Eine Abstimmung der Vernunft
Das Schweizer Stimmvolk will den medizinischen Forschritt nicht aufhalten und spricht sich für den Forschungsstandort Schweiz aus.
Auch traut es den Kantonen zu, mit mehr Kompetenzen umgehen zu können.
Die drei klaren Ja überraschen in ihrer Deutlichkeit, doch eigentlich haben jeweils nur emotionale Gründe für ein Nein zu einer der drei Vorlagen gesprochen. Mit vernünftigen Argumenten ist es Bundesrat und Parlament gelungen, das Volk zu überzeugen.
Beim Ja zum Stammzellenforschungs-Gesetz hat die Aussicht auf eine mögliche Heilung von heute unheilbaren Krankheiten die wohl grösste Rolle gespielt. Auch hatten alle Bundesratsparteien für ein Ja plädiert.
Für Forschungsstandort Schweiz
Die Zellen werden den bei der künstlichen Befruchtung im Glas anfallenden überzähligen Embryonen entnommen. Die Erkenntnisse aus der Forschung an solchen Zellen sollen in Zukunft vielleicht einmal Menschen mit Behinderungen oder degenerativen Krankheiten helfen können.
Auch wenn die Forschung an Stammzellen noch in den Kinderschuhen steckt, soll sie nun in der Schweiz ermöglicht werden. Damit hat sich das Stimmvolk für den Forschungsstandort Schweiz ausgesprochen, der international gegenwärtig zur Spitze gehört.
Das Stimmvolk will den Umgang mit diesen Zellen nun lieber in der Schweiz unter strenge Regeln setzen, als die Wissenschafter wie bisher im Ausland forschen zu lassen. Dass der medizinische Fortschritt nicht zu bremsen sei, zeigte vor allem das Abstimmungsverhalten in der Romandie klar.
Ein Argument, das Unentschlossene zu einem Ja bewogen haben mag, ist wohl die Tatsache, dass die überzähligen Embryos sowieso dem Tod geweiht sind. Warum also diese nicht der Forschung zugänglich machen? Hier scheint die Vernunft über emotionale Gründe gesiegt zu haben.
Das klare Nein ist vermutlich auch auf eine unklar geführte Nein-Kampagne zurückzuführen. Die Allianz von Grünen, Gentech-Gegnern und religiösen Kreisen hatte es zu wenig geschafft, mit einer deutlichen Botschaft aufzutreten.
Bekenntnis zum Föderalismus
Das klare Ja zur Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA) zeigt, dass die Stimmenden den Kantonen zutrauen, mit mehr Autonomie und damit mehr Kompetenz umgehen zu können.
Ausser drei reichen Innerschweizer Steuerparadiesen haben sich alle Kantone für die NFA ausgesprochen. Darunter auch solche wie Zürich und Genf, die zu den so genannten Netto-Zahlern gehören. Dies zeigt eine grosse Solidarität mit den ärmeren Gebieten der Schweiz.
Ein weiterer Grund für die klare Annahme der Vorlage dürfte die Tatsache sein, dass die Belastung der grossen Städte wie auch die finanziellen Probleme der Randregionen im Finanzausgleich berücksichtigt wurden. Es wird daher ein gerechterer Ausgleich als bisher, was wiederum ein Argument der Vernunft ist.
Bei dieser Vorlage war das Gegner-Lager noch zersplitterter, als beim Stammzellenforschungs-Gesetz. Neben einigen reichen Kantonen hatten sich die Behinderten wegen der Aufgabenteilung gegen die Vorlage gestemmt.
Zug gegen Steuern
Die dritte Vorlage, die Neue Finanzordnung (NFO) war gänzlich unbestritten. Weil es um die zentrale Einnahmequelle des Bundes ging (direkte Bundessteuer und Mehrwertsteuer), war in allen Kantonen ein klares Ja erwartet worden.
Nun ist mit dem Kanton Zug der steuergünstigste Kanton ausgeschert. Vermutlich ein prinzipielles Nein gegen jede Art von Steuern. Der neuen Finanzordnung wurde übrigens in all jenen Kantonen weniger klar zugestimmt, in denen auch die NFA vergleichsweise schlecht abgeschnitten hatte.
swissinfo, Christian Raaflaub
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