Viktor Vekselberg kämpft gegen Rekordbusse
Grossinvestor Viktor Vekselberg wehrt sich vor Gericht. Das Eidgenössische Finanzdepartement hatte Ende Januar gegen ihn und zwei weitere Inverstoren, Georg Stumpf und Ronny Pecik, hohe Bussen ausgesprochen. Nun muss das Bundesstrafgericht beurteilen, ob die Sanktionen gerechtfertigt sind.
Die Bussen, die das Finanzdepartement (EFD) im Januar gegen die drei Investoren verhängte, betragen je 40 Millionen Franken. Alle drei haben den Entscheid angefochten. Deshalb ist es nun am Eidgenössischen Bundesstrafgericht in Bellinzona, darüber zu urteilen, ob die Börsenmeldepflicht vorsätzlich – dies die Einschätzung des EFD – verletzt worden war.
Es geht um den Kauf eines Aktienpakets der OC Oerlikon von 10.25 %, das der russische Oligarch Viktor Vekselberg im Jahr 2006 via seine Finanzbeteiligungsgesellschaft Renova von der Investmentfirma Victory kauftete. Victory gehört den Österreichern Georg Stumpf und Ronny Pecik.
Victory und Renova meldeten der Börsenaufsicht einzeln ihre neuen Beteiligungsanteile. Das Finanzdepartement vertritt die Ansicht, dass die Transaktion zusätzlich als Gruppe hätte gemeldet werden müssen. Deshalb sei die Meldepflicht verletzt worden. Der Preisnachlass von 16% im Vergleich zu der tagesaktuellen Kotierung an der Börse und die spätere Zusammenarbeit beim Kauf der Sulzer AG seien Hinweise, dass Renova und Victory schon damals eine Gruppe gebildet hätten.
Das EFD wirft der Gruppe auch vor, sich darauf verständigt zu haben, an der Generalversammlung der OC Oerlikon im Jahr 2007 Vladimir Kuznetsov, Vertreter der Renova, in den Verwaltungsrat zu hieven.
Der Fall Sulzer, bei dem es ebenfalls um eine mutmassliche Verletzung der börsenrechtlichen Meldepflichten der gleichen Protagonisten geht, ist vor dem Finanzdepartement hängig.
Renova weist die Anschuldigungen im Fall OC Oerlikon zurück und betont, alle Vorschriften beachtet zu haben. Eine Gruppenbildung mit Victory bei OC Oerlikon habe erst später bestanden, und sei 2008 ordnungsgemäss gemeldet worden. Die drei Investoren fordern die Aufhebung der Busse.
Vorgezogene Befragung
Letzten Mittwoch sind zwei ehemalige Verwaltungsräte der OC Oerlikon via Videokonferenz einvernommen worden. Günther Robol und Hanno Bästlein gaben laut Agenturberichten zu Protokoll, dass es im Verwaltungsrat der OC Oerlikon nie zu Mauscheleien gekommen sei. Er habe nie den Eindruck gehabt, dass einzelne Verwaltungsräte sich abgesprochen hätten, sagte zum Beispiel der Unternehmensberater Robol.
Kritisierte Rekordbusse
Seit der Ankündigung der Bussen zum rekordverdächtigen Betrag von 120 Millionen Franken im Dezember 2009 wurden die Sanktionen in der Presse diskutiert.
Die rechtsbürgerliche Wochenzeitschrift Weltwoche etwa bezeichnet die Busse als «an den Haaren herbeigezogen». Sie schreibt, dass «für das EFD die Aufhebung der Busse zum hochnotpeinlichen Rohrkrepierer» würde.
Im Januar hat die westschweizerische Tageszeitung Le Temps die Busse als «Faustschlag» des EFD bezeichnet, der «im Zusammenhang mit starkem Druck auf das Finanzdepartement wegen der Behandlung des UBS-Dossiers» stünde.
In einer Kolumne im Tages-Anzeiger spricht der ehemalige Politiker und Preisüberwacher Rudolf Strahm eine andere Sprache. Er ist der Meinung, die Schweiz habe die nachlässigste Börsengesetzgebung Europas.
«Keine industrielle Fehlleistung hat in den letzten Jahren in der Schweiz so viel industrielle Substanz destabilisiert und zerstört wie diese Börsenraider- und Private-Equity-Gesellschaften, die meist mit fremdem Geld – auch mit institutionellen Anlagen von Pensionskassen – operieren.» Zum Ausgang der Prozesse gibt Strahm keine Prognose ab.
Er fordert griffige gesetzgeberische Arbeit, um weitere derartige Fälle zu verhindern.
Vekselberg wird teilnehmen
Daniel Grotzky, der Mediensprecher von Viktor Vekselberg und der Renova in Zürch, wollte sich gegenüber swissinfo.ch nicht dazu äussern, ob die Schlacht eventuell vor dem Bundesgericht in Lausanne weiter ausgetragen werde. «Wenn ich die Busse bezahlen muss, bezahle ich sie», liess der Milliardär aus Moskau ausrichten.
Viktor Vekselberg wird am Prozess persönlich teilnehmen. Das EFD verzichtet darauf, einen Vertreter nach Bellinzona zu schicken. In einem Schreiben vom 16. März bat es darum, man möge ihm das Urteil zustellen.
Die russischen Behörden haben die Bussen zu einer politischen Angelegenheit gemacht, indem sie zuerst bei Hans-Rudolf Merz intervenierten, und kürzlich bei Doris Leuthard. Sie hatten damit keinen Erfolg.
Die Fluggesellschaft Swiss und der Grosskonzern Nestlé wurden aufgrund dieser Angelegenheit in Russland behindert.
Zu den häufigsten Verstössen gegen die Finanzmarktgesetze gehören die unerlaubte Engegennahme von Publikumseinlagen, illegale Betätigungen als Finanzintermediär sowie die Verletzung der Meldepflicht nach Börsengesetz.
Gegen Widerhandlungen können die Finma oder die Justizbehörden beim Eidgenössischen Finanzdepartement EFD Strafanzeige einreichen. Das EFD ist die verfolgende und urteilende Behörde.
Verstösse können mit einer Freiheitsstrafe von drei Jahren als Höchstmass oder einer Geldbusse geahndet.
Viktor Vekselberg wurde 1957 in der Ukrainie geboren. Er ist verheiratet und Vater von zwei erwachsenen Kindern. Heute lebt er in Moskau und in Zürich. Gemäss dem Tagesanzeiger beabsichtigt er, in den Kanton Zug umzuziehen. Dies, nachdem Anfang 2010 die Pauschalbesteuerung reicher Ausländer im Kanton Zürich abgeschafft worden war.
Übertragung ins Deutsche/Bearbeitung: Eveline Kobler
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