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Starker Schweizer Franken beunruhigt

Die Maschinenindustrie leidet unter dem starken Franken mehr als andere Industriezweige. Keystone

Der Wert des Schweizer Frankens hat seit Anfang 2010 gegenüber dem Euro um 10% zugenommen, sehr zum Unbehagen von Gewerkschaften und Exporteuren. Laut Ökonomen kann man die Auswirkungen eines starken Frankens auf die Schweizer Firmen aber nicht einfach verteufeln.

Anfang September schickte das im Süden von Basel ansässige Schweizer Logistik-Unternehmen Stöcklin Briefe an seine 120 jenseits der Schweizer Grenze, in Frankreich oder Deutschland wohnenden Angestellten.

Es handelte sich um einen neuen Arbeitsvertrag mit einer 6%-igen Lohnreduktion – oder 300 Franken weniger pro Monat.

Die Geschäftsleitung argumentierte, das Personal habe von einer gesteigerten Kaufkraft in der Höhe von 12% profitiert, weil seine Gehälter in Schweizer Franken ausbezahlt würden. Zehn Angestellte, welche diese Änderungskündigungen nicht unterschrieben, wurden entlassen.

Noch weiter ging die Druckerei Karl Augustin: Anfang August beschloss das in Thayngen im Kanton Schaffhausen domizilierte Unternehmen, seine 15 Grenzgänger statt in Franken in Euro zu bezahlen – mit einem Wechselkurs von 1,55 Fr. pro Euro. Der gegenwärtige Kurs liegt bei 1,34 Fr. je Euro.

Keine Einzelfälle

«Wir mussten einen gewissen Druck aufsetzen, um das Unternehmen dazu zu bringen, wenigstens den aktuellen Kurs zu verrechnen», sagt Daniel Lampart, Chefökonom des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes, gegenüber swissinfo.ch. Er fügt hinzu, dass man eine Klage erwäge gegen eine damit verbundene Entlassung.

Vor allem diese beiden Fälle haben bis vor kurzem die Öffentlichkeit beschäftigt. Der Gewerkschaftsbund sieht jedoch Anzeichen dafür, dass auch andere Unternehmen versuchen, Löhne in Euro auszuzahlen. «Sie machen Profit auf dem Buckel der Beschäftigten, vor allem der Grenzgänger», sagt Lampart.

«Das ist illegal», warnt er. «Mit der Öffnung unseres Arbeitsmarktes dank dem Personenfreizügigkeits-Abkommen, können sich EU-Arbeitskräfte frei bewegen. Ihnen wird garantiert, dass die in der Schweiz ausbezahlten Saläre in Schweizer Franken ausbezahlt werden – das ist das geltende Recht.»

In den 1990er-Jahren haben Schweizer Gewerkschaften gegen ähnliches Lohndumping gekämpft, vor allem gegen Tessiner Bekleidungsfirmen, die ihre Mitarbeitenden in italienischen Lire bezahlten, nachdem die Währung abgesackt war.

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«Es tut weh»

Obwohl der Export von Konsumgütern in den letzten Monaten zugenommen hat, frisst der starke Franken an den Margen, besonders bei jenen Firmen, die ihre Waren vor allem in den Europäischen Markt ausführen.

Die Euro-Zone ist für die Schweiz die grösste Handelspartnerin. Industrieunternehmen haben kürzlich gewarnt, dass sie Teile ihrer Produktion ins Ausland verlagern müssten, sollte der Franken weiter ansteigen.

«Dass der Franken immer stärker wird, schmerzt uns, da wir fast alles in der Schweiz produzieren», wird Swatch-Chef Nick Hayek in der Boulevardzeitung Blick zitiert.

An einer Pressekonferenz in Zürich sagte am vergangenen Mittwoch Swiss Export, die Schweizer Export-Lobby-Gruppe für kleinere und mittlere Unternehmen (KMU), die Branche würde auch in den kommenden Jahren einen starken Druck spüren.

Zwei Drittel der 100 von Swiss Export befragten Unternehmen gaben an, im vergangenen Jahr einen Gewinnrückgang von rund 20% erlitten zu haben. Und die meisten erwarteten ein stagnierendes oder begrenztes Wachstum in den nächsten 12 Monaten.

Anfang dieser Woche hat Otto Ineichen, Unternehmer und freisinniger Nationalrat, die Regierung aufgefordert, für die nächsten sechs Monate Massnahmen zu ergreifen, um Arbeitslosigkeit zu verhindern. Laut Ineichen soll der Bund für einen Teil der Darlehen an exportierende KMUs als Bürge einspringen.

Nuancen

Eine von der Schweizerischen Nationalbank (SNB) im Juli und August bei 206 Unternehmen durchgeführten Umfrage malt hingegen ein weniger dramatisches Bild.

Die Nationalbank berichtete zudem letzte Woche, dass der hohe Schweizer Franken nur einer Minderheit der Schweizer Unternehmen schade. Mehr als die Hälfte erlebe keinen spürbaren Effekt.

So hätten fast ein Fünftel der Unternehmen positive Effekte rappportiert, während knapp mehr als ein Viertel von mittleren bis stark negativen Effekte berichtete.

Klagen über schwächere Margen und niedrigeren Umsatz kommen vor allem von der chemischen und kunststoffverarbeitenden Industrie, sowie der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie. Die Gewinner bewegen sich im Vermögensverwaltungs-Sektor und bei Importeuren von Autos, Baumaterialien und anderen dauerhaften Produkten.

Die Notlage der Exporteure sei kompliziert und müsse genauer betrachtet werden, sagt Daniel Kalt, Leiter der Abteilung Economic Research bei der Grossbank UBS: «Es gibt sicherlich eine starke Besorgnis wegen des Frankens, aber für jedes Exportunternehmen muss das anders betrachtet werden», führt er gegenüber swissinfo.ch aus.

«Diejenigen mit viel Mehrwert, die ihre Löhne in Schweizer Franken zahlen, haben Probleme. Während der letzten 10 bis 15 Jahre gab es eine grosse Veränderung in der Schweizer Exportindustrie, denn sie hat zur Absicherung von Währungsrisiken ihre Produktion zum Teil in die Eurozone ausgelagert.»

Der Schweizer Franken gilt in schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen traditionell als sicherer Hafen.

Die wirtschaftliche und politische Stabilität, der konservative Charakter, der stabile Wohnungsmarkt und das als gut geführt beurteilte Finanzsystem tragen dazu bei, dass der Franken bei volatilen Bedingungen auf der Welt oft als Fluchtwährung dient.

Der Schweizer Franken ist diesmal besonders stark geworden wegen der prekären wirtschaftlichen Situation in Europa und den Vereinigten Staaten.

Darüber hinaus ist die Schweiz gegenüber vielen westlichen Volkswirtschaften aus der Finanzkrise und der anschliessenden Rezession in relativ guter Verfassung herausgekommen.

Dies unter anderem auch, weil der Abschwung durch einen robusten privaten Verbrauch gedämpft wurde.

Während dem wirtschaftlichen Boomjahr 2007 kostete ein Euro weit über 1,6 Schweizer Franken, Anfang 2008 sank der Wechselkurs unter 1,5 Fr. und erhöhte so die Stärke des Frankens.

Die Interventionen der Nationalbank haben 2009 die Erhöhung des Werts des Schweizer Frankens in Schach gehalten; erst im Dezember sank der Kurs auf unter 1,5 Fr.

Aber die Angst vor stark verschuldeten Ländern wie Griechenland drückte den Euro weiter in die Tiefe, und die SNB hatte nicht die Macht, diese Entwicklung zu stoppen.

Mitte September weigerte sich die Nationalbank, weitere Euro-Stützungskäufe zu tätigen, zeigte sich jedoch zu einer Abkehr von dieser Politik bereit, wenn sich die wirtschaftlichen Bedingungen verschlechtern sollten.

Anfang Oktober kostete 1 Euro rund 1,34 Fr.

Angesichts der Stärke des Schweizer Frankens und einer Abkühlung der Weltwirtschaft prognostiziert die SNB eine «markante» Verlangsamung des Wachstums in diesem Jahr und 2011 von 2,5%.

Die Spezialisten der Konjunkturforschungs-Stelle KOF Basel sind der Ansicht, trotz des starken wirtschaftlichen Aufschwungs werde der starke Franken im kommenden Jahr eine bremsende Wirkung auf das Wachstum haben.

Angesichts eines Dollarkurses von praktisch eins zu eins und bei der Salamitaktik beim Euro werde für 2011 das Wirtschaftswachstum voraussichtlich auf 1,8% zurückgehen.

(Übertragung aus dem Englischen: Etienne Strebel)

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