Der Herr über den Arbeitsmarkt geht in Pension
Nach 16 Jahren tritt Jean-Luc Nordmann Ende Januar zurück. Er war seit 1991 oberster Arbeitsmarkt-Beauftragter der Schweiz.
Als Direktor für Arbeit im Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) stellte er wichtige Weichen: So führte er die Fachhochschulen und Arbeitsvermittlungs-Zentren ein, ebenso die Berufsmatur.
Der 65-jährigen Baselbieter Jean-Luc Nordmann hat sich praktisch sein Arbeitsleben lang eingesetzt, dass andere Menschen Arbeit haben. Jetzt, Ende Monat, räumt er sein Büro.
Der Rückzug aus dem Berufsleben kommt für ihn zu einem günstigen Zeitpunkt: Der abtretende Direktor für Arbeit «hinterlässt» eine Arbeitslosenquote, die mit 3,1% auf einem Sieben-Jahre-Tief liegt. Mittelfristig hält Nordmann gar eine Arbeitslosenquote von unter 2% für möglich.
Optimismus
Nordmann machte sich in seinen 16 Amtsjahren für einen flexiblen Arbeitsmarkt stark, der das Fundament für einen konkurrenzfähigen Wirtschaftsstandort Schweiz bildet. Die Einführung der Berufsmaturität und die Gründung der Fachhochschulen zählt er im Gespräch mit swissinfo zu den wichtigsten Pflöcken, die er auf seinem Weg eingeschlagen hat.
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Gegen Sozialdumping
Entscheidendes bewegte Nordmann im Bereich der Arbeitslosigkeit. «Aus 3000 Gemeinde-Arbeitsämtern haben wir 130 professionalisierte Arbeitsvermittlungs-Stellen geschaffen», sagt er.
Zwar können auch diese Regionalen Arbeitsvermittlungs-Stellen (RAV) nicht allen Arbeitssuchenden zu einem neuen Job verhelfen. Doch hat das Modell derartige Verbesserungen gebracht, dass es auch die Beachtung von Nordmanns Kollegen aus dem Ausland gefunden hat.
Zu den Höhepunkten seiner Tätigkeit zählt Nordmann auch die flankierenden Massnahmen gegen Lohn- und Sozialdumping, die 2004 zum Ja des Schweizer Volkes zur Personenfreizügigkeit mit der Europäischen Union (EU) geführt hatten.
Auch Tiefschläge
Entsprechend dem Auf und Ab der Konjunktur-Zyklen blieben auch schwere Momente nicht aus. «Der grösste Tiefpunkt war sicher die Niederlage in der Abstimmung über den Beitritt der Schweiz zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) am 6. Dezember 1992.» Man habe damals die Befindlichkeit der Bevölkerung unterschätzt, vor allem deren Angst vor einer «Überschwemmung» mit fremden Arbeitskräften und Lohndumping.
«Wir haben aber daraus die Lehren gezogen und mit den Sozialpartnern begonnen, flankierende Massnahmen zur Verhinderung von Lohn- und Sozialdumping zu erarbeiten», so Nordmann.
Ungern denkt er auch an 1997 zurück, als die Arbeitslosigkeit in der Schweiz auf einem Höhepunkt stand: Knapp 250’000 Menschen oder 5,2% waren damals ohne Stelle. «Zu dem Zeitpunkt haben wir zudem eine Abstimmung über einen dringlichen Bundesbeschluss zur Finanzierung der Arbeitslosenversicherung verloren.»
Mit Gewerkschaften am selben Strang gezogen
Auch wenn er in solchen Momenten nicht immer gern zur Arbeit in sein Büro ging: «Über all die Jahre gesehen hat mir meine Arbeit sehr grossen Spass bereitet,» sagt er. Dabei blendete er nicht aus, dass die Arbeitslosigkeit für die Betroffenen ein grosses Problem darstellt und sie darunter leiden.
Zusammen mit den Sozialpartnern suchte Nordmann nach Lösungen, Arbeitslosen die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen und ihnen wieder Sicherheit zu geben. Wie 2001/2002 nach dem Swissair-Grounding, als er mithalf, in Kloten und Basel für die Angestellten Arbeitsmarktzentren sowie einen Fonds für Härtefälle einzurichten. Es waren Aufgaben wie diese, die Nordmann mit Genugtuung erfüllten.
Arbeit als Definitionsmerkmal
Befragt nach der Bedeutung von Arbeit für die Menschen, hakt Nordmann beim Stichwort Genugtuung ein: «Arbeit ist eine Tätigkeit, die Befriedigung verschafft.»
Er nennt auch den bestimmenden Charakter, den Arbeit heute habe. «Menschen werden bei uns sehr stark via Arbeit identifiziert und definiert. Auf die Frage, wer eine Person ist, kommt als Antwort meist deren Beruf oder deren Arbeit.»
Mit Folgen für diejenigen, die ihre Arbeit verloren haben. «Für sie bedeutet dieser Verlust Unsicherheit und Angst.» Dazwischen ortet Nordmann eine Gruppe, die eine unbefriedigende oder nicht genügend bezahlte Arbeit ausüben müsse.
Nach getaner Arbeit kommt für Nordmann vermehrt Zeit zur Musse: Zusammen mit seiner Frau bereist er Lateinamerika, «um einen Break zu schaffen». Doch schon im März wartet wieder Arbeit auf ihn. Das Spielen mit seinen zwei Enkeln ist aber definitiv nicht Arbeit.
swissinfo, Renat Künzi
Jean-Luc Nordmann wurde 1942 geboren
1967 bis 1971: Gerichtsschreiber am Bezirksgericht Arlesheim/BL
1971 bis 1978: Geschäftsleiter eines Personalberatungsunternehmens
1978 bis 1991: Vorsteher des Kantonalen Arbeitsamtes Baselland
1991 bis 1998: Direktor des Bundesamtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit (BIGA, seit 1.1.1998 des Bundesamt für Wirtschaft und Arbeit (BWA)
1999 bis 2007: Direktor für Arbeit im Staatssekretariat für Wirtschaft (seco)
Als Präsident des Fördervereins der Universität Basel wird Jean-Luc Nordmann im März die Abstimmungskampagne über die Mitbeteiligung des Kantons Baselland an der Universität Basel leiten.
Ebenfalls im März will er sich für eine neue Tätigkeit entscheiden. Mehrere Angebote liegen vor.
Im Vordergrund werden aber Familie, Sport und Weiterbildungen stehen.
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