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Apple- und Google-Tricks verändern Schweizer Steuerregime

Novartis muss künftig - wie alle Multis -seine Steuerdaten gegenüber allen Ländern, in denen der Konzern Filialen hat, offenlegen. novartis / Iwan Baan

Die OECD und die G20 wollen verhindern, dass internationale Konzerne ihre Gewinne in Steueroasen verschieben. Gewinne sollen künftig im Heimatland versteuert werden. Die OECD- und die G20-Länder haben sich auf den staatenübergreifenden Austausch von Unternehmens-Steuerdaten geeinigt. Die Schweiz muss ihr Steuerrecht substantiell anpassen.

Ausgelöst haben das umfassende Regelwerk die US-Internetfirmen Apple, Amazon und Google, die mit einem ausgeklügelten Geflecht von Offshore-Firmen Steuern in Milliardenhöhe gespart haben. Die US-Steuerbehörden hatten das Nachsehen.

Angetrieben von den USA, der EU und wichtigen Schwellenländern, hat das für Steuerfragen zuständige Komitee der OECD in Paris im Juli 2013 einen Aktionsplan verabschiedet. Base Erosion and Profit Shifting (BEPS)Externer Link heisst das 15 Einzelberichte umfassende Regelwerk, das die OECD nun veröffentlicht hat und das im November 2015 am Gipfeltreffen der G20-Staaten in Antalya definitiv verabschiedet wird. Damit wollen die OECD und die G20 künftig verhindern, dass multinationale Konzerne ihre Gewinne in steuergünstige Länder verschieben und damit den Fiskus im Heimatland umgehen.

BEPS

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) legte am 5. Oktober in Paris einen 15-Punkte-Plan gegen Steuergestaltungen und Gewinnverlagerungen vor.

Durch Gewinnverschiebungen – das «Base Erosion and Profit Shifting» (BEPS) – gehen den Staaten jährlich schätzungsweise 100 bis 240 Milliarden US-Dollar verloren.

OECD-Generalsekretär Angel Gurría sagte: «Die Massnahmen bedeuten für das internationale Steuerrecht die grösste Veränderung seit fast einem Jahrhundert.»

Der Deutsche Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sprach von einem «Meilenstein». 62 Staaten hätten sich auf den Aktionsplan geeinigt.

Konzerne müssen Daten offen legen

Im Mittelpunkt stehen dabei der länderübergreifende Austausch von steuertechnisch relevanten Daten multinationaler Konzerne, der Austausch von so genannten Steuerrulings, also von Vereinbarungen über Steuervergünstigungen für Unternehmen und die Patentboxen. (Steuervergünstigungen für Immaterialgüterrechte, wie Forschung, Entwicklung, Patente oder Software.)

«Der Steuerwettbewerb führte immer wieder zu Missbräuchen. Einzelne Staaten konnten Konzerne mit Steuerverzichten anlocken. Deshalb greifen die OECD und die G20 nun ein, um eine minimale Vereinheitlichung zu erreichen und damit den Steuerwettbewerb mindestens teilweise ausser Kraft zu setzen», sagt Peter V. KunzExterner Link, Professor für Wirtschaftsrecht und Rechtsvergleichung an der Universität Bern, gegenüber swissinfo.ch.

Der Austausch der Steuerdaten ist aufwendig und kostenintensiv. Schon allein der in Basel domizilierte Pharmakonzern Novartis wird seine Daten via eidgenössische Steuerverwaltung in weit mehr als hundert Länder schicken müssen. Dasselbe gilt für tausende von anderen Konzernen. Die Datenflut wird immens sein und muss von den jeweiligen Steuerämtern bewältigt werden. Die Standards sind zwar politisch verbindlich, haben jedoch keine rein juristische Verbindlichkeit.

Umgehen weiter möglich

Kurz: BEPS ist ein hoch komplexes, umfangreiches Regelwerk, ein Kompromiss, um den die beteiligten Staaten – darunter auch die Schweiz – hart gerungen haben. Kritiker bezeichnen es als bürokratisches Monster.

«Es wird gerade in der Schweiz noch einige Kritik geben. Bei der Umsetzung im Parlament wird man sich von bürgerlicher Seite teilweise mit Händen und Füssen dagegen wehren. Dennoch sind die Chancen gross, dass die Schweiz mitziehen wird, weil der internationale Druck sich jetzt nicht mehr auf das Bankkundengeheimnis, sondern auf die Konzernbesteuerung, Holdingprivilegien usw. konzentriert. Bei der Frage, ob es dann wirklich etwas bringt, bin ich sehr skeptisch.» Dort Besteuern, wo der Mehrwert generiert werde, das töne zwar gut, aber es werde weiterhin Möglichkeiten geben, das zu umgehen, so Kunz.

Kein «Swiss Finish»

Erfreulich sei, dass das Regelwerk BEPS in seiner endgültigen Fassung weniger streng geregelt sei, als man befürchtet habe, sagt Frank Marty, Leiter Finanzen und Steuern beim Wirtschaftsdachverband EconomiesuisseExterner Link gegenüber swissinfo.ch: «Die Schweiz ist als hoch globalisiertes Land stark von den neuen Regeln betroffen. Die Regeln sind nun für alle Länder grundsätzlich gleich und das ist positiv. Vieles ist jedoch nicht genau definiert und das kann zu grosser Unsicherheit führen. Zudem steigt die administrative Belastung der international tätigen Unternehmen massiv.» Wichtig sei jetzt, dass für neue verbindliche Regeln der ordentliche gesetzgeberische Prozess durchlaufen werde und dass die Schweiz auf einen «Swiss-Finish» verzichte.

EU-Steuerstreit vom Tisch

Die Schweiz muss für die Umsetzung der neuen OECD-Standards das Steuerrecht revidieren. So braucht es für das Offenlegen und das länderübergreifende Austauschen von Steuerdaten der Konzerne eine gesetzliche Grundlage. Dem Offenlegen der Steuerrulings hat der Nationalrat bereits zugestimmt. Die Vorlage kommt im November in den Ständerat.

Mit der Unternehmenssteuerreform III, deren Beratungen das Parlament ebenfalls im November 2015 in Angriff nimmt, werden nicht nur die Holdingprivilegien, die der EU seit Jahren ein Dorn im Auge sind, abgeschafft, sondern auch die gesetzlichen Grundlagen für die Patentboxen weitgehend geregelt werden.

«Das Projekt Unternehmenssteuerreform III war – notabene unabhängig von BEPS – eine Notwendigkeit mit Blick auf den EU-Steuerstreit, der ein wenig aus der Diskussion verschwunden ist. Hier wird man zwei Fliegen auf einmal schlagen, nämlich den Steuerstreit mit der EU lösen und mit den Patentboxen den Anforderungen von BEPS nachkommen», sagt Peter V. Kunz.

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