Logitech und Google wollen TV und Netz vereinen
Entwickler träumen seit langer Zeit von einer Heirat des alten Fernsehens mit dem jungen Internet. Nun startet Google zusammen mit der Schweizer Firma Logitech einen neuen Versuch. Laut einem Schweizer Experten sind die Chancen für das Projekt intakt.
Die Idee ist nicht neu. Aber auch den beiden Versuchen von Giganten wie Microsoft und Apple blieb der durchschlagende Erfolg bisher versagt.
Das neuste Projekt heisst Google-TV. Es basiert auf einer Zusammenarbeit zwischen dem Internet-Riesen Google, dem Schweizer Computerzubehör-Produzenten Logitech und dem japanischen TV-Hersteller Sony.
«Technisch betrachtet sind die drei Initiativen wohl sehr ähnlich, bezüglich Umfeld scheint mir Google dank seiner bereits etablierten und konsequent auf Streaming aufgebauten Plattform YouTube und seinem genialen, auf Werbung ausgerichteten Businessmodell deutlich besser aufgestellt zu sein», sagt der ETH-Informatikprofessor Jürg Gutknecht gegenüber swissinfo.ch: «Für Logitech ist das eine tolle Chance.»
Federer gegen Nadal, die Tagesschau oder den «Samschtig-Jass» auf dem Notebook. Facebook, swissinfo.ch oder die Ferienfotos im Fernsehen: Technisch steht der Konvergenz von Unterhaltungselektronik und Informationstechnologien längst nichts mehr im Weg. Doch, wer schliesst schon sein Notebook an den Fernseher an, um seine Mails zu lesen? Umgekehrt sitzt am Samstagabend lediglich eine kleine Minderheit hinter dem Computer und schaut «Wetten, dass…?».
Werbekuchen im Visier
Computer und Fernsehen sind zwei Welten geblieben, obschon laut Gutknecht «aus technischer Sicht nichts dagegen und vieles dafür» spreche, die beiden Technologien zu verschmelzen. Der Erfolg von Google TV hange nicht nur von der «Verfügbarkeit geeigneter Geräte und Abonnemente» ab, sondern setze auch «ein geistiges Umschalten der Benutzer im Kopf und die Überwindung einer gedanklichen Schwelle» voraus, so Gutknecht.
«Ich denke aber, dass YouTube hier helfend wirken und eine Brücke zwischen den beiden Welten schlagen kann. Vom Betrachten von Podcasts zum Fernsehen ist es tatsächlich nur ein kleiner Schritt.»
Mit seinen Plänen, TV und Internet zu verschmelzen, hat der Internet-Konzern Google vor allem auch den Markt der TV-Werbung im Visier, denn die Speicherung der TV-Gewohnheiten der Nutzer eröffnet auch die Möglichkeit personalisierter Werbeeinblendungen oder interaktiver und auf die spezifischen Interessen abgestimmter Werbespots.
Preis entscheidend, aber noch unbekannt
Vereinfacht ausgedrückt besteht Google TV aus der Software von Google – dem bereits auf den Smartphones verschiedener Marken laufenden Betriebssystem Android – und der Hardware, die von Logitech oder von Sony kommt. Sony setzt auf eine neue Generation von TV-Geräten, Logitech bietet ein Zusatzgerät an, eine so genannte Set-Top-Box samt Tastatur und Fernbedienung, die herkömmlichen Flachbild-Fernsehern den Zugang zu Google TV ermöglicht.
«Wir müssen den Massenmarkt mit bezahlbaren und qualitativ hochwertigen Geräten bedienen», sagte der Gründer von Logitech, Daniel Borel der Handelszeitung. Was unter «bezahlbar» zu verstehen ist, ist noch nicht klar. Logitech macht zurzeit keine konkreten Angaben zum Preis der Set-Top-Box. Fest stehe lediglich, dass die Box «im Herbst in den USA und 2011 in Europa» auf den Markt komme, sagt eine Logitech-Sprecherin gegenüber swissinfo.ch.
Anlaufzeit wie beim iPhone
Borel rechnet damit, dass sich der Erfolg erst nach einer Anlaufzeit einstellt und vergleicht Google TV mit dem iPhone. Auch das Smartphone von Apple habe drei Jahre gebraucht, um sich auf dem breiten Markt durchzusetzen. «Es gibt Anzeichen dafür, dass wir einen ähnlichen Erfolg beim Fernsehen erreichen können», so Borel.
Klar ist, dass Logitech nicht der einzige Anbieter bleiben wird, sobald sich erste Erfolge einstellen werden, denn Google hält den Quellcode zu seiner Plattform auch für andere Entwickler offen. «Wir haben bereits im umkämpften Markt für PC-Zubehör bewiesen, dass wir keine Konkurrenz fürchten müssen», hält Borel dazu fest.
Mehrere Anwendungen sind gleichzeitig möglich
Ob Set-Top-Box oder ein neues Fernsehgerät: Für den Anwender soll Google-TV so bedienerfreundlich und einfach wie möglich sein. Das System macht keinen Unterschied zwischen aktuell ausgestrahlten Fernsehsendungen, Aufnahmen von der Festplatte des DVD-Recorders oder allen erdenklichen Inhalten aus dem Netz. Der Nutzer kann nach Lust und Laune fern sehen, aufgenommene Sendungen abrufen, surfen oder dies alles gleichzeitig tun.
Die Gleichzeitigkeit der Anwendungen ermöglicht ein Bild-im Bild-Verfahren. Das heisst: Auf dem Bildschirm werden kleine Fenster eingeblendet, die der Nutzer aktivieren kann.
Hans Meier kann also im trauten Heim den Fussballmatch schauen, gleichzeitig die neusten Nachrichten lesen, auf Facebook mit Heiri Müller über den Schiedsrichter lästern, lesen was andere Facebook-Freunde über den vergebenen Freistoss denken, Mails checken, die nächste Folge seiner Lieblings-Serie aufnehmen, einen Spielfilm runterladen und für seine Frau ein Hochzeitstags-Geschenk bestellen.
Andreas Keiser, swissinfo.ch
Das Unternehmen hat das Geschäftsjahr 2009/10 (per Ende März) nach einem durchzogenen Start erfolgreich abgeschlossen.
Im vierten Quartal legte der Umsatz deutlich zu und die Bruttomarge erreichte einen historisch hohen Wert. Im laufenden Jahr will das Unternehmen die 2 Milliarden-Umsatzgrenze wieder knacken.
Von Januar bis März 2010 stieg der Umsatz um 29% auf 525,4 Millionen US-Dollar.
Der Betriebsgewinn (EBIT) erreichte 27,7 Mio. Dollar nach einem operativen Verlust von 43,2 Mio. im Vorjahr.
Für das Gesamtjahr 2009/10 weist das Unternehmen vor allem wegen des schwachen ersten Quartals einen um 11% rückläufigen Umsatz von 1’966,7 Mio. aus.
Im Geschäftsjahr 2010/11 will das Unternehmen den Umsatz wieder auf 2,3 Milliarden Dollar steigern und eine Bruttomarge von rund 34% erzielen.
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