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Wer ersetzt Fritz Zurbrügg im Nationalbank-Direktorium?

Schweizerische Nationalbank spiegelt sich im Wasser des Brunnens auf dem Bundesplatz
Die Schweizerische Nationalbank, gespiegelt im Wasser des Brunnens auf dem Bundesplatz. Keystone / Peter Klaunzer

Fritz Zurbrügg tritt per Mittte 2022 altershalber als Vizepräsident der Schweizerischen Nationalbank (SNB) zurück. SWI swissinfo.ch nennt fünf mögliche Nachfolger:innen. Fast alle sind international gut vernetzt.

Das Karussell der Kandidierenden dreht sich: Nach dem angekündigten Rücktritt des 61-Jährigen aus dem dreiköpfigen SNB-Direktorium darf der Bundesrat ein neues Direktoriumsmitglied wählen: Wer kommt dafür in Frage? SWI swissinfo.ch hat die Übersicht über die Kandiderenden und weiss, wie gut sie international vernetzt sind.

Marlene Amstad 

Sehr gute Aussichten hat Marlene Amstad (53). Sie arbeitete bereits in den 2000er-Jahren bei der Nationalbank, darunter zwei Jahre in der Forschungsabteilung und sechs Jahre als Vizedirektorin im Bereich der Finanzmarktanalysen.

Im Jahr 2012 verliess Amstad die Nationalbank – fortan wirkte sie als Beraterin für die Bank for International Settlement (BIS) und als Professorin an der Chinese University of Hong Kong. Während dieser Zeit veröffentlichte sie unter anderem ein zukunftsweisendes Buch über digitales Zentralbankengeld.

Im Frühling 2020 wurde Amstad vom Bundesrat zur Verwaltungsrats-Präsidentin der Schweizer Finanzmarktaufsicht (Finma) gewählt; diese Position hält sie bis heute.

Mittelfristig hat Amstad wegen ihrer unbestrittenen Qualifikationen und ihres Alters gute Chancen, die erste Frau an der Spitze der SNB zu werden. Ihr ist dabei zuzutrauen, die Nationalbank von innen zu erneuern: Personen aus dem erweiterten Umfeld der Nationalbank erzählen, dass Amstad schon während ihrer Zeit bei der SNB versucht habe, neue Ideen einzubringen.

Für Amstad sprechen ihre internationale Erfahrung in zentralbanknahen Institutionen und ihre intellektuelle Unabhängigkeit. Gegen sie spricht, dass sie nicht mit Unterstützung aus der aktuellen SNB-Spitze rechnen kann.

Beatrice Weder di Mauro 

Ebenfalls sehr gute Chancen auf einen Sitz im SNB-Direktorium hat Beatrice Weder di Mauro (56). Sie ist eine der angesehensten und bestvernetzten Ökonominnen der Schweiz.

In Washington arbeitete Weder di Mauro in den 1990er-Jahren für den Internationalen Währungsfonds und die Weltbank, in Tokio forschte sie an der United Nations University, in Deutschland diente sie zwischen 2004 und 2012 im “Rat der Wirtschaftsweisen”, und in Genf ist sie seit 2019 Professorin am Graduate Institute. Nebenbei präsidiert sie das angesehenen Centre for Economic Policy Research (CEPR) in London.

Weder di Mauro forschte zuletzt über den Zusammenhang zwischen CO2-Steuern und Inflation; zudem hat sie mehrere Papiere zum Thema Bankenregulierung veröffentlicht. Mit ihrem Fachgebiet ist sie prädestiniert für das II. Department der SNB, das für die Finanzstabilität zuständig ist.

Ein weiterer Pluspunkt: Weder di Mauro beherrscht neben Deutsch, Französisch und Englisch auch Italienisch und Spanisch. Für sie sprechen ihre Erfahrung in wirtschaftspolitischen Gremien, ihr internationales Netzwerk und ihr umfassender Beitrag zur akademischen Forschung.

Gegen sie spricht, dass sie bei der letzten Vakanz im SNB-Direktorium als Kandidatin gehandelt wurde, sich aber selbst aus dem Rennen nahm, indem sie ein Verwaltungsrats-Mandat bei der Grossbank UBS übernahm.

Martin Schlegel 

Chancen ausrechnen darf sich auch Martin Schlegel (45). Innerhalb der SNB gilt er als Superstar: Nach seinem Einstieg in der SNB-Forschungsabteilung übernahm er bereits mit 33 Jahren die Leitung der Abteilung Währungsmärkte; zwischen 2016 und 2018 führte er die Niederlassung der Nationalbank in Singapur. Aktuell ist er Mitglied im erweiterten Direktorium und damit direkt beteiligt, wenn die SNB-Spitze ihre geldpolitischen Entscheide trifft.

Schlegel gilt als Zögling von SNB-Präsident Jordan. Das verschafft ihm in der anstehenden Ausmarchung eine starke Ausgangslage. Ein weiterer Vorteil: Aus eigener Erfahrung kennt Schlegel sowohl das wichtige I. Departement, in dem die geldpolitischen Analysen gemacht werden, als auch das operative III. Departement, das für die Währungsmarkt-Interventionen zuständig ist.

Im persönlichen Kontakt ist Schlegel für SNB-Verhältnisse untypisch offen und umgänglich; innerhalb der Nationalbank ist er sehr beliebt. Für den SNB-Kandidaten sprechen seine Kompetenz und sein gutes Verhältnis zu Jordan. Gegen ihn spricht, dass er nicht für neue Impulse steht.

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Cédric Tille 

Mit Aussenseiterchancen ins Rennen geht Cédric Tille (51). Er hat Ende der 1990er-Jahre an der renommierten Princeton University bei den einflussreichen Ökonomen Michael Woodford und Kenneth Rogoff doktoriert und ist seit 2007 Professor am Graduate Institute in Genf. Er ist zudem Mitglied im SNB-Bankrat; in dieser Funktion überwacht Tille gemeinsam mit seinen Kolleginnen und Kollegen die SNB-Spitze um Thomas Jordan.

Tille hat dutzende Forschungsabreiten über die internationalen Kapitalströme und der Währungsmärkte veröffentlicht, einige davon mit Fokus auf die Schweiz. In seinen geldpolitischen Ansichten ist er stark durch seine amerikanische Ausbildung geprägt: Hinter vorgehaltener Hand kritisiert er die konservative Grundhaltung der Nationalbank. Für ihn spricht, dass er ein ausgewiesener Währungsexperte ist. Gegen ihn spricht, dass er als Bankrats-Mitglied in den Ausstand treten müsste (siehe Box).

Aymo Brunetti 

Seit Jahren als Kandidat für das SNB-Direktorium gehandelt wird Aymo Brunetti (58). Seine Wahlchancen sind allerdings nur gering. Brunetti war zwischen 2003 und 2012 Chefökonom im Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco); zudem führte er im Nachgang zum Beinahe-Kollaps der UBS von 2008 die bundesrätliche Expertengruppe zur Bankenregulierung. Heute ist er Professor an der Universität Bern, wo er für seine herausragende Lehrtätigkeit bekannt ist.

Brunetti ist in der Schweiz gut vernetzt, international aber nur wenig bekannt. Für ihn spricht seine Führungserfahrung. Gegen ihn seine überschaubaren Forschungsarbeiten und sein extrem konservatives Geldpolitik-Verständnis. Brunetti hat im Juni 2021 gesagt, dass er nicht zur Verfügung stehe.

In einem ersten Schritt einigt sich der SNB-Bankrat auf einen Wahlvorschlag zuhanden des Bundesrats. Der Bankrat ist das Aufsichtsgremium der Nationalbank; er setzt sich zusammen aus Vertreter:innen der Kantone, der Wissenschaft und der Wirtschaft.

Darauf wählt der Bundesrat ein neues Mitglied ins SNB-Direktorium. Der Bundesrat ist dabei frei, er ist also nicht an den Vorschlag des Bankrats gebunden. Ein Abweichen vom Wahlvorschlag müsste der Bundesrat allerdings begründen; politisch wäre es ein Affront gegenüber der Nationalbank.

Der Bundesrat bestimmt ebenfalls, wer im Dreiergremium Präsident:in ist. Kein Mitspracherecht hat das Parlament.

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