stärkeren wirtschaftspolitischen Integration sein.
CHINA REICHT DIE HAND: Die Euro-Länder können in ihrem Kampf gegen die Schuldenkrise auf Beistand aus den grossen Schwellenländern hoffen. Chinas Ministerpräsident Wen Jiabao bot an, «eine helfende Hand auszustrecken». «China ist sich sicher, dass Europa seine Probleme lösen wird», sagte Wen beim Wirtschaftsforum (WEF), dem so genannten «Sommer-Davos», in der nordostchinesischen Hafenstadt Dalian. Allerdings erwarte die Volksrepublik im Gegenzug ein ernsthaftes Bemühen bei der Schuldenbekämpfung. Zudem pocht China auf den Abbau von Handelshemmnissen mittels Anerkennung als Marktwirtschaft durch die EU. Auch die anderen grossen Schwellenländer Brasilien, Russland, Indien und Südafrika denken über Hilfen für die Euro-Staaten nach, die aber auch auf Widerspruch treffen.
ETAPPENSIEG FÜR BERLUSCONI: Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi hat mit einem Vertrauensvotum im Parlament das Milliarden-Sparpaket des hoch verschuldeten Landes beschleunigt. In der Abstimmung im Abgeordnetenhaus sprachen 316 Parlamentarier der Regierung bei dem Sparpaket über 54 Mrd. Euro das Vertrauen aus, 302 votierten dagegen. Diese Abstimmung ebnete den Weg für ein abschliessendes Votum zu dem gesamten Sparpaket am Abend. Der Senat hatte dem bereits zugestimmt.
BANKEN HERABGESTUFT: Französische Grossbanken müssen für ihr Engagement in Griechenland büssen: Die US-Ratingagentur Moody’s stufte die Kreditwürdigkeit der Crédit Agricole und der Société Générale jeweils um einen Grad herab. Damit verteuert sich deren Refinanzierung. Moody’s reagiert darauf, dass die beiden Geldhäuser nicht nur viele Milliarden Euro in griechischen Staatsanleihen investiert haben, sondern in dem hochverschuldeten Mittelmeerland auch direkt Bankgeschäfte betreiben. Frankreichs grösstes Geldhaus BNP Paribas kam zunächst zwar ungeschoren davon, die Bonitätswächter von Moody’s prüfen aber auch dort weiter eine Herabstufung.
ENTTÄUSCHUNG IN SPANIEN: Spaniens Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero hat erstmals eingeräumt, dass das für dieses Jahr angepeilte Wirtschaftswachstum von 1,3 Prozent möglicherweise nicht erreicht wird. Die endgültige Wachstumsrate für 2011 hänge von der Entwicklung der finanziellen Spannungen ab, die durch die Unsicherheit über die Lage Griechenlands verursacht worden seien, sagte Zapatero im spanischen Abgeordnetenhaus. Skeptisch zeigte sich auch die Ratingagentur Fitch. Die Gefahr einer erneuten Herabstufung der Kreditwürdigkeit Spaniens sei gestiegen.
STAGNATION: Die Sorge um die US-Wirtschaft dämpft die Kauflaune der Amerikaner. Die Detailhändler verbuchten im August nur stagnierende Geschäfte, wie das Handelsministerium in Washington mitteilte. Ohne Autos hatten die Händler 0,1 Prozent mehr in den Kassen. Das Umsatzplus der Detailhändler im Juli revidierte das Ministerium auf 0,3 von bisher gemeldeten 0,5 Prozent.
AXPO RICHTET SICH NEU AUS: Stellen abbauen, neue Ertragsquellen erschliessen: Der Energiekonzern Axpo richtet sich neu aus, um bei einem Atomausstieg der Schweiz Schritt halten zu können. Das laufende Geschäftsjahr, das am 30. September endet, sei «sehr schwierig und unsicher», erklärte Axpo. Mit Kostensenkungen und Investitionen in neue Kraftwerke soll der jährliche Gewinn um 100 Mio. Fr. gesteigert werden. Um Kosten zu sparen, ist gemäss Axpo auch mit einem Stellenabbau zu rechnen. Wo und in welchem Umfang, sei aber noch nicht entschieden. Axpo plant zugleich Investitionen von mehreren Milliarden Franken. In Frage kommen vor allem Wasserkraft und erneuerbare Energien, doch auch Importe aus dem Ausland werden ins Auge gefasst.
MOBILIAR AUF KURS: Die Versicherungsgruppe Mobiliar hat im ersten Halbjahr sowohl bei den Prämieneinnahmen als auch beim Konzerngewinn zugelegt. Unter dem Strich verdiente die Genossenschaft mit 188,9 Mio. Fr. 1,3 Prozent mehr als in der Vorjahresperiode. Die Erträge stiegen um 5 Prozent auf 2,14 Mrd. Franken. Das Wachstum liege über dem Marktdurchschnitt, erklärte die Mobiliar. Besonders die Abschlüsse von Motorfahrzeugversicherungen hätten sich gut entwickelt, hiess es. Gleichzeitig lag die Schadensbelastung unter dem langjährigen Durchschnitt. Dagegen verschlechterte sich das Finanzergebnis in einem schwierigen Umfeld von 119,4 auf 101,0 Mio. Franken.
ELEKTROAUTOS AN BAHNHÖFEN: Mobility-Kunden können künftig auch mit Elektroautos fahren. Ab Montag stehen an acht grossen Bahnhöfen der Schweiz je zwei Elektroautos vom Typ «Think City» zur Verfügung. Bei dem neuem Angebot arbeitet Mobility mit der SBB, m-way (dem E-Mobil-Center der Migros) sowie Siemens zusammen. Die Fahrzeuge kommen von m-way, während Siemens die Infrastruktur zur Aufladung der Autos stellt. Beim «Think City» handelt es sich um einen Zweisitzer mit drei Türen. Er kann bis 110 Stundenkilometern beschleunigen und hat eine Reichweite von 160 Kilometern.
VETO GEGEN ARBEITSZEITVERLÄNGERUNG: Der Industriekonzern Georg Fischer (GF) kann vor dem Hintergrund der Frankenstärke die Arbeitszeit in Schweizer Betrieben nicht um 2,5 Stunden pro Woche erhöhen. Die Gewerkschaften müssten dem Schritt laut Gesamtarbeitsvertrag (GAV) zustimmen, lehnen aber Verhandlungen ab. Der weltweit tätige Konzern, der Rohrleitungssysteme, Autoteile und Werkzeugmaschinen herstellt, sieht wegen der Währungskrise seine Wettbewerbsfähigkeit herausgefordert. Die Konzernleitung setzt darauf, dass es doch noch zu Verhandlungen kommt.
NOVARTIS VOR SPARRUNDE: Novartis-Chef Joe Jimenez kündigt weitere Sparmassnahmen beim Marketing und bei der Produktion an. «Wir haben zu viel Geld für Marketing und Verkauf unserer Medikamente ausgegeben», sagte Jimenez im Interview mit der «Handelszeitung» (Vorabdruck). Weiteres Sparpotenzial sieht Jimenez bei der Produktion. «Wir haben 83 Fabriken und wir lasten sie nur zu 50 Prozent aus. Das ist nicht gut», so der Novartis-Chef. Werkschliessungen seien möglich. Jimenez erwartet, dass das Niveau der Ausgaben des Konzerns in der Schweiz künftig sinkt.
VISILAB REAGIERT AUF FRANKENSTÄRKE: Die grösste Optikgruppe der Schweiz, Visilab, verhängt ab sofort einen Einstellungsstopp und senkt die Preise für Gläser und ein Drittel der Brillen markant. Entlassungen sind nicht vorgesehen. Normalerweise gehen bei Visilab 3 bis 5 Prozent der Angestellten pro Jahr. Bei rund 800 Mitarbeitenden sollen somit durch den Einstellungsstopp bis zu 40 Stellen abgebaut werden. Die Gruppe leidet unter dem Wegfall der Brillenzuschüsse aus der Krankengrundversicherung seit Anfang Jahr, hiess es. Zudem mache Visilab die steile Aufwertung des Frankens massiv zu schaffen. In den Läden in grenznahen Einkaufszentren seien die Verkäufe um bis zu 20 Prozent eingebrochen.
PREISRÜCKGANG IM GROSSHANDEL: Die Preise im Schweizer Grosshandel sind im August deutlich gesunken. Verglichen mit Juli gaben die Produzenten- und Importpreise unter dem Eindruck der schwierigen Wirtschaftslage und der Frankenstärke um 1,2 Prozent nach. Die Produzentenpreise für im Inland hergestellte Güter fielen um 0,8 Prozent, die Importpreise um 2 Prozent.