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Schweiz schon wieder im Visier der USA

Angedockte Handelsschiffe südlich der Strasse von Hormuz im Persischen Golf in der Nähe der Stadt Khasab in Oman: Trotz westlichen Sanktionen gegen Iran gibt es hier eine verborgene Route für den Handel zur See. Keystone

Die Vereinigten Staaten setzen die Schweiz und deren Finanzplatz derzeit permanent unter massiven Druck. Nun stehen wegen der Iran-Sanktionen auch in der Schweiz ansässige Erdölhandels-Unternehmen im Visier der USA.

Die Schweiz hat sich oft schwer getan mit Wirtschaftssanktionen gegen Iran. Dies vor allem auch, weil sie seit über drei Jahrzehnten Schutzmacht für die USA ist, also die US-Interessen in Teheran vertritt. Zudem versuchte Bern, auf diplomatischer Ebene während einiger Zeit inoffiziell im Konflikt um das iranische Atomprogramm zu vermitteln.

Vor einem Jahr hat die Schweiz die Wirtschaftssanktionen gegen Iran verschärft und dem Niveau der Europäischen Union (EU) und der USA angepasst. Dieser Schritt erfolgte allerdings erst nach langem internationalen Druck.

Nun steht die Schweiz wieder unter Zugzwang: Am 23. Januar kündigte die EU eine erneute Verschärfung der Massnahmen gegen Iran auf Mitte 2012 an. Und US-Präsident Barack Obama verschärfte am 6. Februar im Atomstreit mit Iran die Sanktionen gegen Teheran noch einmal. Er verfügte die Blockade von Eigentum und Vermögenswerten der iranischen Regierung und Zentralbank in den USA. Betroffen sind auch alle iranischen Finanzinstitutionen.

Während die Schweiz seit 2006 kein Rohöl mehr und nur wenige Güter (2010: 41 Mio. Franken) aus Iran importiert, sind die Exporte wesentlich bedeutender (2010: 700 Mio. Franken). Dabei geht es vor allem um Produkte der Pharma- und Maschinenindustrie.

Schmallippiges Seco

Laut Wikileaks-Daten sollen Vertreter der US-Botschaft in Bern in den letzten Jahren mehrmals bei der Exportkontrolle des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) vorgesprochen haben, um Lieferungen angeblich heikler Güter nach Iran zu verhindern. Das Seco habe meistens sofort dem US-Druck Folge geleistet.

Diese Wikileaks-Information kann Marie Avet, stellvertretende Leiterin Kommunikation beim Seco, gegenüber swissinfo.ch nicht bestätigen und will sie auch nicht kommentieren. «Ich kann Ihnen leider nicht mehr dazu sagen.»

Bei Wikileaks müsse man sich immer im Klaren sein, dass da Dokumente veröffentlicht würden, die eigentlich administrationsintern bestimmt seien, die also innerhalb der US-Verwaltung Informationen liefern sollten, sagt die freisinnige Nationalrätin Christa Markwalder gegenüber swissinfo.ch. Sie ist Mitglied der Aussenpolitischen Kommission (APK).

«Ich würde Wikileaks nicht überbewerten. Schliesslich ist die Schweiz ein souveräner Staat mit einer eigenen Aussenpolitik. Wir haben auch ein Schutzmachtmandat für die USA in Iran, wir sind also für die USA betreffend Iran von besonderem Interesse.»

Der für die Umsetzung der Iran-Sanktionen im US-Finanzdepartement Verantwortliche, David S. Cohen, hat Anfang Februar in Bern Gespräche mit verschiedenen Vertretern der Bundesverwaltung geführt, darunter dem Seco, wie die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) schreibt.

Auch dazu heisst es von Seiten des Seco: «Kein Kommentar». Man habe das in der NZZ gelesen, könne aber dazu nichts sagen, so Marie Avet. «Tut mir leid, ich kann Ihnen nicht mehr sagen als das.»

US-Botschaft bestätigt

Mehr dazu sagen kann der Presse- und Kultur-Attaché der US-Botschaft in Bern. Alexander N. Daniels bestätigt gegenüber swissinfo.ch, dass David S. Cohen zu der Zeit in Bern war, um seinen Schweizer Gesprächspartnern im Aussendepartement EDA und im Seco die verschärften Massnahmen zu erläutern, die der US-Kongress Ende letzten Jahres beschlossen hatte, und die am 1. Juli in Kraft treten.

Dazu gehört ein Boykott der Iranischen Zentralbank (CBI), die zuletzt häufig als Finanzintermediär bei Ölgeschäften aufgetreten sei. Sie soll auch einen Grossteil der Importe für das umstrittene iranische Atomprogramm finanzieren.

Cohen sei übrigens in gleicher Mission auch in England und Deutschland unterwegs gewesen, fügt der Presse- und Kultur-Attaché der US-Botschaft in Bern bei.

Die fünf Schwestern

Wie gesagt, die Schweiz bezieht seit 2006 kein Erdöl mehr aus Iran. Aber von der Schweiz aus wird ein grosser Teil des weltweiten Ölhandels abgewickelt. Die fünf grössten in der Schweiz ansässigen Rohstoffhändler Glencore, Gunvor, Vitol, Trafigura und Mercuria sollen rund einen Drittel des weltweiten Marktes abdecken.

Zur Frage, ob die USA die Schweiz auch dafür belangen können, dass diese Erdölhandelsunternehmen die Iran-Sanktionen befolgen, erklärt die Seco-Sprecherin: «Es ist klar, im Geschäft mit den USA werden sie sich daran halten.»

Die gleiche Frage habe sich auch schon wegen der Sanktionen der EU gestellt. Dort sei das Problem, dass die Ausführungsverordnung der EU erst in einem Beschluss festgehalten worden sei. Man wisse noch gar nicht, wie das von der EU nachher konkret umgesetzt werde. «Deshalb können wir im Moment auch nicht weitere Angaben machen. Aber es ist klar, bei Handel und Geschäften mit Ländern, welche diese Sanktionen eingeführt haben, wird man sich schon daran halten», sagt Marie Avet.

«Die Schweiz ist ein bedeutender Handelsplatz für Rohstoffe und namentlich Rohölprodukte, und da sind einige grosse Firmen sehr stark involviert in dieses Geschäft», betont Christa Markwalder. Es sei aber nicht klar, in welchem Umfang oder überhaupt diese punkto Erdölprodukte aus Iran betroffen wären.

«Es läge eigentlich im Interesse dieser Firmen, die Sanktionen zu befolgen. Weil diese Konzerne im weltweiten Handel tätig sind, können sie doch kein Interesse daran haben, Marktzugänge, Lizenzen und dergleichen in den USA zu verlieren.»

Welche Schweizer Antwort?

Die Schweizer Regierung will über die Reaktion der verschärften Sanktionen der EU gegen Iran und den Druck der USA beraten. Dabei stützt sich der Bundesrat auf die Einschätzungen des Seco.

«Wir haben in der APK dieses Thema jeweils auch diskutiert, namentlich vor einem Jahr, bevor der Bundesrat im Januar 2011 beschlossen hat, den schärferen Sanktionen der EU zu folgen. Auch diesmal werden wir das wieder tun», sagt Christa Markwalder.

«Die Schweiz bräuchte ganz gute Argumente, um abseits von den westlichen Staaten, sprich EU und USA, zu stehen. Wir sind zwar in einer etwas speziellen Rolle mit dem Schutzmacht-Mandat in Iran, aber dennoch können wir es uns nicht leisten, abseits zu stehen und so eine Plattform für Umgehungsgeschäfte anzubieten.»

Dass der umstrittene Gasliefervertrag, den die Axpo-Tochter Elektrizitäts-Gesellschaft Laufenburg AG (EGL) 2008 unter Mithilfe der damaligen Aussenministerin Micheline Calmy-Rey mit Teheran abschloss, auf starken Druck vornehmlich der USA und Israels inzwischen sistiert worden ist, kann FDP-Nationalrätin und Vertreterin der Aussenpolitischen Kommission (APK) Christa Markwalder «so nicht bestätigen. Ich kann lediglich bestätigen, dass der Vertrag auf Eis liegt, also sistiert ist».

Es gebe dort viele Dinge, die man hinterfragen könne. «Zunächst auch, wie das ganze Projekt, also diese Pipeline, in Zukunft überhaupt aussieht.» Der Liefervertrag habe vorgesehen, ein Gaskombi-Kraftwerk in Italien zu bedienen. «Da sind noch viele Fragen offen. Zum Beispiel, ob die Gaslieferung je nachdem nicht auch unter das Sanktionsregime fallen würde.»

EGL-Sprecher Richard Rogers bestätigt gegenüber swissinfo.ch, dass der Gasliefervertrag mit Iran derzeit sistiert sei. «Die aktuelle geopolitische Lage lässt keine Erdgasbezüge aus Iran zu. Für die geplante TAP-Pipeline setzt die EGL somit ausschliesslich auf den Bezug von Erdgas aus Aserbaidschan.»

1912: Iran (Persien) eröffnet in Bern eine Botschaft.

1919: Die Schweiz eröffnet in Teheran ein Konsulat.

1936: Aus dem Konsulat wird eine Botschaft.

1979: Aus der Schah-Monarchie Persien wird nach der islamischen Revolution eine Islamische Republik. Studenten stürmen die US-Botschaft und halten mehrere Amerikaner 444 Tage lang als Geiseln. Die USA brechen die diplomatischen Beziehungen ab.

1980: Die Schweiz vertritt die Interessen der USA in Iran und übernimmt auch deren konsularischen Dienste.

2008: Aussenministerin Micheline Calmy-Rey besucht Iran und nimmt an der  

Unterzeichnung eines Erdgas-Vertrags zwischen der Axpo-Tochter Elektrizitäts-Gesellschaft Laufenburg AG (EGL) und den iranischen Behörden teil. Dieser Besuch wird im In- und Ausland kritisiert.

18. August 2010: Die Schweiz übernimmt die Sanktionsmassnahmen des UNO-Sicherheitsrates gegen Iran. Teheran weigert sich, sein Nuklearprogramm zu suspendieren.

19. Januar 2011: Die Schweiz schliesst sich den Sanktionen an, die von ihren wichtigsten Handelspartnern Iran auferlegt wurden (USA, EU und andere).

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