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Schweizer Uhren sind heiss begehrt – auch bei Dieb:innen

Eine Uhr am Handgelenk, ein Glas in der Hand
Ein Gegenstand, der die Begierde von Dieb:innen weckt. © Keystone / Christian Beutler

Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Uhrendiebstähle weltweit stark angestiegen. Die Marke Rolex ist bei Strassenräubern am begehrtesten.

Laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg wurden im Jahr 2022 Luxusuhren im Wert von insgesamt 1,3 Milliarden Dollar als gestohlen oder verschwunden gemeldet.

Etwa 80’000 Uhren wurden bisher bei The Watch Register als gestohlen oder vermisst registriert, einem Unternehmen, das Eigentümer:innen, Auktionshäusern und Händler:innen hilft, gestohlene Uhren zu identifizieren.

Allein im vergangenen Jahr wurden über 6800 Uhren in die Liste aufgenommen, was einem Anstieg von 60% gegenüber 2021 entspricht, teilte das Unternehmen mit.

Rolex ist bei Langfingern die mit Abstand «gesuchteste» Marke: 44% der gestohlenen oder vermissten Zeitmesser in der Datenbank von The Watch Register stammen von der Genfer Firma. Es folgen zwei weitere Schweizer Marken: Omega und Breitling.

«Der beträchtliche Wert und das Prestige dieser hochwertigen Uhren ziehen weiterhin die Aufmerksamkeit raffinierter, internationaler krimineller Netzwerke auf sich und machen sie zu einem bevorzugten Ziel für Diebstähle», so Katya Hills, Geschäftsführerin von The Watch Register.

Einige Marken haben radikale Massnahmen ergriffen, um das Problem in den Griff zu bekommen. Audemars Piguet, der Hersteller der Royal Oak, kündigte im April an, dass die Firma im Rahmen eines neuen zweijährigen Serviceprogramms den Kunden gestohlene Uhren ersetzen werde.

Sondereinsatz in London

Das Problem des Uhrenklaus ist vor allem in einigen Grossstädten akut. In Paris wurde die mit der Bekämpfung dieses Phänomens betraute Task Force der Polizei aufgestockt und umfasst nun etwa 30 Beamt:innen.

In London hat die Metropolitan Police Service eine Operation mit dem Namen Venice gestartet, nachdem die Zahl der Diebstähle zwischen Mai und Juni um 60% gestiegen war.

Nach Angaben des Westschweizer Radios und Fernsehens RTS wurde ein Team von etwa 40 Beamt:innen gebildet, das in den Strassen der Hauptstadt patrouilliert und versucht, Strassenräuber:innen zu fassen.

Der Report von RTS (in Französisch):

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Die Zunahme der Diebstähle erklärt sich vor allem durch die Preisexplosion auf dem Gebrauchtmarkt: So hat sich der Durchschnittspreis einer Rolex zwischen 2020 und 2022 verdoppelt.

Marken und Kunden tragen eine Mitverantwortung

Laut Richard King, einem Londoner Polizisten und Mitglied der Operation Venice, der von RTS interviewt wurde, tragen manchmal auch die Besitzer:innen der Uhren eine Mitverantwortung, etwa wegen unbedarfter Nutzung der sozialen Netzwerke.

Sie posten ein Bild der Uhr an ihrem Handgelenk, die manchmal 180’000 Franken wert ist, und geben an, in welchem Londoner Restaurant sie sich befinden. Man muss kein Genie sein, um zu erraten, wo diese Leute sind und wann sie ausgehen», so King.

Wegen des hohen Wertes dieser Uhren sind die Raubüberfälle oft gewalttätig. Die Diebe setzen Messer und manchmal auch Schusswaffen ein.

Auch Einzelhändler:innen werden nicht verschont. Ebenfalls in London traf das RTS Spencer Dryer, der seinen Laden in eine kleine Festung verwandelt hat. Laut Dryer verschärfen die Schweizer Uhrenmarken das Problem: Während die Einzelhändler früher freien Zugang zu einem Register der gestohlenen Uhren hatten, haben sie diesen nun nicht mehr.

Seiner Meinung nach wurde diese Entscheidung getroffen, um den Gebrauchtwarenmarkt einzuschränken, das ermöglicht es den Dieben nun, gestohlene Uhren ungehindert zu verkaufen.

Die angefragten Schweizer Uhrenmarken lehnten es ab, von RTS interviewt zu werden. Rolex teilte jedoch in einer E-Mail mit, dass sich das Unternehmen «der Diebstahlsprobleme bewusst» sei und «die Situation genau beobachtet».

Manche wenden sich an Privatdetektiv:innen

Manche Opfer wenden sich an Profis wie Chris Marinello, einen Privatdetektiv, der sich früher ausschliesslich auf Kunstdiebstähle spezialisiert hatte. Heute widmet er einen Grossteil seiner Zeit dem Aufspüren gestohlener Uhren.

«Es ist eine globale Krise. Diese Diebstähle ereignen sich jeden Tag an Orten wie Miami, Cannes, Monaco, London, New York: überall dort, wo Menschen Urlaub machen, wo sie Geld ausgeben», erklärt er.

Da diese Gegenstände klein und leicht sind, ist es für die Dieb:innen ein Leichtes, sie in ein anderes Land zu bringen, wo sie von Zwischenhändler:innen auf Online-Plattformen verkauft werden, erklärt der Detektiv. So landen diese Uhren in allen Ecken der Welt.

Übertragung aus dem Italienischen: Marc Leutenegger

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