Science Slam: Wissenschaft mal anders
Wissenschaftsvermittlung muss nicht knochentrocken sein. Es braucht kein Hochschulstudium, um Nanotechnologie zu verstehen, oder zu begreifen, was ein Schwarzes Loch ist. Dies hat der erste heitere Wettstreit Science Slam der Universität Basel bewiesen.
Bekannt wurde dieses Wettstreit-Konzept als «Poetry Slam». Veranstaltungen, auf denen Poeten, Autoren, Texter ihre literarischen Klingen kreuzen. Wer die verrücktesten Einfälle in der anschaulichsten, witzigsten und interessantesten Form ans Publikum bringt, wird von diesem mit donnerndem Applaus zum Sieger oder zur Siegerin erkoren.
Ganz ähnlich funktioniert auch ein Science Slam. Nur werden hier gestandene Professoren und Studierende aufeinander los gelassen. Und der mit den höchsten wissenschaftlichen Weihen gesalbte Professor steht nach so einer Auseinandersetzung nicht zwingend besser da als der Jung-Forscher ohne Doktortitel.
Es kommt nicht so sehr darauf an, wer mehr weiss. Gewinner wird, wer sein Wissen, sein Fachgebiet dem Laienpublikum am interessantesten und unterhaltungsvollsten darbieten kann.
Für die Universität ist diese Wissenschafts-Show aber mehr als blosse Unterhaltung. Damit will sie Akzeptanz für die Forschung, für die Hochschule schaffen.
Science Slams gibt es nicht nur in Basel. Auch Bern und Zürich bieten solche Veranstaltungen an. Aber nur in der Stadt am Rheinknie führt die Universität selbst diesen Wettbewerb durch. Ähnliche Wettbewerbe werden auch in Deutschland, Österreich, Finnland und Dänemark durchgeführt.
Total ausgebucht
Dass volkstümliche Wissenschaftsvermittlung tatsächlich einem Bedürfnis zu entsprechen scheint, zeigt sich am bis auf den letzten Platz ausgebuchten Kleinen Saal im Theater Basel.
Eine Veranstaltung, die auf einfache, lockere Art die Wissenschaften dem Volk näher bringen will, sollte nicht von einem hölzernen, steifen Professor präsentiert werden. Die Basler haben Chemieprofessor Ed Constable auf die Bühne geschickt, der mit seinem britischen Humor launig durch den Abend führt.
Die Bandbreite der in Basel präsentierten wissenschaftlichen Themen ist beträchtlich. So versucht eine Philosophin zu erklären, «wie wir mit einem Tanzkurs die Welt retten können». So ganz haben das die Zuschauer nicht begriffen, obwohl sie während ihres 10-minütigen Vortrags einige Lacher verbuchen kann.
Weniger Lacher produziert der Professor, der die Frage «Normal vergesslich oder schon Alzheimer?» in die Runde wirft. Auch er vermittelt den Laien neue Erkenntnisse, hält aber bestenfalls eine lockere Form von Vorlesung.
Staunen über schwarze Löcher
Erfolgreicher Science Slam braucht mehr. Staunen darf das Publikum, als die Physiker Almudena Arcones und Matthias Hempel das Phänomen Schwarze Löcher erklären – mit Witz und Vergleichen, die zum Lachen verführen und zum Nachdenken anregen.
«Schwarze Löcher haben mit Gravitation zu tun, mit dem Prinzip der Erdanziehung. Aber wenn Almudena den Apfel gleich mit einer so genannten Fluchtgeschwindigkeit von 40’000 Stundenkilometern hochwerfen würde, gelänge der Frucht die Flucht, sie würde nicht mehr in ihre Hand zurück fallen», so Hempel, nachdem ihn der Apfel beinahe am Kopf getroffen hatte.
Die Vergleiche der beiden Physiker sind einfach, gut nachvollziehbar und sie schliessen mit der Feststellung: «Was haben Sternleichen, diese schwarzen Löcher, mit uns zu tun?» Antwort: «Wir bestehen alle aus Sternenstaub.»
Die Antwort wird von jedem verstanden, der den 10-minütigen Vortrag mit verfolgt hat. Und die Leistung wird vom Publikum honoriert, die beiden erreichen einen Podiumsplatz. «Völlig verdient», wie die 16-jährige Gymnasiastin Helene findet, die in Begleitung ihrer Mutter mal zwanglos in der Welt der Wissenschaften schnuppern wollte.
«Ich kann mir jetzt tatsächlich vorstellen, wie ein schwarzes Loch entsteht und habe trotzdem keine Angst davor», sagt sie. Ja, sie könnte sich sogar vorstellen, selbst Physik zu studieren.
Vampirmeerschweinchen
Abenteuerlich lautet der Vortragstitel des Doktoranden Daniel Nussbaumer, der Physikalische Chemie studiert: «Polymer Vesikel oder von Schlangen und Meerschweinchen zu Mini-U-Booten».
Er lässt sich in einer Zwangsjacke auf die Bühne schleppen. Aber trotz Klamauk gelingt auch ihm der Spagat zwischen Wissenschaft und Unterhaltung.
Für seine Ausführungen erfindet er gar Vampir-Meerschweinchen. Damit hat er die Lacher auf seiner Seite und irgendwie, wenn auch nicht bis ins Detail, begreift das Publikum, womit sich Nussbaumer beschäftigt und wie wichtig seine Forschung für jeden Einzelnen sein kann, wenn es zum Beispiel darum geht, ein Medikament exakt zu einem kranken Organ zu transportieren.
Den Vogel aber schiesst Oren Knopfmacher vom Swiss Nano Science Institute ab. Er zieht das Publikum mit seinem rasanten Vortrag «Biochemische Nano-Sensoren – kann man das essen?» in Bann, reisst es zu Begeisterungs- und Lachstürmen hin und erreicht, dass jedermann einsieht: «Ja, Nano-Wissenschaft könnte helfen, in Zukunft das tägliche Leben zu vereinfachen und zu verbessern.» Dafür wird er mit dem ersten Platz des heiteren Wissenschaftswettstreits belohnt.
Ein Science Slam ist ein Wissenschafts-Wettstreit. Dabei präsentieren Wissenschafter ihre Forschung, beziehungsweise ihr Forschungsgebiet möglichst bunt, leicht verständlich und klar innerhalb einer festgesetzten Zeit (in Basel 10 Minuten) einem (Nicht-Fach-) Publikum.
Bewertet werden die Vorträge durch das Publikum. Kriterien: Verständlichkeit, wissenschaftlicherInhalt, Unterhaltungswert.
Mit Science Slams soll bei LaienInteresse geweckt werden für wissenschaftliche Themen. Aber auch der wissenschaftlicheNachwuchs soll damit seine Kommunikationsfähigkeit trainieren.
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