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USA oder UBS – wer ist schlimmer?

Reuters

Dass ausgerechnet die UBS das Bankgeheimnis zum Straucheln gebracht hat, – und nicht die politischen Kritiker - frustriert die Schweizer Presse. Noch einmal müsse die Regierung für die Bank gerade stehen.

Die Fehler der UBS, die Rolle des Bundes und die spitzfindige Unterscheidung in Steuerbetrug und –hinterziehung werden in der Deutschschweizer Presse breit kritisiert.

Die Westschweizer Medien hingegen beziehen sich vorwiegend auf den zweiten Coup der US-Justiz vom Donnerstagabend, als eine weitere Klage eingereicht wurde.

Ausgerechnet die UBS schafft es

«Was die schärfsten Kritiker (des Bankgeheimnisses) nicht zustande brachten, schafft – ausgerechnet – die UBS», schreibt der Tages-Anzeiger: «Ihr muss ein Kränzchen winden, wem das Bankgeheimnis schweizerischer Ausprägung schon immer ein Dorn im Auge war.» Und: Späte Ehre gebühre dabei Marcel Ospel.

Wobei der Tages-Anzeiger in keiner Weise das «brachiale Vorgehen der USA» auslässt, das jeder Rechtstaatlichkeit spotte.

Aber auch die Politiker aller Farben kommen beim Tagi schlecht weg: Sie hätten es mit ihrem sturen Tolerieren der Steuerhinterziehung verpasst, dem Bankgeheimnis den Stellenwert zu geben, den es verdiene: «Den Schutz der Privatsphäre aller ehrlichen Bürger.»

Zwar habe auch die UBS in den letzten eineinhalb Jahren viel getan, um aus der Krise herauszufinden, so die Neue Zürcher Zeitung. Aber «mit jedem Problem, das gelöst wird, taucht ein neues auf».

So habe sich ein «Eindruck der Machtlosigkeit verfestigt». Im grenzüberschreitenden Vermögensverwaltungs-Geschäft hätten Berater der Bank, entgegen früheren Beteuerungen, US-Kunden darin unterstützt, US-Steuervorschriften zu umgehen.

Nicht nur in den USA ein Vergehen

«Auch in der Schweiz gelten solche Manöver als Steuerbetrug und damit als Straftatbestand.» Die NZZ ortet deshalb Führungsprobleme bei der UBS. Um die bankinternen Vorgaben zu erfüllen, hätten ihre Berater jenseits aller gesetzlichen Bestimmungen Mittel und Wege suchen müssen.

«Warum haben Peter Kurer und Marcel Rohner (…) nicht mehr getan, um der Einhaltung regulatorischer Vorgaben zum Durchbruch zu verhelfen?»

Nun sei kaum einen Tag nach dem Entgegenkommen der Schweiz schon eine weitere Klage, diesmal auf Zivilrecht, eingereicht worden. Da diese Daten vom Bankgeheimnis geschützt seien, wolle die UBS auf zivilrechtlichem Weg alles tun, um eine Info-Übermittlung zu verhindern.

«Zu hoffen bleibt, dass sie wenigstens diese Runde gewinnt.»

«UBS macht Schweiz zur Bananenrepublik», titelt das Boulevard-Blatt Blick. Wieder müsse das Land für die Fehler der UBS gerade stehen. «Weil sie nicht untergehen darf. Alles wird dem Überleben untergeordnet. Sogar das Bankgeheimnis.»

Der Blick erinnert an den letzten Herbst, als der Bundesrat das erste Rettungspaket schnürte. Nur hätte man sich damals «als Opfer der unvorhersehbaren Finanzkrise» darstellen können. «Diesmal sind die Bank und ihre Manager ganz allein schuld.»

Rechtsstaat oder Assistenz beim Betrug

Zwar sei es rechtsstaatlich problematisch, wie die USA vorgegangen seien, so die Berner Zeitung BZ. Doch sei es ebenso rechtsstaatlich problematisch, wie die UBS ihren Kunden beim Betrügen assistiert habe.

«Die Praktiken sind schlicht illegal», unabhängig von der schlaumeierischen Unterscheidung zwischen Steuerhinterziehung und –betrug. «Und zwar auch nach schweizerischem Recht.» Deshalb sei es Zeit, «erst einmal vor der eigenen Tür zu wischen».

In der Aargauer Zeitung gesteht man sich ein, dass «kein Mensch mehr den spitzfindigen Unterschied zwischen Steuerbetrug und –hinterziehung begreift». Und die Banken hätten immer darauf gepocht, dass die vielen Offshore-Gelder nicht wegen der Hinterziehung bei ihnen lägen, sondern «weil sie vertrauenswürdig sind».

Dieser Argumentation könne man seit dieser Woche nur noch hoffend folgen! Der Schaden, den die UBS verursacht habe, sei von viel grösseren Dimensionen als alles, was sich seit dem September 2001 ereignete.

Kein Versanden in Rechtsfinessen mehr

«Nochmals zwingen die Fehler der UBS die Schweiz zu epochalen Änderungen», schreibt die Westschweizer Tageszeitung Le Temps. Die laufende Krise sei zu brutal, um in juristischen Finessen zu versanden.

Wenn die Schweiz ihre Prinzipien selbst mit Füssen trete, würden sich wohl auch die Nachbarn nicht schämen, es zu tun: Das Beben habe Brüssel am Donnerstag bereits erreicht, bevor die Amerikaner am Abend zum 2. Schlag ausgeholten.

Freundschaftliche Bande dürften nun einem Kräftespiel weichen – und die Schweiz habe gerade ihre schwache Position zugegeben.

Dieser Schlag werde vielleicht nicht gerade das Bankgeheimnis beerdigen, aber die Unterscheidung in Steuerhinterziehung und –betrug wegfegen. Die Betrugs-Variante werde man wohl abschreiben müssen.

«Die Schweiz am Boden, getreten von den Amerikanern» – schreibt 24 Heures auf die Nachricht hin, dass die US-Behörden weitere 52’000 Kundennamen haben möchten.

Die 17 Mrd. Franken, die damit gemeint seien, wären Manna für den US-Fiskus, auf den er in der Krise nicht bereit sei, zu verzichten.

Und der Bund? «Dieser schwört den eigenen Prinzipien ab, nur um die Praktiken von Schwindlern zu decken.»

swissinfo, Alexander Künzle

Weltweit sind laut Schätzungen der Nichtregierungs-Organisation Tax Justice Network in Steueroasen mehr als 11,5 Billionen Dollar angelegt.

In Offshore-Zentren gehaltene Anlagen entsprächen damit rund einem Drittel aller weltweit verfügbaren Vermögen.

Jährlich verlieren die USA durch Steueroasen laut Network etwa 100 Mrd. Dollar an Steuereinnahmen.

In Deutschland seien es 50 Mrd. Euro jährlich, in Frankreich 45 und in Grossbritannien zwischen 11 und 41 Mrd.

In den Entwicklungsländern insgesamt 800 Mrd. Dollar.

Im Gegensatz zum Ausland hat die Schweiz zwischen Steuerbetrug und Steuerhinterziehung unterschieden.

Wird Betrug nachgewiesen, wie bei der Geldwäsche, gewährt die Schweiz Amtshilfe (Strafrecht).

Wer hingegen Steuern auf legal verdientem Geld nicht zahlt, der hinterzieht – Amtshilfe wird in diesem Fall kaum gewährt.

Gegen diese Unterscheidung laufen sowohl die EU als auch die USA seit Jahren Sturm.

Die EU-Kommission fordert nach der Herausgabe von UBS-Bankkundendaten an die USA Gleichbehandlung für die EU-Staaten.

Zwar unterstrich sie, dass es sich dabei um eine bilaterale Angelegenheit zwischen den USA und der Schweiz handle.

«Freilich, wenn eine ähnliche Anfrage von einem EU-Mitgliedstaat gestellt wird, muss sie auf gleiche Art und Weise behandelt werden», fügte die Sprecherin der Kommission in Brüssel an.

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