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Stadtbienen vs. Feldbienen

Abeille suavage
Für den Laien ist es nicht einfach, eine der 615 in der Schweiz vorkommenden Wildbienenarten zu identifizieren. Diese unauffälligen Insekten, für die sich die Forschung zu interessieren beginnt, sind für die Bestäubung mindestens so wichtig wie die domestizierten Honigbienen. Max Huber

Obst, Gemüse und Blumen werden knapper, kleiner und fader: Das Bienensterben zeichnet eine düstere Zukunft. Während die Schweiz die geliebte Hausbiene verhätschelt, bleibt die Wildbiene weitgehend unbekannt.

«Wenn die Bienen verschwinden würden, hätte die Menschheit nur noch vier Jahre zu leben». Die Albert Einstein zugeschriebene Warnung ist um die Welt gegangen. Nur hat das Physikgenie dies nie wirklich gesagt. Trotzdem ist das Bild eine gute Gelegenheit, uns für die umfassenden Probleme eines drohenden Verlusts der Biodiversität zu sensibilisieren.

Tatsächlich würden wir ohne Bienen (und ein paar andere Insekten) hauptsächlich Getreide und Reis essen. Etwa 70% unserer Nutzpflanzen sind stark oder vollständig von der Bestäubung durch Tiere abhängig: Die meisten Früchte und Gemüse sowie Ölsaaten, Gewürze, Kaffee und Kakao.

Die Honigbiene gelangte als «Wächterin der Umwelt» ins Scheinwerferlicht, seit wir wissen, dass unsere Pestizide sie töten. Und dann ist die Biene – die seit Jahrhunderten mit uns lebt – so niedlich (wenn sie nicht sticht), und Honig ist so süss!

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«Honig ist ein Diamant, den man essen kann»

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht swissinfo.ch: Sie haben mit «Mehr als Honig» einen kritischen Film über das Geschäft mit Bienen realisiert. Essen Sie noch Honig? Markus Imhoof: Ja, fast täglich. Die Bienen können ja nichts dafür. swissinfo.ch: Was ist Honig für Sie? M.I.: Eine Verdichtung der Natur. Wie ein Diamant, den man essen kann. swissinfo.ch: Sie haben einen speziellen Bezug…

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Heute wünschen sich viele Stadtbewohnerinnen und -bewohner einen eigenen Bienenstock im Garten, auf dem Dach oder auf dem Balkon. Und wenn das nicht möglich ist, können sie immer noch eine Patenschaft auf dem Land übernehmen. «Eine Art, Bienen zu halten, ohne welche zu haben», wie Francis Saucy, Präsident der Société romande d’apiculture, sagt.

Die Honigbiene ist der Liebling der Medien, der Politik und der Öffentlichkeit, und deshalb geht es ihr in der Schweiz recht gut. «Das Land hat mehr als 200’000 Bienenstöcke. Mit 20’000 bis 80’000 Individuen pro Bienenstock könnte sie, gemessen an der Biomasse, das am häufigsten vorkommende Insekt in unserem Land sein», sagt Christophe Praz vom Labor für evolutionäre Entomologie der Universität Neuenburg.

Für einen genauen Vergleich fehlen die Zahlen, aber mehrere Fachleute schätzen, dass die Dichte der Honigbienen in der Schweiz die höchste in Europa ist, und dass das Land noch nie so viele hatte wie heute.

Denn auch bei katastrophalem Wetter, wie in diesem Frühjahr, haben die Imkerinnen und Imker immer die Möglichkeit, ihre Schützlinge mit Zuckersirup zu füttern.

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615 zu 1

Nichts dergleichen für Wildbienen, die grossen Unbekannten der Bestäubung. Neben der europäischen Hausbiene [apis mellifera] gibt es weltweit fast 16’000 Wildbienenarten, davon 615 in der Schweiz.

Wie viele Tiere wären das? «Wir haben keine Ahnung, weil wir uns erst seit etwa 15 Jahren für sie interessieren», sagt Max Huber, ein autodidaktischer Amateur-Bienenspezialist und Gründer des Vereins Urbanwildbees, der sich dafür einsetzt, das öffentliche Bewusstsein für die Bedeutung von Wildbienen zu sensibilisieren.

Im Gegensatz zu ihren heimischen Cousinen stellen Wildbienen keinen Honig her, stechen in der Regel nicht, leben meist alleine und legen ihre eigenen Eier (keine Königin) in den Boden, in totes Holz oder in Pflanzenstängel.

Zudem: Während die Hausbiene sich bis zu fünf Kilometer von ihrem Stock entfernen kann, um nach Nahrung zu suchen, wagen sich Wildbienen nicht weiter als 300 bis 500 Meter von ihrem Nest weg.

Im Gegensatz zu Wildbienen ist die Hausbiene ein Nutztier. Allerdings haben nur sehr wenige der 50’000 Betriebe in der Schweiz Bienenstöcke, «weil sie damit kein Geld verdienen», sagt Francis Saucy, Präsident der Société romande d’apiculture (SARExterner Link).

Die Folge: Die 20’000 Imkereien des Landes werden meist von Amateuren betrieben. Allerdings sollte man als Imker gut vorbereitet sein. «Bienen brauchen Erfahrung», betont Francissagt Saucy. Die SAR bietet Trainingskurse an.

Und die Wildbienen? In Genf setzt sich ihr grosser Freund Max Huber, Gründer von Urbanwildbees, für ihren Schutz ein. Sein Verein installiert Bienenhotels in öffentlichen Gärten.

Und auch Privatpersonen können mit wenig Aufwand einen Beitrag leisten: «Sie brauchen Unterkunft und Nahrung. Alles, was Sie tun müssen, ist, etwas Totholz in Ihrem Garten liegen zu lassen und Duftpflanzen wie Heidekraut, Borretsch oder Rosmarin zu haben, die nicht nur einheimisch sind, sondern auch gut riechen.

Abeille sauvage
Die Wildbiene legt ihre Eier und füttert ihre Larven im Boden oder in Totholz, sie kann aber auch in «Hotels» untergebracht werden. © Keystone / Gaetan Bally

Unauffällig, aber effektiv

Abgesehen von der Hummel, einem vertrauten Anblick in unseren Gärten, bleiben die meisten Wildbienen unbemerkt, «oder die Menschen verwechseln sie mit Wespen oder fliegenden Ameisen», sagt Praz.

So unauffällig sie auch sein mögen, so effizient sind diese Helferinnen der Pflanzenwelt doch. «Sie sind viel bessere Bestäuber als die domestizierten Bienen», sagt Huber. «Weil sie Haare an den Beinen, am Hinterleib und am Brustkorb haben, mit denen sie den Pollen trocken sammeln können, während die Hausbiene ihn mit ihrem Speichel ankleben muss, und dann kommt dieser nasse Pollen nicht gut in die Blüten. Ausserdem sind Wildbienen weniger temperatur- und windempfindlich und gehen auch bei schlechtem Wetter raus.»

Mit all diesen Vorteilen müssten Wildbienen also genauso viel bestäuben wie die Hausbiene. Aber auch hier fehlen Zahlen, um diese Einschätzung zu belegen.

Eine Armee gegen einzelne Soldaten

Aber es gibt auch die andere Seite der Medaille: Mit ihrem sehr begrenzten Verbreitungsgebiet sind Wildbienen extrem abhängig von ihrer Umgebung. Es genügt, wenn eine Wiese unter Asphalt verschwindet, und die Bienen verschwinden mit ihr. Da sie zudem oft nur eine Art oder Familie von Blumen bevorzugen, reagieren sie besonders empfindlich auf den Verlust der Artenvielfalt.

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«Es ist wie bei einer Geburtstagsparty: Je mehr Gäste man hat, desto kleiner wird das Stück Kuchen für alle», sagt Wildbienen-Befürworter Huber. Und wie Saucy erklärt: «Ein Bienenvolk auf der Suche nach Nahrung ist wie eine Armee, die in engen Reihen über ein Feld marschiert.»

«Auf einer Wiese mit vielen Blumen ist diese Konkurrenz kein Problem», sagt Praz. «In einem intensiven landwirtschaftlichen Gebiet dagegen, wo es bereits nur noch wenige Blüten gibt und ab Juni gar keine mehr, ist das Aufstellen von Bienenstöcken in kleinen Bereichen, wo es noch viele Blüten gibt, ein Problem für alle bestäubenden Insekten. Einschliesslich Wildbienen.»

Also ja: Abhängig vom Ort, den Bedingungen oder den Jahreszeiten gibt es in der Tat Konkurrenz. Dies ist einer der Gründe, warum die deutschsprachigen Kantone das Aufstellen von Bienenstöcken in der Nähe von Naturschutzgebieten nicht erlauben.

«Greenwashing»

Und in der Stadt? Wie Huber berichtet, haben Studien in Paris gezeigt, dass die Explosion der städtischen Bienenstöcke vor etwa 15 Jahren zu einem starken Rückgang der Wildbienen geführt hat.

Für ihn ist die Sache klar: «Man kann den Planeten nicht retten, indem man sich einen Bienenstock auf den Balkon stellt. Heimische Bienen haben zwar Probleme wegen der Pestizide, aber sie sind nicht am Rande des Aussterbens, obwohl die das Leute denken.»

Generell macht sich Praz keine allzu grossen Sorgen um die Zukunft der Bestäubung. «Aber das ist meine persönliche Meinung», sagt er. Er glaubt auch, dass wir «genug Honigbienen in der Schweiz haben. Die Patenschaft für einen Bienenstock oder das Aufstellen eines solchen auf dem Balkon ist ein bisschen Greenwashing. Andererseits ist es unerlässlich, etwas für den Erhalt der Blumen zu tun, egal ob in der Stadt oder auf dem Land».

Seit 2013 gibt es an der Universität Bern das Institut für BienengesundheitExterner Link. Ein internationales Team betreibt hier Grundlagen- und angewandte Forschung und gibt die gewonnenen Erkenntnisse an Studierende und Fachleute weiter.

Das Institut arbeitet mit dem Kompetenzzentrum des Bundes für landwirtschaftliche Forschung AgroscopeExterner Link zusammen und beherbergt den Sitz von COLOSSExterner Link, der weltweiten Vereinigung zur Erhaltung der Honigbienen.

Dank einer Finanzierung von drei Millionen Franken durch die Stiftung VinetumExterner Link wird der Horizont des Instituts erweitert: Es kann einen Dozenten für Wildbienen-Gesundheit (ein noch relativ unerforschtes Gebiet) und später einen leitenden Dozenten für acht Jahre einstellen, mit der Idee, die nächste Generation Bienenforschende auszubilden. 

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