Chefunterhändler Michael Ambühl nimmt den Hut
Michael Ambühl, der Schweizer Chefunterhändler in Steuersachen, tritt per Ende August zurück und übernimmt eine Professur an der ETH Zürich. Ambühl war 2010 angetreten, die Position des unter Druck geratenen Finanzplatzes Schweiz zu verteidigen.
«Der Abgang von Michael Ambühl wird die internationale Position der Schweiz schwächen. Sei das in künftigen Verhandlungen über einen Informationsaustausch innerhalb der OECD oder auch mit Brüssel», sagte der Freisinnige Nationalrat Ruedi Noser gegenüber der Online-Ausgabe des Tages-Anzeigers.
Nun habe der Staatssekretär mit seinen Konzepten Schiffbruch erlitten, schreibt hingegen der Präsident der Sozialdemokraten Christian Levrat in einer Stellungnahme. Seit längerem habe Ambühl einerseits auf Sonderdeals mit den Amerikanern, andererseits auf Spaltung der Europäer durch den Sonderweg der Abgeltungssteuer gesetzt. Damit sei er nun gescheitert.
Die Amerikaner bekämen mehr Daten als je erwartet. Die Banken müssten noch mehr bezahlen und die Schweiz habe nicht einmal eine Garantie, dass es nachher nicht weiter gehe, so Levrat. Ambühl habe die Entwicklung in Europa unterschätzt, mit der Abgeltungssteuer sei er voll aufgelaufen. Nun verlasse er das sinkende Schiff, «stillos und wider alle Gepflogenheiten».
Nicht schuld
Ein anderes Bild zeichnet die sozialdemokratische Nationalrätin und Finanzmarktspezialistin Susanne Leutenegger Oberholzer. «Er war Chefdiplomat und hat seine Arbeit gemacht im Rahmen der politischen Rahmenbedingungen.» Ambühl die Schuld zu geben für die aktuelle Situation sei «billig». Verantwortlich dafür sei der Bundesrat und die bürgerliche Mehrheit in der Schweiz, die den automatischen Informationsaustausch nie als Handlungsoption angesehen hätten.
Christoph Mörgeli, Nationalrat der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP), lässt per Twitter verlauten, der Rücktritt komme «im dümmsten Moment». Die USA würden dieses «Out schonungslos ausnützen».
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Datenaustausch gegen die Krux des Schwarzgeldes
Abgekühltes Verhältnis
Ambühl leitet unter anderem die Verhandlungen mit den USA über eine Beilegung des Steuerstreits. Laut der Schweizer Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf steht ein Abkommens mit den USA kurz vor der Unterzeichnung. Das Abkommen soll das Problem der in der Schweiz angelegten Schwarzgelder von US-Bürgern regeln. Für die betroffenen Schweizer Banken dürfte es Bussen nach sich ziehen.
In den vergangenen zwei Jahren waren mindestens 14 Schweizer Banken im Visier von Ermittlungen der US-Justiz. Mit dem Abkommen soll verhindert werden, dass eine weitere Bank wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung angeklagt wird. Für die Privatbank Wegelin &Co hatte eine analoge Anklage deren Ende zur Folge.
Ambühls Vorgesetzte, Finanzministerin Widmer-Schlumpf, nahm den Rücktritt «mit Bedauern zur Kenntnis». Der Bundesrat, werde zu gegebener Zeit einen Nachfolger zu bestimmen haben. In den vergangenen Wochen hatten sich in Bundesbern die Hinweise verdichtet, dass sich das Verhältnis Ambühls mit seiner Chefin abgekühlt habe.
Der 61-jährige Diplomat hatte seine Karriere in der Bundesverwaltung 1982 im diplomatischen Dienst des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) begonnen.
Nach verschiedenen Posten im Ausland war er ab 1992 als Botschaftsrat bei der EU-Mission und als Mitglied der Verhandlungsdelegation für die Bilateralen I tätig.
1999 ernannte ihn der Bundesrat zum Chef des Integrationsbüros. In dieser Funktion war er für die Verhandlungen zu den Bilateralen II verantwortlich.
Ab 2005 war Ambühl Staatssekretär des EDA und damit nach der damaligen Bundesrätin Micheline Calmy-Rey die Nummer Zwei im Aussendepartement. Auf diesem Posten führte Ambühl unter anderem die Verhandlungen zwischen der Schweiz und den USA zur Beilegung der UBS-Steueraffäre 2009.
Vordenker in Schlüsselrolle
Der 62-jährige Ambühl hat beim Bund eine Schlüsselstelle inne. Von 2005 bis 2010 war er Chefdiplomat im Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA). 2010 wurde er vom damaligen Finanzminister Hans-Rudolf Merz zum Staatssekretär für Internationale Finanzfragen (SIF) ernannt.
In dieser Funktion, die es vorher gar nicht gab, war Ambühl Chefunterhändler und eigentlicher Vordenker in den diversen Steuerkonflikten, die zwischen der Schweiz und ausländischen Staaten bestehen. So hat Ambühl auch die Verhandlungen um die Abgeltungssteuer mit verschiedenen europäischen Ländern geführt.
Die Abgeltungs-Steuerabkommen mit Österreich und Grossbritannien hat er erfolgreich unter Dach gebracht. Das ausgehandelte Abkommen mit Deutschland scheiterte Ende 2012 am Widerstand von Rot-Grün im Bundesrat (Länderkammmer).
Zurück an die Hochschule
Von Seiten der EU ist die Schweiz wegen unversteuerter Gelder ebenfalls weiterhin unter Druck, diese ringt vorerst allerdings intern um eine gemeinsame Position.
Auf Ambühls Nachfolger warten auch weitere Baustellen, unter anderem die Bemühungen um weitere Abgeltungssteuer-Abkommen oder der Erbschaftssteuerstreit mit Frankreich. Insgesamt hat der Druck auf den Schweizer Finanzplatz während Ambühls Amtszeit weiter zugenommen.
Wie die ETH am Freitag mitteilte, wurde Ambühl auf den 1. September zum ordentlichen Professor für Verhandlungsführung und Konfliktmanagement ernannt. Er kehrt damit an die Hochschule zurück, an der er 1980 in angewandter Mathematik promoviert hatte.
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