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Aktive und gezielte Zuwanderung

Wer hält den neuen Einwanderungskriterien stand? Keystone

Die Schweiz soll künftig das Profil von "erwünschten" Migrantinnen und Migranten klarer definieren. Zudem sollen wirtschaftliche Kriterien bei der Einwanderung stärker gewichtet werden.

Dies fordert der Schweizerische Nationalfonds (SNF) in einem neuen Forschungsprogramm.

Eine interdisziplinäre Forschungsgruppe hat am Dienstag in Bern ihr Forschungsprogramm “Migration und interkulturelle Beziehungen” vorgestellt. Ihrer Ansicht nach braucht die Schweiz eine Politik der “aktiven und gezielten” Zuwanderung, um den Herausforderungen der Zukunft gewachsen zu sein.

Eine solche Politik müsse klarer definieren, welche Einwanderer in welcher Zahl erwünscht seien und sich dabei wieder stärker an ökonomischen Zielen orientieren.

An der Grenze stärker selektionieren

Nach Ansicht der Forschungsgruppe läuft die Entwicklung der Schweiz in eine ähnliche Richtung wie jene in klassischen Einwanderungsländern wie Kanada oder den USA: An der Grenze werde stärker selektioniert und im Land rascher integriert und eingebürgert.

Integriert würden vor allem Niedergelassene, die Nachkommen der Zuwandererfamilien und EU/EFTA-Angehörige. Härter begrenzt werde dagegen die Zuwanderung von Leuten von ausserhalb der EU und mit eingeschränkten Niederlassungsrechten.

“Erwünschte” und “unerwünschte” Migranten

Die erste Gruppe bezeichnet Hans-Rudolf Wicker, Mitglied der Expertengruppe und Professor für Ethnologie, als “erwünscht”; jene, die stärker ausgegrenzt werden, als “unerwünscht”. Letztere kämen vor allem aus Ex-Jugoslawien sowie aus asiatischen oder afrikanischen Ländern.

Diese neuen Zuwanderer, oft Asylsuchende oder Flüchtlinge, nehmen gemäss des Forschungsprogramms die Position der ehemaligen Gastarbeiter ein. “Sie sind im Arbeitsmarkt sehr wichtig. Es gibt sogar Bereiche, die nicht mehr funktionieren würden ohne diese Arbeitskräfte”, sagte Wicker.

Besorgnis erregende Lohnunterschiede

Gemeint seien Branchen wie das Gast- und Reinigungsgewerbe oder der Spital- und Heimbereich. Neue Zuwanderer seien dort fast nur im Niedriglohnbereich tätig. “Sie dienen sozusagen als Konjunktur-Puffer”, erklärte Wicker weiter.

Ausserdem sei der Schweizer Arbeitsmarkt von riesigen Lohnunterschieden zwischen einheimischen und zugewanderten Arbeitskräften geprägt, sagte Yves Flückiger von der Universität Genf. “Die ausländischen Arbeitskräfte müssen im Vergleich zu den schweizerischen eine deutliche Lohnstrafte hinnehmen”, betonte Flückiger.

Die Unterschiede seien Besorgnis erregend: Eine einheimische Arbeitskraft habe im Jahr 2000 durchschnittlich 5525 Franken verdient – ein zugewanderter Saisonnier bloss 3573 Franken.

Im übrigen seien Berufsabschlüsse von Arbeitskräften aus Italien, Spanien, Portugal, der Türkei oder Ex-Jugoslawien in der Schweiz nur halb soviel wert, wie die von Arbeitnehmenden aus Deutschland, Frankreich, Nordeuropa, den USA oder Kanada. Dies zeige, dass sich “Humankapital” nicht ohne weiteres verschieben lasse.

Es gibt kein Patentrezept

“Unser Ziel war es, die emotionalen Diskussionen rund um das Thema Migration zu versachlichen”, sagte Werner Haug, Präsident der zuständigen Expertengruppe, vor den Medien. Es gebe kein Patentrezept, deshalb sei das Ergebnis der Forschungen ein Katalog von Empfehlungen.

Das Nationale Forschungsprogramm “Migration und interkulturelle Beziehungen” wurde 1995 gestartet und Ende 2002 abgeschlossen. Für 28 Projekte in den Bereichen Gesundheit, Soziales, Beruf, Bildung, Arbeitsmarkt, Recht, Stadtentwicklung, Geschichte und Politik wurde ein Budget von acht Mio. Franken eingesetzt.

swissinfo und Agenturen

Das Forschungsprogramm “Migration und interkulturelle Beziehungen” wurde 1995 gestartet und Ende 2002 abgeschlossen

Es umfasst 28 Forschungsprojekte

Eingesetzt wurde ein Budget von acht Mio. Franken

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