Experten für klare Regeln bei Sterbehilfe
Sterbebeihilfe soll in der Schweiz erlaubt bleiben. Dies empfiehlt die Nationale Ethikkommission im Bereich Humanmedizin (NEK).
Allerdings sollen Sterbehilfe-Organisationen unter staatliche Aufsicht gestellt werden.
Spitäler und Heime sollen frei sein, Beihilfe zum Sterben zuzulassen, teilte die NEK am Montag mit. Eine allfällige Ablehnung muss dem Patienten erläutert werden. Bei psychisch Kranken und wenn der Suizidwunsch durch gesellschaftlichen Druck zustande kam, solle aber keine Beihilfe geleistet werden dürfen.
Schweizer Regelung vergleichsweise tolerant
Die Schweiz hat bezüglich Sterbehilfe einen im internationalen Vergleich toleranten Weg eingeschlagen. Explizit verboten ist nur die aktive Hilfe bei der ein Patient zur Verkürzung seiner Leiden gezielt getötet wird.
Passive Sterbehilfe und Beihilfe zum Sterben gelten mangels expliziter Verbote als erlaubt. Darunter versteht man etwa den Einsatz von Mitteln, deren Nebenwirkungen die Lebensdauer herabsetzen können. Gleiches gilt für die passive Sterbehilfe – den Verzicht auf lebenserhaltende Sofortmassnahmen oder den Abbruch solcher
Massnahmen.
Mit dieser Regelung ist die Schweiz im internationalen Vergleich eines der tolerantesten Länder. In den meisten europäischen Staaten ist die Suizidbeihilfe direkt oder gemäss Gesetzesinterpretation verboten.
Schweizer und Ausländer gleich behandeln
Die Ethikkommission empfiehlt in ihrer Stellungnahme, an der geltenden strafrechtlichen Regelung der Sterbehilfe nichts zu ändern. Sterbehilfe-Organisationen sollen weiterhin straflos Patienten in den Tod begleiten dürfen, solange dies nicht aus selbstsüchtigen Motiven geschieht.
Dabei hält die Kommission explizit fest, dass es auch keine ethischen Gründe gibt, Ausländer vom assistierten Selbstmord in der Schweiz auszuschliessen. Der zunehmende Sterbetourismus könne zwar aus staatspolitischer Sicht problematisch sein, aus ethischer Sicht gebe es keinen Anlass, Ausländer anders zu behandeln, sagte Kommissionsmitglied Margrit Leuthold.
Ihre tolerante Haltung zur Suizidhilfe begründet die Kommission mit dem Respekt vor der Autonomie der Sterbewilligen. Ihre Entscheide und die ihrer Helfer seien zu respektieren, ohne dass sich der Staat einmische.
Staatliche Aufsicht für Organisationen
Handlungsbedarf sieht die NEK bei den Sterbehilfe-Organisationen. Diese richteten ihr Angebot an fremde Menschen, zu denen keine nahen persönlichen Beziehungen bestünden. Die Organisationen sollen deshalb unter staatliche Aufsicht gestellt und zur Einhaltung von Sorgfaltskriterien verpflichtet werden.
Damit will die NEK erreichen, dass diese Organisationen vor jeder Entscheidung zum begleiteten Sterben hinreichende Abklärungen vornehmen. Laut Leuthold ist dies vor allem bei Sterbewilligen aus dem Ausland oft nicht der Fall. Teilweise werde innert 24 Stunden zur Tat geschritten und in dieser Zeit sei schlicht nicht seriös feststellbar, wie tief der Todeswunsch sei.
Zwei verschiedene Standpunkte
Die Stellungnahme sei das Ergebnis einer intensiven Kommissionsarbeit, schreibt die NEK. Weit auseinander liegende Standpunkte hätten zusammengeführt werden können. Die Empfehlungen würden von der Kommission im Konsens getragen.
In der ethischen Diskussion über die Beihilfe zum Sterben werden zwei gesellschaftliche Grundwerte hervorgehoben, die in der Gesellschaft zwei Pole der Ansichten bilden: Einerseits die Fürsorge im Sinn der «Hilfe zum Leben» und andererseits der Respekt vor der Selbstbestimmung eines Menschen, der sich zum Sterben entschlossen hat.
Empfehlungen und Regelungen müssten diesem Spannungsverhältnis Rechnung tragen, sagt die Ethikkommission. Deshalb, so fordert die Kommission, müsste sich eine Entscheidung zur Sterbebeihilfe an der Person orientieren und dürfe nie zur Routine oder zu einer Handlung nach «Checkliste» werden.
swissinfo und Agenturen
Nach Angaben der Sterbehilfe-Organisationen wurden 2002 in der Schweiz 137 Menschen freiwillig in den Tod begleitet.
Das sind rund 10% aller Selbstötungen.
Die Schweiz ist bezüglich Sterbehilfe im internationalen Vergleich tolerant.
Verboten ist die aktive Hilfe bei einem Patienten, wenn er zur Verkürzung seiner Leiden gezielt getötet wird.
Passive Sterbehilfe und Beihilfe zum Sterben gelten mangels expliziter Verbote als erlaubt.
Die Nationale Ethikkommission begründet ihre tolerante Vorgabe mit dem Respekt vor der Autonomie eines Sterbewilligen.
Staatlich kontrolliert sollen nur die Sterbehilfe-Organisationen werden.
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