Ein Forscher jagt Wolken
Der Forscher Ernest Weingartner hat lieber Wolken als blauen Himmel. Zumindest wenn er auf dem Jungfraujoch arbeitet. Dort sammelt er Erkenntnisse über Wolkenbildung und Aerosole.
Diese Partikel sind mitverantwortlich für den Klima-Wandel.
Weingartner jagt nicht die sprichwörtliche Stecknadel im Heuhaufen. Er sucht in der Luft noch viel Kleineres: Nanopartikel, Russpartikel, Pollen, Ammoniumsulfat oder Meersalz, die wenige Millionstel bis mehrere Tausendstel gross sind, so genannte Aerosole.
«Wir müssen noch viel mehr wissen über Aerosole», sagt Weingartner gegenüber swissinfo. «Über ihre Auswirkungen ist noch vieles unklar.»
Wissenschafter im Eis
Das will er mit seinem internationalen Team aus insgesamt 14 Wissenschaftern auf der Forschungsstation Jungfraujoch auf 3580 Metern im Berner Oberland herausfinden. Weingartner, Leiter der Aerosolgruppe am Labor für Atmosphärenchemie des Paul Scherrer Instituts (PSI), setzt mehrere Geräte ein, die verschiedene Eigenschaften der Aerosolpartikel untersuchen.
Mit dem «Aethalometer» beispielsweise wird gemessen, wie gut Aerosole Licht in verschiedenen Wellenlängen aufnehmen. Durch chemische Analyse (Chromatographie) wird die Zusammensetzung der Partikel aus der angesaugten Aussenluft bestimmt. Besonders interessiert die Forschenden, aus welchen Ionen sie bestehen. Mit dem «PVM-100» (Particulate Volume Monitor) wird weiter der Wassergehalt von Wolken gemessen, indem ein Laserstrahl eine Wolke durchleuchtet.
Weltweites Forschungsprogramm
Die Forschungsstation auf dem Jungfraujoch ist Teil eines weltweiten Messnetztes, dem «Global Atmosphere Watch» (GAW), eines weltumspannenden Aerosol-Forschungsprogramms. Ziel ist es, die Wirkungsweise der Aerosole auf unsere Umwelt besser zu verstehen.
«Wir vermuten, dass es bestimmte Partikel gibt, welche die Eisbildung in Wolken auslösen. Aber wir wissen noch nichts über deren physikalische und chemische Zusammensetzung «, sagt sein Forscherkollege Stefan Mertes aus Leipzig und ergänzt: «Auch nicht, ob sie natürlich oder von Menschen verursacht sind.»
Gesundheit und Klimaveränderung
Ein typischer Vertreter eines vom Menschen produzierten Aerosols sind Russpartikel. Diese entstehen durch die unvollständige Verbrennung fossiler Brennstoffe wie beispielsweise in Automotoren.
Solche Partikel haben direkte Auswirkungen auf die Gesundheit des Menschen. Die Aerosole – im Falle des Russpartikels krebserregende – sind so klein, dass sie, wie Zigarettenrauch, tief in die Lunge und von dort sogar in den Blutkreislauf eindringen können.
Hier ist aber weitere Forschung nötig, schreibt das PSI, denn es sei noch nicht bekannt, welche Teile der Partikel für eine möglicherweise höhere Sterblichkeit verantwortlich seien.
Die Aerosole in der Atmosphäre üben aber auch Einfluss auf das weltweite Klima aus: Einerseits reflektieren sie Sonnenlicht zurück in den Weltraum, andererseits wirken sie als Keime, an denen Wasserdampf kondensieren kann und zu Wolken werden. Diese beiden Effekte wirken – im Gegensatz zum Treibhauseffekt – tendenziell abkühlend auf unsere Erde.
Einige Partikel reflektieren das Licht jedoch nicht, sondern nehmen es auf. Das führt dann zu lokaler Erwärmung. «Es ist sehr wichtig, dass wir mehr über die Licht-Absorption der Teilchen erfahren», betont Weingartner.
Fast schon zwischen Himmel und Erde
Die Forschungsstation auf dem Jungfraujoch ist durch ihre Lage besonders wichtig für die Forschung: Auf dieser Höhe – in der mittleren Troposphäre, also der Luftschicht bis 10 Kilometern Höhe – entwickeln die Aerosole, die in den Städten oder Industriezentren entstanden sind, ihre Wirkung.
Und um diese Wirkung besser und genauer erforschen zu können, hofft Weingartner auf möglichst viele Wolken auf dem Jungfraujoch.
swissinfo
Die Welt-Meteorologie-Organisation WMO hat 1988 das globale Forschungsprogramm «Global Atmosphere Watch» (GAW) initiiert.
Im Bereich Aerosole beteiligen sich daran zurzeit über 300 Stationen auf allen fünf Kontinenten – darunter die Forschungsstation Jungfraujoch.
Ziel von GAW ist unter anderem, das Verhalten der Erdatmosphäre und ihre Wechselwirkung mit der Erde besser zu verstehen.
Durch die abgelegene Lage ist die Luft auf dem Jungfraujoch nur sehr geringen Einflüssen ausgesetzt. Störquellen beeinträchtigten die wissenschaftliche Arbeit nicht.
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