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Wer soll bei der Arbeit bestimmen: Die Chef:innen, die Eigentümerschaft oder die Angestellten?

Hat die Schweiz wegen des späten Frauenstimmrechts so wenige Managerinnen?

Nicole Loeb und Simonetta Sommaruga auf Podium
Zweimal Chefin: Rechts Bundesrätin Simonetta Sommaruga, links Nicole Loeb, Chefin der gleichnamigen Warenhauskette. Welchen Einfluss hat die Politik darauf, dass Frauen in Führungspositionen untervertreten sind? Keystone / Peter Klaunzer

Die Politik ist ein gutes Sprungbrett, um auch in der Wirtschaft Karriere zu machen. Schweizerinnen blieb dieses Sprungbrett aber bis vor 50 Jahren verwehrt. Das ist ein Faktor, weshalb Frauen bis heute in Führungspositionen untervertreten sind – ein Faktor unter vielen.

Schweizerinnen dürfen erst seit 50 Jahren wählen und abstimmen. Könnte das mit ein Grund dafür sein, dass in der Schweiz gemäss Internationaler Arbeitsorganisation (ILO) weniger als ein Drittel der Führungskräfte weiblich sind? Sind Frauen bis heute untervertreten in Führungspositionen, weil sie lange in der Politik höchstens am Rande mittun konnten?

Immerhin sind politische Ämter und Parteien wichtige Ausbildungsstätten für künftige Führungskräfte. Dass beispielsweise ehemalige Regierungsmitglieder oft in wirtschaftlichen Spitzenpositionen landen, ist kein Zufall. Sie verfügen nicht nur über die nötige (Führungs-)Erfahrung, sondern dank der Politik auch über wertvolle Beziehungen.

Gerade in der Schweiz gehörte die Verflechtung politischer und wirtschaftlicher (und militärischer) Eliten lange zum Alltag. Die «Neue Zürcher Zeitung» fasste es so zusammen: «Männlich, Schweizer, Jurist oder Ingenieur, Armeeoffizier, freisinnig: Das waren bis in die 1980er Jahre typische Attribute für Angehörige der Schweizer Wirtschaftselite.»

Für Stéphanie Ginalski, Forscherin an der Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Lausanne, steht fest: Dass bis Anfang der 1970er Jahre nur die Männer das aktive und passive Wahlrecht auf Bundesebene genossen, spielt «eine entscheidende Rolle» für die nach wie vor herrschende Untervertretung von Frauen in Führungspositionen.

Das Frauenwahlrecht ist nur ein Grund

Es drängt sich die Frage auf: Haben Länder, die das Frauenwahlrecht früher als die Schweiz eingeführt haben, tatsächlich mehr Frauen in den Chefetagen?

Wer hat wann das Frauenwahlrecht eingeführt? Erfahren Sie es in unserem Video:

Um das zu beantworten, vergleichen wir den Zeitpunkt, ab dem Frauen in einem Land wählen durften, mit dem Frauenanteil auf der mittleren Führungsebene und dem Top-Management des jeweiligen Landes gemäss ILO-Statistik für das Jahr 2019. Erwarten würden wir einen stark negativen Zusammenhang: Je höher die Jahreszahl, desto tiefer der Frauenanteil.

Doch das Ergebnis zeigt etwas anderes: Im internationalen Vergleich gibt es zwischen diesen Kennzahlen keinen Zusammenhang. Die Korrelation ist Null, respektive nur ganz knapp negativ.

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Allerdings gibt es in der Auswahl einige Länder, die zwischen der Einführung des Frauenwahlrechts und heute drastische wirtschaftliche oder politische Umwälzungen erfahren haben. Es ist denkbar, dass sie das Bild verzerren. Also beschränken wir uns in einem zweiten Schritt auf die EU-15- und EFTA-Staaten, für die Daten aus dem Jahr 2019 vorliegen.

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Tatsächlich wird in dieser Auswertung der Zusammenhang etwas deutlicher. Allerdings ist auch so die Korrelation nicht besonders stark ausgeprägt. Zwar gibt es Pionierländer in Sachen Frauenwahlrecht wie Island und Schweden, wo Frauen verhältnismässig häufig Führungspositionen einnehmen. Gleichzeitig hat aber auch Portugal, das in Europa als zweitletztes Land vor Liechtenstein das Frauenwahlrecht eingeführt hatte, einen vergleichsweise hohen Anteil an weiblichen Führungskräften – den genau gleich hohen übrigens wie Finnland, das 1906 als erstes Land überhaupt ein universelles Frauenwahlrecht eingeführt hatte.

Wichtiger ist die Familienfrage

Es muss also weitere Faktoren geben, die erklären, weshalb es Frauen in einigen Ländern einfacher fällt, Karriere zu machen, als in anderen.

«Der Hauptgrund, warum Frauen weniger Karriere machen als Männer, ist noch immer die Familienfrage», sagt Soziologieprofessorin Katja Rost von der Universität Zürich. Entsprechend gebe es in jenen Ländern mehr Frauen in Führungspositionen, wo die Arbeitswelt familienfreundlich gestaltet sei, wo also beispielsweise die Kinderbetreuung Staatsaufgabe ist und die Wochenarbeitszeit nicht 42 Stunden beträgt. So gesehen biete die Schweiz deutlich schlechtere Rahmenbedingungen für Frauen als etwa Skandinavien, meint die Fachfrau für Wirtschafts- und Organisationssoziologie.

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Ein Ausreisser seien diesbezüglich die USA. Das Land hatte trotz stark privatisierter Kinderbetreuung und langer Wochenarbeitszeiten laut ILO letztes Jahr einen hohen Frauenanteil im mittleren und oberen Kader von 42%. Rost begründet das mit zwei Faktoren: Erstens finde in den USA ein ausgeprägter «Kampf um Talente» statt. Das habe zur Folge, dass Unternehmen häufig eine eigene Kinderbetreuung und grosszügige Mutterschaftsurlaube finanzierten, um hochqualifizierte Frauen zu gewinnen oder zu halten. Zweitens habe die Debatte um die Rassendiskriminierung in den USA die Frauendiskussion stark beschleunigt.

«Rabenmütter und Schlappschwänze»

Eine Studie aus Spanien hat 2018 zudem ergeben, dass Länder mit Frauenquoten auch mehr Frauen in Führungspositionen haben. Interessant ist dabei, dass bereits dann mehr Frauen befördert werden, wenn in einem Land schon nur über eine Quote debattiert wird.

Rost beurteilt die Quote ambivalent. Studien würden zwar zeigen, dass Quoten nicht nur für weibliche Führungskräfte eine gute Sache seien, sondern auch für leistungsstarke Männer: «Weil der Konkurrenzdruck plötzlich grösser ist, werden vermehrt die leistungsstarken Männer befördert.» Die schlimmste Diskriminierung finde aber so oder so nicht nach Geschlecht, sondern entlang der sozialen Schichten statt. «Mit Frauenquoten werden statt nur elitärer Männer nun halt elitäre Männer und Frauen gefördert.»

Zudem sei es eine Sache, dass die Wissenschaft positive Effekte von Frauenquoten feststelle, meint Rost. Wie die Gesellschaft auf Karrierefrauen reagiere, sei eine ganz andere. Dabei spielten Identitätsnormen und Werte innerhalb der Gesellschaften eine wesentliche Rolle, sagt die Soziologin. In Ländern mit maskulinen Kulturen, zu denen Rost auch die Schweiz, Deutschland und Frankreich zählt, hätten es Frauen schwerer Karriere zu machen. Hier komme rasch einmal der Vorwurf der Rabenmutter auf. Gleichzeitig sei auch der Druck auf die Männer viel grösser, Karriere machen zu müssen; sonst gelte er als Schlappschwanz.

Japan als Negativbeispiel

Wie extrem die Kultur- und Wertvorstellungen eines Landes die Karriereaussichten von Frauen beeinflussen können, zeigt das Beispiel Japan. Gemäss der Zeitung Nikkei sind in Japan weniger als 8% der Führungspositionen von Frauen besetzt. «In Japan kommt den ‹alten Patriarchen› ein immenses Vertrauen entgegen. Weder junge Männer noch Frauen haben da besonders gute Karrierechancen», erklärt Rost. Eine solche Kultur zu ändern, brauche mehrere Generationen.

Bringen all die Quoten, Kindertagesstätten und Teilzeitkarrieren also am Ende gar nichts, weil letztlich trotz allem das kulturelle Umfeld die Frauen ausbremst? Doch, meint Rost: «Je mehr solche Mittel es in einem Land gibt, desto mehr Frauen gelangen in Führungspositionen. Das hilft, die hartnäckigen Stereotypen, langsam zu verdrängen.»

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