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Das böse Erwachen nach dem Erdölzeitalter

Bedarf steigt explosionsartig: Erdölförderanlage in China. Reuters

Der Klimawandel beschäftigt die schweizerische Öffentlichkeit und die Politik viel stärker als die Endlichkeit der fossilen Ressourcen. Konflikte um das Erdöl werden jedoch zunehmen.

Das ist das Fazit einer Debatte unter Wissenschaftern, welche die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) zum Thema «Peak Oil» organisiert hat.

«Die Frage ist nicht, wie lange wir noch Erdölreserven haben, die Frage ist, wie lange man die Fördermenge noch steigern kann», warnte Daniele Ganser, Historiker und Friedensforscher an der Universität Basel.

In der Politik und in der Öffentlichkeit werde die Bedeutung und die Brisanz des Themas jedoch unterschätzt. «Peak Oil», das ist der Zeitpunkt, da die global maximale Erdöl-Fördermenge erreicht ist.

Einhellige Prognosen, wann dieser Zeitpunkt eintritt, gibt es nicht. Gewisse Experten nennen das Jahr 2010, andere 2020 oder 2030.

Der «Peak Oil» ist deshalb ein brennendes Problem, weil die Erdölfördermenge seit Jahrzehnten ständig steigt und mit der Industrialisierung der Schwellenländer weiter explosionsartig zunimmt. Ein Ende der Spirale ist nicht abzusehen.

Mitternacht auf dem Matterhorn

Ist einmal der globale «Peak» erreicht, ist eine Steigerung nicht mehr möglich. «Mit der Verknappung werden die Konflikte um das Erdöl zunehmen. Der Weltwirtschaft droht eine Rezession», so Ganser.

«Wir rennen bedenkenlos auf die Ölspitze zu. Es ist, wie wenn wir den Aufstieg aufs Matterhorn so planten, dass wir den Gipfel erst um Mitternacht erreichen würden. Dann wäre es längst zu spät für den Abstieg.»

«Peak Oil» sei in der öffentlichen Debatte auch deshalb kaum ein Thema, weil er auf den ersten Blick nicht sichtbar ist. «Fehlende Ölmengen werden importiert. Das gilt auch für die Erdöl fördernden Länder, welche den Höhepunkt bereits erreicht haben.»

Reduktion des Verbrauchs

Ein Ausweichen auf Gas oder Kohle sei keine Lösung. «Auch diese Energieträger sind endlich und werden eines Tages die maximale Fördermenge erreichen. Deshalb wäre es falsch, wenn die Schweiz auf Gas-Kraftwerke setzen würde», bemerkte Ganser mit Blick auf die Diskussion um die Energie-Zukunft des Landes.

Der Forscher erinnerte daran, dass die Schweiz bereits 1978 im Gesamtenergiekonzept die Eindämmung der Erdölabhängigkeit und die Förderung von erneuerbaren Energieformen und Energieeffizienz als Ziel definiert hatte.

Auch Wolfgang Sachs, Soziologe am Institut für Klima, Umwelt und Energie in Wuppertal, plädierte für eine Reduktion des Verbrauchs.

Gleichzeitigkeit als Chance

«Dass das Klimachaos und der «Peak Oil» praktisch gleichzeitig auf der Weltagenda auftauchen, ist ein Glücksfall.» – Sachs begründet diese Aussage damit, dass der «Peak Oil» und damit steigende Ölpreise bei jedem Unternehmen sofort direkt auf die Buchhaltung schlage.

«Das führt dazu, dass man auch in den vom Klimachaos erst später betroffenen nördlichen Ländern die Problematik wahrnimmt.»

Eine sich auf fossile Energieträger stützende Wirtschaftsentwicklung ist laut Sachs zu einem «Grossrisiko für die Sicherheit» geworden.

«Die Endlichkeit von Öl wird zum Destabilisierungsfaktor. Bevor wir die ökologische Grenze der Tragfähigkeit erreichen, werden wir die sozialen Grenzen erreichen.»

Mit der Entwicklung in den Ländern des Südens stünden sich immer mehr Akteure und Abnehmer gegenüber. «Damit dreht sich eine lang gehegte Selbstverständlichkeit aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts um: Entwicklung fördert nicht den Frieden, sondern führt – solange sie auf Öl, Gas oder Kohle basiert – in die Friedlosigkeit.»

Deutschland könnte Vorbild sein

Ethnische und soziale Konflikte, etwa in Nigeria, bezeichnete Sachs als «Vorschatten von Ressourcen-Konflikten.»

Zudem sei klar, dass es den USA in Irak und Afghanistan nicht nur um den «Krieg gegen den Terrorismus» gehe, sondern genauso um die Sicherung der Ölreserven im Mittleren Osten.

Wie Ganser sieht auch Sachs den Ausweg aus der Krise in erneuerbaren Energien, neuen, effizienteren Technologien und in einer drastischen Reduktion des Energieverbrauchs.

Deutschland könnte einer konsequenten Förderung der Windenergie, gestützt auf das Erneuerbare-Energien-Gesetz, zu einem Vorbild werden.

Und: «Autos mit einer Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h würden absolut ausreichen.»

swissinfo, Andreas Keiser

Der Erdölanteil am schweizerischen Energieverbrauch hat sich von 80% im Jahr 1973 auf 57 % im Jahr 2005 verringert.

Das auch als Folge der beiden Erdölkrisen von 1973 und 1979, welche die Anfälligkeit einer einseitigen Energieversorgung aufgezeigt haben.

Mit 57% bleibt Erdöl der wichtigste Energieträger. Die Wasserkraft hat einen Anteil von 14%, Gas 12% und die Atomenergie 10%.

Von 1850 (Beginn der Förderung) bis 1950 stieg der weltweite Tagesverbrauch von Null auf 6 Mio. Fass.

Im Jahr 2000 betrug der Tagesverbrauch 85 Mio. Fass.

Laut Schätzungen der Erdölfirma Total liegt die global maximal mögliche Fördermenge bei 100 Mio. Fass pro Tag.

Experten rechnen damit, dass dieses Maximum (Peak-Oil) zwischen 2010 und 2030 erreicht wird.

Die weltweit grössten Erdölförderer sind Saudi-Arabien, Russland, die USA, Iran, Mexico und China.

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