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Postfinance irritiert die Fünfte Schweiz noch immer

Postfinance
Auslandschweizer können bei Postfinance nicht einfach ein Konto eröffnen. Keystone

Auslandschweizer und Auslandschweizerinnen wollen von Postfinance nicht mehr wie "Bürger zweiter Klasse" behandelt werden. Noch immer ist es für sie enorm schwierig, beim gelben Riesen ein Bankkonto zu führen. Eine Mehrheit des Auslandschweizerrats lehnt jedoch das Einschalten der Justiz zur Lösung des Problems ab.  

Das Problem ist nicht wirklich neu. Seit einigen Jahren haben es Auslandschweizer und Auslandschweizerinnen schwer, ein Konto bei einer Schweizer Bank zu halten. Der internationale Druck zur Bekämpfung der Steuerflucht hat die Schweizer Banken dazu gebracht, ihre Dienste im Ausland einzuschränken, sogar für Kunden mit Schweizer Staatsbürgerschaft.

Das stellt Auslandschweizer und Auslandschweizerinnen vor Probleme, wenn sie in der Heimat Bankkonten behalten oder eröffnen wollen, seien es Giro- oder Sparkonten sowie Konten zur Altersvorsorge. Der Auslandschweizerrat hat in einer Resolution bereits früher verlangt, dass der Bund Bürgern im Ausland Zugang zu Bankkonten bei Postfinance verschafft, einem Finanzinstitut in überwiegend staatlichem Besitz.

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Dialog statt Rechtsweg

Aber diese Forderungen zeigten bisher keine Wirkung, weder beim Bund noch bei Postfinance. Daher debattierten die Delegierten über die Möglichkeit, gerichtlich gegen Postfinance wegen «Diskriminierung» vorzugehen.

Der Vorstand der Auslandschweizer-Organisation (ASO) äusserte sich kritisch zum Beschreiten des Rechtsweges, da ein Gerichtsverfahren teuer und das Ergebnis unsicher sei, umso mehr da im Postgesetz nichts zugunsten der Kläger stehe.

Auf Empfehlung des Vorstands hat sich eine Mehrheit des Auslandschweizerrats entschieden, stattdessen den Dialog mit dem Bund zu suchen. Man muss Postfinance also über den Umweg einer Gesetzesänderung dazu bringen, Bürgern im Ausland einen Basisdienst zu bieten. Der Rat hat den Vorstand der ASO mit der Ausarbeitung von Vorschlägen beauftragt, die im August am nächsten Auslandschweizer-Kongress in Basel vorgestellt werden sollen.

Englisch muss (noch) warten

Ein weiterer Vorschlag verlangte, dass nebst Deutsch und Französisch auch Englisch zur Arbeitssprache bei der ASO gehören solle. Die Befürworter dieses Vorschlags betonten, dass Englisch eine internationale Sprache sei, die von vielen Auslandschweizern und Auslandschweizerinnen gesprochen und verstanden werde. Englisch würde die Debatten erleichtern und die Auslandschweizer der zweiten und dritten Generation besser integrieren, da diese nicht immer Deutsch oder Französisch beherrschten.

«Mit Englisch könnten wir die Sprachbarrieren für Junge aufheben. Das scheint nötig: Ich bin seit acht Jahren hier und ich sehe diese Versammlung immer älter und älter werden», sagte der Delegierte von Malta, David Nicolas Schembri, in einem etwas zögerlichen Schweizerdeutsch.

Die Gegner des Vorschlags brachten vor allem Gründe der politischen Feinfühligkeit vor. «Die ASO ist Zeuge des nationalen Zusammenhalts und darf nicht der Einfachheit halber Englisch als Arbeitssprache einführen», sagte der ehemalige ASO-Präsident Jacques-Simon Eggly. «Das Stimm- und Wahlrecht für Auslandschweizer ist in der Schweiz nicht unumstritten. Die Einführung von Englisch könnte von einigen Inlandschweizern schlecht aufgenommen werden», bemerkte der Delegierte der Schweiz, Philippe Vuillemin.

Bei der Abstimmung lehnten die Delegierten Englisch als Arbeitssprache ab, mit 42 gegen 14 Stimmen bei 8 Enthaltungen.

«Mind the gap»

Zu den geladenen Rednern gehörte der Vorsteher der Direktion für europäische Angelegenheiten im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten, Henri GétazExterner Link, der Bilanz zog über die Beziehungen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union. Diese gehören zu den wichtigsten Themen für die ASO, leben doch fast 500’000 Schweizer und Schweizerinnen in Ländern der EU.

Gilles Marchand, der ab 1. Oktober Generaldirektor der Schweizerischen Radio- und Fernehgesellschaft wird, trat ebenfalls vor dem Rat der ASO auf. Er plädierte für die Beibehaltung eines starken medialen Service Public. «Ein solider und professioneller Service Public ist unerlässlich für die Gesellschaft, die Multikulturalität der Schweiz und die direkte Demokratie.» Der zukünftige Generaldirektor betonte die Wichtigkeit der «Ausstrahlung der Schweiz in die Welt». Marchand versprach jenen Medien seine Unterstützung, die diese internationale Ausstrahlung der Schweiz gewährleisten (swissinfo.ch, tvsvizzera.it, TV5 und 3SAT).

Der Botschafter betonte die Notwendigkeit der Erneuerung der bilateralen Verträge, um eine stabile Basis für die zukünftige Beziehung zu schaffen. «Der bilaterale Weg steckt zwar seit zehn Jahren in der Sackgasse und die aktuellen Verträge bröckeln. Doch solange die Schweiz der EU nicht beitreten will, bleibt der bilaterale Weg die einzige strategische Option», sagte er.

Der Botschafter wies auch darauf hin, dass die Schweiz Grossbritannien als strategischen Partner ansehe und dass bereits Gespräche in Gang seien zur Vorbereitung der Zeit nach Brexit. Die Devise laute «Mind the gap», eine Anspielung auf die berühmte Warnung in der Londoner Metro: Man müsse alles tun, damit die Beziehungen zwischen den zwei Ländern nach dem Brexit nicht in ein Loch fielen.

Gétaz betonte, dass es keinesfalls darum gehe, Grossbritannien gegen die EU auszuspielen. «Wir wollen nicht ein Dossier gegen das andere ausspielen. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir immer noch mehr Güter nach Baden-Württemberg exportieren als nach Grossbritannien», sagte er.

(Übertragung aus dem Französischen: Sibilla Bondolfi)

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