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Im Aufwind: Secondas und Secondos in der Schweiz gebildeter als ihre Eltern

Zwei Schulkinder
Viele Schulen in der Schweiz bieten eine gute Integrations- und Sprachförderung. © Keystone / Gian Ehrenzeller

Kinder von Migrantinnen und Migranten erreichen in der Regel ein höheres Bildungsniveau als ihre Eltern. Das zeigt eine Studie. Aber es gibt Unterschiede: Kinder, deren Eltern aus Deutschland stammen, gehen eher an eine Universität als Gleichaltrige von Eltern aus Südosteuropa.

Die Studie, die in der neusten Ausgabe der Zeitschrift «Social Change in Switzerland» veröffentlichtExterner Link wurde, verglich das Bildungsniveau von eingewanderten Eltern mit dem ihrer Kinder (Migrantinnen und Migranten der zweiten Generation oder «Secondas/Secondos», wie sie in der Schweiz genannt werden), die das Schweizer Schulsystem durchlaufen hatten.

Anhand der Daten von 24’000 Eltern-Kind-Paaren aus den neun grössten Einwanderungsnationen – Deutschland, Frankreich, Italien, Portugal, Spanien, Türkei, Serbien, Mazedonien und Kosovo – stellte Philippe Wanner, Demograf an der Universität Genf, fest, dass die intergenerationale Mobilität «viel eher nach oben als nach unten gerichtet ist».

Ein Beispiel: Von den Secondas und Secondos, deren Eltern die Schule mit 15 oder 16 Jahren verlassen hatten (also mit Sekundarstufe I), gingen beispielsweise fast 60% einen Schritt weiter und setzten ihre Ausbildung bis 18 oder 19 Jahre fort (Sekundarstufe II).

Dies bedeutet, dass sie in der Regel eine Lehre absolvierten, was in der Schweiz der beliebteste Weg für Schulabgehende ist. Oder dass sie eine weiterführende Schule besuchten, die sie auf ein Studium vorbereitete. In 32% der Fälle erreichte das Kind eine Hochschulausbildung.

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Wanner fand auch heraus, dass die Bildungsmobilität in Familien von Zugewanderten genauso hoch war wie in einheimischen Familien derselben sozialen Schicht. Dies trotz Bildungsbarrieren wie Diskriminierung oder Sprachschwierigkeiten.

Als mögliche Erklärungen nennt Wanner die hohen Bildungsaspirationen einiger Secondas und Secondos und die Tatsache, dass «zugewanderte Familien in der Schweiz ein integrativeres Bildungssystem vorfinden als in ihren jeweiligen Herkunftsländern».

Herkunftsland

Die Daten zeigen jedoch, dass der Anteil der Kinder mit einem Hochschulabschluss je nach Nationalität unterschiedlich ist: Während 54% der Eingewanderten der zweiten Generation aus Deutschland einen Hochschulabschluss oder einen gleichwertigen Abschluss erreichten, waren es bei jenen aus dem Kosovo lediglich 20%.

Die Studie liefere zwar keine detaillierten Erklärungen für die Unterschiede, einige Faktoren könnten aber berücksichtigt werden, sagt Wanner gegenüber swissinfo.ch.

«Wir könnten darüber spekulieren, wie lange sie schon in der Schweiz sind – die Menschen aus dem Balkan sind erst vor kurzem angekommen. Wer noch nicht lange im Land ist, verfügt noch nicht über alle Mittel, besonders auf sprachlicher Ebene, um den schulischen Erfolg seiner Kinder zu gewährleisten», so Wanner. Ein weiterer Punkt sei die «mögliche Diskriminierung im schulischen Umfeld».

Jedes Land habe den Anspruch, ein Bildungssystem zu haben, das gleiche Bildungschancen biete, so Wanner weiter. Und das scheint in der Schweiz tatsächlich der Fall zu sein.

Die Unterschiede zwischen den Herkunftsländern würden jedoch weitere Überlegungen darüber erforderlich machen, wie die volle Gleichstellung der Kinder von Eingewanderten im Bildungssystem am besten gewährleistet werden könne, sagt er.

Breiteres Problem

Die Schwierigkeiten, mit denen einige Secondas und Secondos in der Schweiz konfrontiert sind, wurden im Lauf der Jahre gut dokumentiert. Dabei wurden Forderungen nach einer stärkeren Integration in den ersten Lebensjahren oder einer besseren Unterstützung für Jugendliche mit Migrationshintergrund laut.

Die OECD hat auch darauf hingewiesenExterner Link, dass vor allem der sozioökonomische Status die Bildungsergebnisse in der Schweiz stark beeinflusst. In ihrem Bericht 2018 über Bildungsgerechtigkeit stellte sie jedoch fest, dass Menschen aus benachteiligten Gruppen – zu denen auch einige Zugewanderte gehören können – in der Schweiz immer noch mehr Chancen auf einen Bildungsaufstieg haben als in vielen anderen OECD-Ländern.

Der Bericht warnte jedoch davor, dass im Ausland geborene Erwachsene es oft schwerer haben, einen Arbeitsplatz zu finden als im Inland geborene Personen mit Hochschulbildung. Die Schweiz hat mit rund 25% einen der höchsten Anteile an ausländischen Einwohnerinnen und Einwohnern weltweit.

Übertragung aus dem Englischen: Christian Raaflaub

Übertragung aus dem Englischen: Christian Raaflaub

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