Der illegale Zigarettenhandel boomt in der Schweiz
In der Schweiz fangen die Grenzbeamt:innen immer mehr Personen ab, die mit Koffern voller Tabak reisen, vor allem am Flughafen Genf. Der Recherche-Desk von RTS hat diesen Markt, der zu den lukrativsten der Klein- und Schwerstkriminalität gehört, unter die Lupe genommen.
Das laufende Jahr könnte ein Rekordjahr werden, was die von den Schweizer Grenzwächtern beschlagnahmten illegalen Zigaretten betrifft.
Bisher wurden 600’000 Stück abgefangen und 26 Personen festgenommen, hauptsächlich am Flughafen Genf. Demgegenüber stehen 28 Festnahmen im kompletten Jahr 2023 und 10 im Jahr davor.
In den Koffern der Personen «haben wir im Durchschnitt 125 Stangen entdeckt, was jedes Mal etwa 25’000 Zigaretten entspricht», sagte Donatella Del Vecchio, Sprecherin des Bundesamts für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG), gegenüber RTS.
«In diesen Fällen kann man sagen, dass es sich um Zigarettenschmuggler handelt. Sie kommen hauptsächlich aus der Türkei, der Demokratischen Republik Kongo, Ägypten und auch aus Bulgarien.»
Der Originalbeitrag des Westschweizer Fernsehens RTS (in Französisch):
Es sind alles Länder, in denen Tabakwaren weniger kosten als in Westeuropa. Laut BAZG planten die Personen, nach Frankreich zu reisen, wo man für ein Päckchen Zigaretten etwa 11 Euro bezahlen muss.
Ein «Ameisenhandel»
Auf der französischen Seite beobachtet der Zoll dieses Phänomen ebenfalls. «Es handelt sich um Personen, die ins Ausland reisen, in die Türkei oder für Wasserpfeifentabak sogar nach Katar oder in die Vereinigten Arabischen Emirate, und die über den Flughafen Genf einreisen», stellt Bruno Rayne, Leiter des Bereichs Wirtschaftliche Massnahmen bei der regionalen Zolldirektion in Annecy, fest.
«Diese Personen kehren dann nach Frankreich zurück, um dort illegal weiterzuverkaufen, entweder an ihre Verwandten oder an ein illegales Netzwerk», sagt Rayne in der Matinale von RTS. «Im Moment haben wir es mit einem ‹Ameisenhandel› zu tun, einem regelmässigen Strom kleiner Mengen. Es gibt keine aussergewöhnlichen Beschlagnahmungen.»
Der illegale Zigarettenschmuggel in fast industriellem Ausmass ist eher das Vorrecht der Schwerkriminalität. Hier werden Tonnen von Tabak umgeschlagen.
Rayne erklärt: «Es gibt die Schmuggelzigarette, die als Überschuss produziert wird und von den Kriminellen in offiziellen Fabriken in Osteuropa, insbesondere in Bulgarien, Polen, Rumänien und Moldawien, eingesammelt wird. Und dann gibt es noch die gefälschten Zigaretten, die in illegalen Fabriken in Belgien und den Niederlanden hergestellt werden.»
Bei den Tätern handelt es sich hauptsächlich um Angehörige krimineller Netzwerke aus Osteuropa. Diese sind auch im Drogenhandel aktiv. Der Zigarettenschmuggel ist für diese Mafias ein weitaus weniger riskantes Geschäft als beispielsweise der Verkauf und die Herstellung von Kokain.
Im Gegensatz zu dieser Droge ist der Rohstoff (Tabak) in vielen Ländern zu finden. Ausserdem kann die Herstellung von Zigaretten lokal und in grossem Umfang erfolgen.
«2019 hat Europol eine Fabrik in Bulgarien ausgehoben, in der eine Maschine bis zu 2000 Zigaretten pro Minute produzieren konnte. Damit lassen sich sehr hohe Einnahmen erzielen», stellt Daniel Brombacher von der Global Initiative Against Transnational Organised (GI-TOC) Crime fest.
Lokale Produktion
Die verschiedenen kriminellen Netzwerke bevorzugen vor allem die grossen Autobahnen, um ihre Waren zu transportieren. Wenn der Zoll sie dort abfängt, sind die Beschlagnahmungen gigantisch.
«Anfang des Jahres haben wir in der Nähe von Bourg en Bresse einen Lastwagen mit sechs Tonnen Tabak und allen Bauteilen für eine illegale Fabrik abgefangen, die in einem Hangar aufgebaut werden sollte, um gefälschte Zigaretten herzustellen», erinnert sich Rayne.
Diese Methode wird derzeit von Kriminellen bevorzugt: lokal produzieren, um näher an den Endkunden heranzukommen. «Dieser Trend begann während der Covid-Pandemie aufgrund der Reisebeschränkungen und verstärkte sich nach der russischen Invasion in der Ukraine», sagt Daniel Brombacher, Direktor der neuen Europäischen Beobachtungsstelle für organisierte Kriminalität (GI-TOC).
«In der Tat waren die Ukraine und Weissrussland die Hauptlieferanten für geschmuggelte Zigaretten. Da dies nicht mehr der Fall ist, musste das Produkt näher an die europäischen Kunden herangeführt werden».
Bis heute wurden in der Schweiz keine illegalen Fabriken entdeckt. Es gibt keine Hinweise darauf, dass die Lastwagen der Kriminellen die Autobahnen des Landes benutzen, um nach Frankreich oder in andere Staaten zu gelangen. Aufgrund der geografischen Lage der Schweiz ist dies jedoch auch nicht auszuschliessen.
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