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«Sonst müssten wir den Geheimdienst in die Moscheen schicken»

Blick ins Innere einer Moschee.
Handelsregister-Pflicht für Vereine für mehr Transparenz in Moscheen? Keystone

Um mehr Transparenz in Moscheen und muslimischen Vereinen herzustellen, will Nationalrätin Doris Fiala gesetzliche Regelungen. Jetzt debattiert das Parlament ihren Vorstoss.  

swissinfo.ch: Weshalb fordern Sie mehr Transparenz von den Vereinen? 

Doris Fiala: Ich wollte wissen, wie sich der Islam finanziert, habe mich über die Tätigkeiten der Stiftungen und Vereine informiert und festgestellt, dass sehr grosse Intransparenz herrscht. Der Bundesrat hatte auf meinen ersten Vorstoss in dieser Sache mehr Fragezeichen gesetzt als Antworten.

Porträt Doris Fiala
Doris Fiala ist Nationalrätin der Freisinnig-Demokratischen Partei (FDP.die Liberalen) und Abgeordnete in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats. Dort hat sie einen Resolutionsvorschlag eingereicht, der die politischen Konsequenzen der ausländischen Finanzierung des Islams in Europa evaluieren will. Der Vorschlag wurde von allen Delegierten der 47 Mitgliedstaaten unterzeichnet. Keystone

swissinfo.ch: In der Schweiz gibt es mehrere Zehntausend Vereine, die für die Gesellschaft und die Demokratie eine wichtige Rolle spielen, ohne dass der Staat seine Nase reinsteckt.  

D.F.: Über viele Zweckgemeinschaften weiss man wenig oder nichts. Sie entgehen jeglicher Kontrolle und auch dem Radar der Politik. Die meisten islamischen Gemeinschaften sind als Vereine organisiert. Die Öffentlichkeit hat keine Möglichkeit festzustellen, ob sie Nährboden für Radikalisierungen sind.

swissinfo.ch: Sie fordern, dass diese Vereine verpflichtet werden, sich ins Handelsregister einzutragen.

D.F.: Ja, dann würde man wenigstens wissen, wer die Verantwortlichen des Vereins sind. Und die Finanzierung würde transparenter.

Es ist nicht fair gegenüber Stiftungen, die dem Stiftungsrecht unterstehen und Transparenz herstellen müssen. Religiöse Gemeinschaften unterstehen nicht dem Stiftungsrecht.

swissinfo.ch: Mit ihren Vorstössen schaffen Sie sich nicht nur Freunde.

D.F.: Ich wollte mich um die Islamfinanzierung kümmern und musste feststellen, dass kirchliche Kreise sehr negativ reagierten, und zwar bereits nach meinem ersten politischen Vorstoss in dieser Sache, in dem ich der Regierung lediglich ein paar schriftliche Fragen gestellt hatte.

swissinfo.ch: Welche kirchlichen Kreise?

D.F.: Generalvikar Martin Grichting vom Bistum Chur reagierte wie von einer Tarantel gestochen, indem er sämtliche Parteipräsidenten und Fraktionschefs aller Parteien angeschrieben und sich gegen meine Forderungen gestellt hat. Ich bin selber katholisch, aber spätestens seither habe ich mich gefragt, was in unserer Kirche nicht über alle Zweifel erhaben sein könnte.

swissinfo.ch: Sie haben offenbar in ein Wespennest gestochen?

D.F.: Ich habe mit verschiedenen Sicherheits-Experten gesprochen, die mich ermutigt haben, am Ball zu bleiben. Ganz speziell die Bundesrichter. Wenn man Radikalisierungstendenzen und Terrorgefahr vermeiden will, muss man wissen, was sich in der Schweiz abspielt.

swissinfo.ch: Unser Nachbarland Österreich hat dank eines «Islamgesetzes» mehr Transparenz bei muslimischen Gemeinschaften. Das Gesetz garantiert aber auch eine öffentlich-rechtliche Anerkennung dieser Gemeinschaften. Sind Sie für eine Anerkennung?

D.F.: Selbstverständlich wäre es wünschenswert, wenn die Imame hier ausgebildet würden anstatt dass Imame aus Saudi-Arabien oder der Türkei hier Einfluss nehmen; und dass sie in einer für uns verständlichen Sprache predigten, sonst müssten wir ja jeweils den Geheimdienst in die Moscheen schicken, um zu erfahren, ob von dort eine Gefahr ausgeht.

In der innenpolitischen Debatte ist allerdings damit zu rechnen, dass die Konservativen eine öffentlich-rechtliche Anerkennung des Islams nicht akzeptieren werden.

swissinfo.ch: Und Sie persönlich?

D.F.: Im Moment kann ich nicht sagen, ob eine Anerkennung mehr positive oder negative Folgen hätte.

Im Rahmen meiner Tätigkeit im Europarat werde ich mich in verschiedenen Ländern erkundigen, wie gegen die Radikalisierungsgefahr vorgegangen wird. Die erste Reise führt im Oktober nach Österreich. Die Situation in England und Frankreich werden wir ebenfalls genau anschauen. Erst danach werde ich mir abschliessend eine Meinung bilden und in der Schweiz vorstössig werden.

«Wenn der Vorstoss im Parlament versenkt würde, müsste man genau fragen, wer Interesse hat, diese Transparenz zu verhindern.»

Für mich als Europarätin wäre es beschämend, wenn alle Mitgliedsländer in dieser Thematik kooperativer wären als die Schweiz. 

swissinfo.ch: Beträfe Ihr Vorstoss auch politische Vereine, zum Beispiel die FDP.Die Liberalen, für die Sie im Nationalrat sind?

D.F.: Ich habe explizit festgehalten, dass es mir um die internationalen Geldflüsse geht und sogar vorgeschlagen, dass die Regierung eine Obergrenze festlegen könnte, bis zu welcher internationale Geldtransfers als unproblematisch erachtet würden. Wenn der Vorstoss im Parlament versenkt würde, müsste man genau fragen, wer Interesse hat, diese Transparenz zu verhindern.

swissinfo.ch: Auch die Fifa ist ein Verein, in dem riesige Geldbeträge über die Landesgrenzen hinweg transferiert werden. Wollen Sie sich auch mit der Fifa anlegen?

D.F.: Wenn grosse finanzielle Mittel in unser Land strömen, erwarte ich aus ethischen und aus Sicherheitsgründen, dass man in der Schweiz genauer hinschaut.

Politisch wurde der Vorstoss positiver aufgenommen als ich dachte. Ich rechnete damit, im Nationalrat [grosse Parlamentskammer] mit meiner Motion versenkt zu werden. Aber sie wurde ohne Gegenstimme angenommen.

swissinfo.ch: In der grossen Parlamentskammer wurde einer Ihrer Vorstösse ohne Gegenstimme angenommen. In der kleinen Parlamentskammer dürfte er einen schwierigeren Stand haben?

D.F.: Selbst wenn mein Vorstoss im Ständerat [kleine Parlamentskammer] versenkt würde, bleibe ich bei diesem Thema am Ball.

swissinfo.ch: Einen langen Atem werden Sie so oder so brauchen?

D.F.: Wer in dieser Sache ein paar Schritte weiterkommen will, dem steht ein Marathonlauf bevor. Bei gewissen Geschäften muss man jahrelang dranbleiben, um etwas zu bewirken. Das Wespennest, in das ich stosse, ist zwar viel grösser als ich dachte, aber im Moment bin ich mit meinen Vorstössen besser unterwegs, als ich befürchtete.

Nationaler Aktionsplan

Der Sicherheitsverbund Schweiz ist beauftragt, die Erarbeitung des Nationalen Aktionsplans (NAP) gegen Radikalisierung und gewalttätigen Extremismus zu koordinieren. Der Plan befindet sich derzeit in einer Konsultation bei den zuständigen Stellen. Im November 2017 wird er verabschiedet und publiziert.

Der Sicherheitsverbund Schweiz sieht einen ziemlich grossen Handlungsspielraum im Bereich der privatrechtlich organisierten Vereine. Experten kommen zum Schluss, dass es sehr wenige gesetzliche Vorschriften in Bezug auf die Finanzierung von Vereinen gibt, und sie beurteilen Doris Fialas Forderungen durchaus als eine Möglichkeit, mehr Transparenz in Vereinen herzustellen.

Trotzdem werden im NAP keine gezielten Massnahmen zu diesem Thema aufgenommen. Der Grund: Eine Revision des Vereinsrechts hat in der Schweiz, wo fast jede und jeder Mitglied in mindestens einem Verein ist, sehr geringe Chancen, politisch durchzukommen. Selbst, wenn die Massnahmen auf gewisse Vereine beschränkt würden, so die Einschätzung des Sicherheitsverbunds Schweiz, gäbe es dafür keine politische Mehrheit. Deshalb verzichtet er auf konkrete Massnahmen zu diesem Thema und überlässt diese der Politik.

Mehr politische Chancen sieht der Sicherheitsverbund Schweiz bei Massnahmen, die durch eine öffentlich-rechtliche Anerkennung der muslimischen Vereine mehr Transparenz herstellen wollen. Die Anerkennung bzw. die Nicht-Anerkennung von Religionsgemeinschaften ist in der Schweiz Sache der Kantone. Einige – Basel-Stadt, Waadt, Neuenburg – sind in dieser Frage schon weit fortgeschritten.

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