Erfolglose Suche nach Schwarzem Gold
Die Idee, in der Schweiz nach Erdöl zu suchen, ist nicht aus der Luft gegriffen. Aber auf industrieller Basis wurde bisher keines gefördert. Die Produktion von Gas scheint vielversprechender zu sein, trotz einer umstrittenen Fördertechnik.
Die Geologen wissen, dass sich im Untergrund der Schweiz Erdöl befinden kann. Davon zeugt die bituminöse Molasse bei Dardagny im Kanton Genf. Im Val de Travers im Kanton Neuenburg wurde zwischen 1714 und 1986 sogar ein Asphaltvorkommen abgebaut – insgesamt mehr als zwei Millionen Tonnen.
Jahrzehntelange Suche
Die Suche nach Erdöl begann in den 1910er-Jahren mit den Arbeiten des Geologen Arnold Heim. Aber erst nach der Suezkrise von 1956 nahm die Förderung intensivere und moderne Formen an.
Ab 1960 basierten die Förderungen auf den modernen Methoden der Geophysik. Um die Beschaffenheit des Bodens und die geologischen «Stellen» zu orten, die Schwarzes Gold beinhalten könnten, führte man eine Art Ultraschall-Untersuchungen durch.
«Heute kennt man die Struktur des Untergrunds des Schweizer Tafellands – das die Geologen das Molasse-Becken nennen – ziemlich gut und weiss, wo man nach Erdöl und vor allem nach Erdgas suchen muss», sagt Jon Mosar, Professor für Geologie an der Universität Freiburg. «Man weiss auch, dass die Bedingungen, solches zu finden, mehr oder weniger erfüllt sind. Zu wissen, wo genau sie sich befinden und in welcher Quantität, das ist allerdings ein Problem.»
Magere Resultate
Den Untergrund zu kennen, genügt nicht. Um Erdöl zu finden, müssen zwingend Sondierungsbohrungen durchgeführt werden. In dieses kostspielige Abenteuer haben sich schweizerische und ausländische Gesellschaften gestürzt. Zwischen 1912 und 1989 wurden 40 Bohrungen ausgeführt, die Hälfte davon zwischen 1958 und 1966.
Die Resultate haben sich als ziemlich mager herausgestellt. 1962 war man in Essertines im Kanton Waadt auf Erdöl gestossen. Rund 100 Tonnen Rohöl bester Qualität konnten gefördert werden. Im Kanton Luzern hat eine Bohrung in den 1970er-Jahren zur Entdeckung eines Erdgasvorkommens geführt, das zwischen 1985 und 1994 abgebaut wurde. Das Unternehmen erwies sich aber nicht als rentabel.
Im Februar 2007 antwortete die Regierung auf eine parlamentarische Interpellation, dass die Bohrungen, für die mehr als 300 Millionen Franken investiert wurden, zu lauter Misserfolgen führten.
«In der Schweiz wird die Suche nach Erdöl als sehr riskant beurteilt, weil man bisher nur sehr kleine Vorkommen gefunden hat, die nicht kommerziell genutzt werden konnten. Die Förderkosten gehören weltweit zu den höchsten», hielt die Regierung fest.
Die Suche geht weiter
Laut der Regierung «glauben die Experten trotz all der Misserfolge weiterhin an Erdöl- und Erdgasvorkommen in der Schweiz. Die Geologie habe tatsächlich Ähnlichkeiten mit jenen anderer Regionen der Erde, wo Kohlenwasserstoff gefunden worden sei; in den Nachbarländern unweit der helvetischen Grenze werde Gas gefördert.
Weil ein Anstieg der Preise für Erdöl und Erdgas die hohen Kosten für eine Förderung in der Schweiz decken könnten, haben sich weitere Gesellschaften ins Prospektions-Abenteuer gestürzt.
Im Genfersee, in der Nähe des Schlosses von Chillon, wurde eine Förderbohrung durchgeführt – die erste seit vielen Jahren. «Wir haben zwar keine Erdölspuren gefunden, aber die Untersuchungen haben die Vorkommnis von Erdgas in mehreren tiefen Strukturen bestätigt. Ziel unserer Arbeit ist es jetzt, die technische und wirtschaftliche Machbarkeit abzuklären», sagt Philippe Petitpierre, Projektleiter von Petrosvibri.
Auch andere Gesellschaften haben Untersuchungen durchgeführt, die sich aber noch nicht im Stadium der Bohrungen befinden. In Zukunft werden sich die Forscher eher auf Gas als auf Erdöl fokussieren. «Mit etwas Optimismus kann man davon ausgehen, dass der Untergrund unseres Landes ein Erdgas-Potential für den Konsum während mehrerer Jahrzehnte enthält», sagt Philippe Petitpierre.
«Das Potential von Gas ist viel grösser», bestätigt Jon Mosar. Die jüngsten Studien zielen auf zwei geologische Ebenen ab: Die Schieferschichten, die aus Sedimentgestein bestehen, und die Grundplatte, die sich aus kristallinem Gestein zusammensetzt.
Umstrittene Methode
Ein grosses Problem besteht darin, dass viele Gase im Felsen eingeschlossen bleiben. «Die Porosität genügt nicht, damit Kohlenwasserstoff austreten kann», erklärt Jon Mosar. «Deshalb muss man ihm helfen, den Felsen aufzubrechen.»
Diese Methode ist in den USA und in Kanada weit verbreitet, aber sehr umstritten. Grosse Mengen chemischer Stoffe werden in den Untergrund gespritzt, die manchmal auch den Boden und das Grundwasser verschmutzen, wenn der Schlamm an die Oberfläche steigt.
In Europa hat diese Methode Widerstand hervorgerufen, insbesondere im Süden Frankreichs. Und dieser dehnt sich auch auf die Schweiz aus. Die Regierung des Kantons Freiburg hat im letzten Jahr die Suche nach Erdöl gänzlich gestoppt.
«Die Folgen der Erdölförderung und besonders der Schiefergas-Gewinnung für die Umwelt sind noch nicht klar erkenntlich. Die Auswirkungen der Bohrungen für die Umwelt, sowie die Erdbeben- und Verschmutzungsrisiken wurden bisher nicht untersucht», lautet die Begründung der Regierung für den Bohrstopp.
Jon Mosar dämpft die Befürchtungen ein wenig. «Man muss ehrlich sein: Bei diesen Einspritzungen handelt es sich vor allem um Sand, Glaskügelchen und Wasser», sagt er. «Man muss nicht unbedingt chemische Substanzen beifügen, wie es die Amerikaner tun, obschon dies einfacher ist. Ausserdem wird diese Technologie auchfür die Tiefen-Geothermie verwendet.»
Ähnlich tönt es auch bei Petrosvibri: «Solange die Auswüchse und unentschuldbaren Probleme, die einzelne Erdöl- und Erdgasfirmen verursachen, generalisiert anstatt objektiv und ehrlich beurteilt werden, solange werden wir auch in der Schweiz und in andern Ländern Europas mit Vorurteilen zu kämpfen haben», sagt Philippe Petitpierre. «Man spricht von rund 10 problematischen Fällen in den USA auf insgesamt 4 Millionen Bohrungen dieses Typs, die ohne Auswirkungen und Schäden für die Umwelt funktionieren.»
Der Projektleiter von Petrosvibri bleibt trotzdem optimistisch. «Bis 2013 wird die Injektionsflüssigkeit nur noch aus Sand und Wasser bestehen. Ausserdem würden die Normen, mit denen wir in der Schweiz bereits konfrontiert sind, Bohrungen jenes Typs, die in Nordamerika zu Problemen geführt haben, niemals bewilligen.»
Erdöl und Erdgas haben sich aus abgestorbenen Pflanzen und Tieren gebildet, deren Überreste vor Millionen Jahren auf den Meeres- oder Seeboden sanken und sich mit Sand und Sedimenten vermischten.
Unter Sauerstoffausschluss, Druck und Wärme erfolgte dann ihre Zersetzung und die allmähliche Umwandlung in Erdgas und Erdöl.
Millionen Jahre später steigen die Kohlenwasserstoffe, die weniger dicht sind als die Elemente, welche die Erdschicht bilden, wieder an die Oberfläche.
Wenn sie von keinem Gestein zurückgehalten werden, entweichen sie meistens auf den Meeresboden oder an die Erdoberfläche, wo manchmal bituminöse Seen entstehen oder Erdgas sich verflüchtigt.
Es kommt auch vor, dass die Kohlenwasserstoffe von undurchlässigem Gestein eingesperrt bleiben, so dass sich Erdgas oder Erdöltaschen bilden. In diese Taschen wird gebohrt, um die Rohstoffe zu fördern.
Kohlenwasserstoffe können aber auch in wenig porösen Schieferschichten gestaut werden. Durch Injektion einer Substanz unter hohem Druck kann das Gestein aufgebrochen und das Gas herausgeholt werden.
(Übertragung aus dem Französischen: Peter Siegenthaler)
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