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Kohlendioxid hat auch seine guten Seiten

AFP

Kohlendioxid gilt als das schädlichste unter den Treibhausgasen und laut Experten als Hauptverursacher des Klimawandels und der globalen Erwärmung. Weniger bekannt ist, dass sich mit CO2 Energie herstellen und damit die schädliche Wirkung abschwächen lässt. Zwei Schweizer Projekte ziehen dies in Betracht.

Ein privates Projekt versucht, CO2 mit einem Riesen-Staubsauger zu absorbieren. Ein öffentliches Projekt will das Treibhausgas zur Produktion von Methan verwenden mit Hilfe von kleinen Mineralien namens Zeolith.

Die Climeworks AG, eine Spin-Off-Firma der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETHZ), hat sich in den letzten 5 Jahren das Ziel gesetzt, eine Technologie zu entwickeln, um permanent atmosphärisches CO2 abzusaugen, das für die Herstellung von synthetischem Brennstoff oder für andere Zwecke verwendet werden kann.

Das Kohlendioxid wird der Luft mit Hilfe eines speziellen Zellulosefilters im Innern eines Staubsaugers entnommen. Wenn die maximale Kapazität erreicht ist, wird der Filter durch die Verwendung von Energie aus Abfall oder erneuerbarer Energie erhitzt, um extrem reines CO2 auszuscheiden.

«Wir bezwecken, einen Teil des Transportsektors – zum Beispiel in der Flugzeugindustrie – zu ent-karbonisieren, der einen einstelligen Prozentsatz der globalen CO2-Emmissionen ausmacht», sagt Christoph Gebald, einer der Unternehmensgründer.

Partnerschaft mit Audi

Laut der zwischenstaatlichen UNO-Expertengruppe für Klimaänderungen (IPCC) ist die Luftfahrt für rund 3,5% des von Menschen verursachten Klimawandels verantwortlich und hat vom gesamten Transportsektor einen Anteil von 13%.

Bisher hat Climeworks ein sogenanntes Direktluft-Erfassungsgerät getestet, das pro Jahr eine Tonne CO2 gewinnen kann, indem es rund zwei Millionen Kubikmeter Luft filtert, um die Bedeutung des Vorgehens zu demonstrieren.

Prozess zur Ausscheidung von Kohlendioxid aus der Luft Climeworks

Herausforderungen

Das Resultat war so interessant, dass es die Aufmerksamkeit von Audi auf sich zog. Der deutsche Autohersteller betrachtet die Technologie als potentielles Element für seine Strategie zur Entwicklung von Fahrzeugen, die mit synthetischem Treibstoff angetrieben werden.

«Sie benötigen eine nachhaltige Kohlendioxid-Quelle», sagt Gebald, «die entweder biogen oder atmosphärisch ist.»

Erstere, die aus der Verbrennung oder Zersetzung von biologischen Materialien resultiert, genüge nicht, um die Nachfrage eines einzigen Autoherstellers zu decken, sagt der junge Unternehmer.

Deshalb wird eine Versuchsanlage ins Auge gefasst, um herauszufinden, wie sich die CO2-Gewinnung erhöhen lässt, damit sie dem Bedarf der synthetischen Treibstoff-Produktion von Audi in dessen E-Gas-Anlage in Deutschland genügt.

Die Technologie soll aber auch für andere Anwendungen verwendet werden. Die Firma gehört zu jenen 11 Finalisten des «Virgin Earth Challenge», eines Wettbewerbs mit einem Preisgeld von 25 Millionen Dollar für die Entwicklung einer «ökologisch nachhaltigen und ökonomisch brauchbaren Methode zur Eliminierung von Treibhausgase aus der Atmosphäre».

Empa

Einfach….aber nur im Labor

Die Gewinnung und Reinigung von CO2 ist nur ein Schritt im Prozess zur Herstellung von synthetischen Treibstoffen.

Theoretisch ist die Gewinnung von Methan, das ins Erdgasnetz eingespeist werden kann,  relativ einfach: durch Kombination von Kohlendioxid und Wasserstoff sowie eines Impulses aus einer externen Energiequelle – idealerweise erneuerbar -, um die Reaktion auszulösen, entstehen Methan und  als Nebenprodukt Wasser. Der Prozess heisst Sabatier-Reaktion und wurde im frühen 20. Jahrhundert entdeckt.

Die grosse Herausforderung besteht darin, diesen Prozess ökonomisch durchzuführen und die Wassermoleküle vom Methan zu trennen. Das Hinzufügen eines Katalysators, eines Elementes, das den Prozess beschleunigt, kann helfen, gewisse Schwierigkeiten zu überwinden, aber es birgt auch das Risiko, dass dabei das toxische Kohlenmonoxid (CO) entsteht und oft nur geringe Erträge resultieren.

An der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (EMPA) in der Nähe von Zürich, arbeiten Forscher an einem Verfahren, das Dank Zeolith (mikroporöse Mineralien) bei niedrigen Temperaturen funktioniert.

«Chemisch vernickeltes Zeolith absorbiert das durch den Prozess generierte Wasser, dabei wird fast kein CO produziert, und am Ende entsteht dabei Methan», sagt Andreas Borgschulte, wissenschaftlicher Leiter des Projekts.

Aber das Resultat ist noch längstens nicht perfekt. «Es steckt noch im Experimentierstadium und die Menge Wasser, die Zeolith absorbieren kann, ist beschränkt, d.h. es muss ‹getrocknet, regeneriert› werden», sagt der Forscher.

Bis jetzt handelt es sich um wenig mehr als eine chemische Reaktion in einem Laborreaktor. Um es in einen brauchbaren Prozess umzuwandeln, ist noch viel Arbeit nötig. Die Herstellung von Zeolith in kleinen Mengen ist für Wissenschaftler leicht , aber für eine Produktion auf industriellem Niveau muss ein günstigeres Verfahren gefunden werden.

Vor grossen Herausforderungen

Laut Borgschulte stellen sich auch technische Herausforderungen, wie der Ausbau des Reaktors, die Bewältigung grosser Gas- und Energiemengen, sowie die Finanzierung. Und damit es Kohlenstoff-neutral bleibt, sollte das Verfahren idealerweise auf CO2 aus Biomasse basieren anstatt auf fossilen Treibstoffen.

«Die Gaspreise sind sehr niedrig, deshalb wäre es schwierig, wettbewerbsfähig zu sein», sagt Borgschulte. «Synthetisches Gas wäre 5 Mal teurer.»

Die Preisfrage stellt sich auch für Climeworks. CO2 aus der Luft zu filtern kostet pro Tonne bis zu 600 Franken gemäss einer Studie der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich.

Die Firma hofft, die Kosten in den nächsten Jahren auf rund 100 Franken zu reduzieren, um das System wettbewerbsfähiger zu machen. Ihre Methode zielt in diese Richtung. Sie basiert auf der Tatsache, dass die erforderliche Wärme zur Gewinnung des Kohlendioxids – weniger als 100 Grad Celsius – viel niedriger ist als jene, die für die anderen Systeme gebraucht wird und die im Allgemeinen mit mehr als 300 Grad Celsius operieren.

Aber auch wenn diese Technologien eines Tages ihre völlige Reife erreichen und überall zum Einsatz kommen sollten, werden sie die Probleme der globalen Erwärmung nicht lösen. «Es ist kein Allerheilmittel und sollte nicht als solches betrachtet werden, sondern als Teil eines Technologie-Fächers, der mittel- und längerfristig wichtiger wird», sagt Gebald.

Kohlendioxid spielt beim Klimawandel und der Erderwärmung eine entscheidende Rolle. Bei idealen Bedingungen ist CO2 Teil dessen, was man Kohlenstoff-Kreislauf nennt, ein langfristig neutraler Prozess. Aber die Menschen haben diesen Zyklus gestört, indem sie fossile Treibstoffe verbrauchen und Wälder roden. Die Forschung hat bewiesen, dass höhere CO2-Konzentrationen zu einer Erwärmung der Erdoberfläche führen.

Kohlendioxid ist nicht das einzige Treibhausgas. Auch Methan, Stickstoffoxid und andere Aerosole gelangen in die Atmosphäre. Sie sind aber im Vergleich zum C02, dessen Emissionen  viel massiver sind, weniger bedeutend. Aber ihre Wirkungen in der Atmosphäre lassen sich viel länger feststellen.

Die Wissenschaftler schätzen, dass sich 20% der gesamten Emissionen noch in 1000 Jahren in der Atmosphäre befinden werden.

(Übertragung aus dem Englischen: Peter Siegenthaler)

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