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Der Professor in der Hausarzt-Praxis

Gerade auf dem Land fehlt es zunehmend an Hausärzten. Severin Nowacki

Wie andere Länder sieht sich auch die Schweiz mit einem ernsthaften Hausärzte-Mangel konfrontiert. Mit der Einrichtung von Professuren soll nun das Berufsbild des Hausarztes aufgewertet werden.

Zudem sollen in den Hausarzt-Praxen künftig vermehrt auch Forschungsprojekte durchgeführt werden.

Der Hausarzt (und auch die Hausärztin) ist als erster Ansprechpartner der Patienten die wichtigste Figur im Gesundheitswesen, sagen die Politiker.

Demnach müsste eine Karriere als Allgemeinpraktiker unter angehenden Medizinerinnen und Medizinern eigentlich überaus populär sein. Ist sie jedoch nicht.

Vielmehr fristet der Hausarzt eher das Leben eines Aschenputtels innerhalb des Ärztestandes. Von den Spezialisten-Kollegen ein wenig bemitleidet wegen des langen Arbeitstages und der relativ bescheidenen Entlöhnung. Und nicht ganz ernst genommen wegen der angeblich eintönigen und intellektuell anspruchslosen Arbeit.

Erster Schweizer Hausarzt-Professor

Um das Image des Hausarztes aufzupolieren, soll dieser Berufsstand nun akademisch aufgewertet werden. Denn was in England seit 44 und in Deutschland seit über 30 Jahren etabliert ist, nämlich Professuren für Hausarztmedizin, war in der Schweiz bis vor kurzem unüblich.

Erst vor drei Monaten wurde mit Dr. Peter Tschudi ein auf seinem Gebiet habilitierter Arzt von der Universität Basel zum Professor ernannt.

Bereits mit der Gründung des Instituts für Hausarztmedizin vor zwei Jahren hatte Basel in der Schweiz eine Vorreiter-Rolle übernommen. Inzwischen wollen Zürich und Genf auf diesem Gebiet nachziehen.

Medizinisch besser versorgt

«Der Hausarzt und die Hausärztin (letztere wird schon bald in der Überzahl sein) muss vor allem gut kommunizieren, aus den Patienten herauskitzeln können, wo der Schuh drückt und über das notwendige Netzwerk verfügen, um die bestmöglichen Abklärungen und Behandlungen anzuordnen», sagt Peter Tschudi im Gespräch mit swissinfo.

Wie Tschudi aus Erfahrung weiss, können 90 Prozent der Patienten gleich vom Allgemeinpraktiker selber abgeklärt und behandelt werden.

«Es ist statistisch belegt, dass Menschen, die bei Beschwerden zuerst ihren Hausarzt aufsuchen, medizinisch weit besser und kostengünstiger betreut sind als solche, die immer gleich einen Spezialisten konsultieren», so Tschudi.

«Denn dort fehlt der Koordinator und Führer durch das immer komplizierter werdende Gesundheitswesen, der mit der Lebens- und Krankengeschichte des Patienten vertraut ist.»

Praxisnahe Ausbildung

Erfahrung, fundiertes Wissen und die Fähigkeit, seinen gesunden Menschenverstand zu gebrauchen und auf die Patienten einzugehen, sind somit wohl die wichtigsten Instrumente des Hausarztes.

Aber kann man das überhaupt lernen und lehren? Was kann die Einrichtung einer Professur speziell für Hausarztmedizin da beitragen? «Sehr viel», ist Peter Tschudi überzeugt.

Am Universitätsspital erfolge die Ausbildung der angehenden Ärztinnen und Ärzte meist an Schwerkranken, also an einem sehr speziellen Patientengut, das wenig Ähnlichkeit mit der tatsächlichen Situation draussen in der Praxis habe.

«Wir Hausärzte können da die Studierenden ergänzend mit den häufigsten akuten und chronischen Erkrankungen vertraut machen, indem wir unsere Patienten zur Vorlesung mit in den Hörsaal bringen.»

Jetzt akademisch anerkannt

Das tut Peter Tschudi an der Universitätsklinik zwar bereits seit 25 Jahren. Aber erst mit der Gründung des Instituts für Hausarztmedizin in Basel – dem ersten in der Schweiz – und jetzt mit seiner Habilitation und Ernennung zum Professor für Hausarztmedizin – ebenfalls eine Schweizer Premiere – werde das Fach von Kollegen und Studierenden richtig ernst genommen.

«Wir sind als Hausärzte jetzt endlich akademisch und universitär auf gleicher Augenhöhe mit den übrigen Fachärzten», stellt er befriedigt fest.

Und weil gute Lehre nicht ohne Forschung auskomme, müsse mehr an der Front geforscht werden, direkt beim Hausarzt in dessen Praxis, betont Tschudi.

«Denn bei uns spiegelt sich der medizinische Alltag.» Forschung in der Klinik sei wichtig, «aber oft sind die Resultate und die daraus abgeleiteten Empfehlungen für uns praktische Ärzte von geringem Nutzen, weil die Verhältnisse und das Patientenkollektiv im Spital nicht vergleichbar sind mit denjenigen draussen in der Praxis».

Berufsbild verbessert

Tschudi hofft, dass damit auch das Ansehen des «gewöhnlichen» Hausarztes steigen und das Berufsbild sich verbessern werde, was wiederum wichtig für die Nachwuchsförderung sei.

Zwar verbringen alle, die an der Universität Basel im dritten und vierten Jahr Medizin studieren, bereits jetzt im Einzel-Tutoriat jeden Dienstagnachmittag in einer Arztpraxis, um die gelernte Theorie im Alltag umsetzen zu können.

Und neuerdings können angehende Hausärzte für die Weiterbildung zum Facharzt bis zu einem Jahr in einer Hausarztpraxis assistieren – dies dank der finanziellen Zusagen der kantonalen Gesundheitsdirektoren.

«Trotz all dieser Bemühungen steuern wir auf einen empfindlichen Hausarztmangel zu», befürchtet Peter Tschudi. «Das Fehlen des Nachwuchses macht mir grosse Sorgen.»

swissinfo, Ulrich Goetz

In der Schweiz stehen gegenwärtig 300 Hausarztpraxen leer. Nicht nur auf dem Land, sondern auch in der Stadt ist es für Hausärzte im Pensionierungsalter zunehmend schwierig, eine Nachfolge für ihre Praxis zu finden.

Und das Problem wird sich noch verschärfen, denn in den kommenden 10 Jahren wird etwa die Hälfte der noch praktizierenden Hausärzte das Pensionsalter erreichen.

Noch verschärft wird die Mangelsituation durch den seit 2002 und noch bis Mitte 2008 geltenden Zulassungsstopp für neue Arztpraxen.

Auch im übrigen Europa droht der Hausarzt zur aussterbenden Spezies zu werden.

In Deutschland wird vor allem in den neuen Bundesländern eine Unterversorgung konstatiert. Allein in Sachsen-Anhalt fehlen 300 Hausärzte. Aber auch Hessen fürchtet um seinen Bestand an Hausarztpraxen.

Kommt hinzu, dass Grossbritannien begonnen hat, gezielt deutsche Ärzte abzuwerben. Bereits heute ist jeder zweite Arzt im Inselreich zugewanderter Ausländer.

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