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Die Schweiz als Brückenbauerin

Der Schweizer UNO-Botschafter Peter Maurer. Keystone

Die Schweiz will bei Entscheidungs-Prozessen auf dem internationalen Parkett eine aktive Rolle spielen.

Dies betont der neue Schweizer UNO-Botschafter in New York und erfahrene Menschenrechts- und Friedensexperte, Peter Maurer, im Gespräch mit swissinfo.

Die Arbeit des neuen Schweizer UNO-Botschafters Peter Maurer ist in den nächsten Monaten massgeblich durch die 59. Generalversammlung und die Arbeit in den Kommissionen bestimmt.

Zudem beschäftigt sich die Mission in New York mit Themen, welche die Schweiz schon seit längerem zu ihren Prioritäten zählt: Den Milleniums-Entwicklungszielen, der Agenda der menschlichen Sicherheit, insbesondere Minen, Kleinwaffen und friedenserhaltenden Operationen.

Auch die Verteidigung des Standorts Genf (europäischer UNO-Hauptsitz) zählt zu den Aufgaben der Schweizer Botschaft.

swissinfo: Die Schweiz ist seit 2 Jahren UNO-Vollmitglied, die Beitrittsphase ist definitiv abgeschlossen. Wie definieren Sie die Rolle der Schweiz?

P.M.: Für die Schweiz ist es eine erstrangige Möglichkeit, in einem globalen Forum ihre Interessen und Anliegen zu vertreten. Wir sind nicht Teil einer fixen Allianz von Ländern und werden auch nicht so wahrgenommen.

Wir versuchen, uns an den Entscheidungsprozessen der UNO-Organe immer wieder als ein Land zu positionieren, das konkrete Lösungen und Kompromisse zwischen den einzelnen Blöcken und Interessen sucht. Ihr Profil ist eindeutig das einer Brückenbauerin.

Es geht aber nicht darum, neutral irgendwelche Brücken zu bauen. Wir haben durchaus auch eigene Ideen und scheuen uns nicht, unsere Meinung zu sagen.

Wir sind nicht nur neutrale Zuschauer, die den Kompromiss suchen. Wir suchen immer, auch das mit unseren Überzeugungen und Interessen zu verbinden.

swissinfo: Wie wichtig sind denn Allianzen innerhalb der UNO?

P.M.: Abgesehen vom Sicherheitsrat ist die UNO eine Organisation, in der jedes Land eine Stimme hat. Allianzen sind also wichtig, um Mehrheiten zu erhalten.

Wir müssen immer darauf achten, wie sich das Anliegen möglicher Partnerländer mit den schweizerischen Interessen vereinbaren lassen. Dabei suchen wir Allianzen mit gleich gesinnten Ländern der nördlichen Hemisphäre, aber auch mit Ländern des Südens.

swissinfo: Hat die Schweiz in diesen zwei Jahren schon Spuren hinterlassen?

P.M.: Ich glaube sehr viele. Wir werden als ein sehr aktives Mitglied wahrgenommen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Schweizer Mission haben wichtige Aufgaben übernommen, vor allem als Vermittler in entwicklungs- und umweltpolitischen Verhandlungen, aber auch auf dem Gebiet der Menschenrechte.

Der Freiburger Rechtsprofessor Nicolas Michel wäre wohl kaum Chefjurist des Generalsekretärs geworden, wenn er einem Land angehörte, dass keine klaren Spuren hinterlassen hat.

swissinfo: Keine Spur also von einem machtlosen Kleinstaat Schweiz im Riesengebilde der UNO?

P.M.: Nein, durchaus nicht. Wir sind unter praktisch keinen Kriterien ein Kleinstaat – weder wirtschaftlich noch gemessen an unserem politischen Einfluss, an unseren Ideen zu humanitären Fragen oder zur internationalen Rechtsentwicklung. Selbst bevölkerungsmässig gehören wir nicht zu den Kleinsten.

swissinfo: Ist die Schweiz in ihrer Aussenpolitik forscher und selbstbewusster geworden?

P.M.: Wir waren auch in der Vergangenheit nicht ohne Selbstbewusstsein. Mit der UNO haben wir jetzt eine Plattform, wo der Einsatz für die schweizerichen Interessen sichtbarer wird.

Umgekehrt haben wir die Möglichkeit zu sehen, auf welchen Gebieten andere Länder weiter fortgeschritten sind als wir. Die UNO ist für uns auch eine Inspirationsquelle, aus der wir Ideen zur Gestaltung der Innenpolitik der Schweiz schöpfen können.

Die Schweiz hat sich in der Vergangenheit nicht in grossem Stil an friedenserhaltenden Massnahmen beteiligt. Auf diesem Gebiet beispielsweise können wir von anderen Ländern profitieren.

swissinfo: Wie profitiert die Schweiz sonst noch von ihrer jungen UNO-Mitgliedschaft?

Als UNO-Mitglied ist es ungleich leichter, unserem Land ein politisches Profil zu geben. Was heute in der internationalen Politik zählt, ist die Fähigkeit, zu Problemlösungen beizutragen.

Dank der Mitgliedschaft können wir aufzeigen, dass die Schweiz kein Land ist, das nur schön redet, sondern ganz konkret zur Lösung von Problemen beiträgt.

Hier können wir dem Klischee des Rosinenpickers aktives Engagement entgegenstellen. Das Bild der Schweiz im Ausland hat sich fundamental geändert. Die Rede von der Solidarität ist glaubwürdiger geworden.

swissinfo: Was erwarten Sie als erfahrener Menschenrechts- und Friedensexperte persönlich von Ihrem neuen Amt?

P.M.: Es ist ein grosser Vorteil, dass ich mich in der Vergangenheit mit diesen Fragen beschäftig habe. Da die Katze das Mausen nicht lassen kann, werde ich mich weiterhin stark auf diesem Gebiet engagieren.

In den letzten vier Jahren hat sich bei mir die Überzeugung verstärkt, dass nachhaltige Friedenslösungen ohne überzeugende Regelungen im Bereich der Respektierung der Menschenrechte nicht denkbar sind.

Ich hoffe auch, dass wir uns im Bereich der Friedensförderung ein kräftiges Profil geben können, genau gleich wie in der Entwicklungs- und Umweltpolitik sowie im humanitären Bereich – so dass die Schweiz ein nicht zu umgehender Partner des politischen Entscheidungsprozesses wird.

swissinfo-Interview Gaby Ochsenbein

März 2002: Volk und Stände sagen Ja zum UNO-Beitritt.

Sept. 2002: Die Schweiz wird als 190. Mitglied in die UNO aufgenommen.

1. Sept. 2004: Peter Maurer nimmt seine Arbeit als Schweizer UNO-Botschafter in New York auf. Er löst Jenö Staehelin ab.

Die 59. UNO-Generalversammlung hat am 14. Sept. 2004 begonnen.

Die Generaldebatte dauert vom 21. September bis 1. Oktober.

Peter Maurer, 48 Jahre alt, stammt aus Thun. Er ist seit 18 Jahren im diplomatischen Dienst.

Von 1996 – 2000 war er stellvertretender Chef der ständigen Beobachtermission in New York.

Bis zu seiner Ernennung zum UNO-Botschafter leitete er die politische Abteilung IV im Departement für ausländische Angelegenheiten (EDA).

Maurer gilt als Experte auf dem Gebiet der Menschenrechte und der menschlichen Sicherheit.

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