Hochwassersituation scheint sich zu entspannen
In den vom Hochwasser betroffenen Gebieten der Schweiz hat sich die Lage bis Mittwoch morgen stabilisiert oder teils leicht entspannt.
Sie bleibt jedoch in einzelnen Regionen weiterhin prekär, besondern im Kanton Bern, der Zentralschweiz und in Graubünden.
Fünf Tote und zwei Vermisste haben die verheerenden Überschwemmungen, die seit dem Wochenende anhalten, bisher gefordert. Am Mittwochmorgen präsentierte sich die Lage trotz einer gewissen Entspannung weiterhin prekär.
In Brienz, Kanton Bern, kam am frühen Dienstagmorgen eine junge Frau ums Leben. Eine weitere junge Frau wurde schwer verletzt, eine dritte wird vermisst. Insgesamt zerstörte der über die Ufer getretene Brienzer Glyssibach acht Häuser ganz und 13 teilweise.
Toter in Dürnten – Vermisste in Küblis
Ein weiterer Toter ist im zürcherischen Dürnten zu beklagen. Der Mann wurde am Dienstagmorgen aus dem Dorfbach geborgen. Zudem wurde aus dem Walensee bei Unterterzen eine Wasserleiche geborgen. Ob der Tod des unbekannten Mannes in Zusammenhang mit der Unwetterkatastrophe steht, war unklar.
In Küblis, Kanton Graubünden, wurde eine 72-jährige Spaziergängerin von einem umstürzenden Baum in die Landquart geschleudert. Sie ist seither vermisst.
Es ist zu befürchten, dass die Opferbilanz des Hochwassers auf sieben ansteigen könnte. Sonntagnacht waren zwei Feuerwehrmänner im luzernischen Entlebuch von einem Erdrutsch erfasst und getötet worden.
Viele Verkehrswege unterbrochen
In der ganzen Schweiz blieben am Dienstag zahlreiche Verkehrswege unterbrochen – namentlich der Bahnverkehr über Gotthard und Lötschberg. Seit Mittwoch früh ist die Lötschberg-Strecke wieder in Betrieb.
In Graubünden rissen die Fluten eine Brücke weg, so dass die Rhätische Bahn (RhB) den Betrieb teilweise einstellen musste. Auch im Raum Luzern-Innerschweiz sind Bahnlinien unterbrochen.
In den Unwetter-Regionen sind auch zahlreiche Strassen und Autobahnen gesperrt.
Laut Agenturen werden die Schäden auf mindestens eine halbe Mrd. Franken geschätzt. Die Schäden seien möglicherweise grösser als beim Hochwasser von 1999, heisst es in einem Communiqué der Mobiliar vom Dienstag.
Bis am Dienstagnachmittag standen über 1000 Soldaten der Schweizer Armee bei Rettung, Räumung und Betreuung im Einsatz. Dazu kamen Tausende ziviler Kräfte.
Unwetter schränkt Mobilkommunikation ein
Swisscom und Sunrise kämpfen gegen die Schäden, die das Hochwasser am Telefonnetz angerichtet hat. In der Innerschweiz, im Berner Oberland und im Engadin kann man nur eingeschränkt mit dem Handy telefonieren.
Die Netzabdeckung von Swisscom Mobile konnte im Laufe des Dienstagnachmittags in einigen Gebieten wieder hergestellt werden, wie die Swisscom mitteilte.
Langsam geht das Wasser zurück
Im Überschwemmungsgebiet der Innerschweiz stabilisierte sich der Wasserstand der Flüsse, die Seepegel stiegen aber weiter. Viele Orte blieben abgeschnitten. In Luzern schlossen die Brücken über Reuss und Seebecken; die Stadt richtete sich auf das grösste Hochwasser seit hundert Jahren ein.
Die Lage im Kanton Obwalden blieb unverändert prekär. Am schlimmsten war es in Engelberg, das nur noch auf dem Luftweg erreichbar ist.
Zahlreiche Evakuierte
In Ibach, Kanton Schwyz, wurden in der Nacht rund 200 Personen evakuiert und in Zivilschutzräumen untergebracht. In Brunnen wurde ein Campingplatz geräumt. In Schwyz wurden 400 Menschen in Sicherheit gebracht. Im Kanton Zug sank der Pegel der Reuss, der Ägerisee lag aber weiter 20 Zentimeter über dem bisherigen Höchststand.
Im Kanton Bern entspannte sich die Lage im Emmental, Seeland und Oberaargau. Die Pegel von Brienzer-, Thuner- und Bielersee stabilisierten sich oder sanken langsam. Das Berner Mattequartier blieb wie auch Teile Thuns überflutet.
Im gesamten Berner Oberland wurden Brücken weggerissen, zahlreiche Gebäude mussten evakuiert werden. Erdrutsche und Wassermassen zerstörten Strassen, Bahnlinien und Häuser. In Reichenbach im Kandertal wurde ein Ortsteil verwüstet. Ganze Talschaften sind von der Umwelt abgeschnitten.
Auch Graubünden heimgesucht
Neu in die Überschwemmungskarte aufgenommen werden musste am Dienstag Graubünden: In Klosters wurden 65 Personen eines Altersheims evakuiert sowie weitere Bewohner eines Dorfteils. Auch andernorts wurden Häuser geräumt. Das Unterengadin war von der Umwelt abgeschnitten.
Im Kanton St. Gallen waren die Auswirkungen des Hochwassers im Linthgebiet sowie im oberen Toggenburg am schlimmsten. Personen wurden evakuiert, Strassen sind unpassierbar.
Im Aargau entschärfte sich die Hochwasserlage etwas. So sanken am Dienstag die Pegel der meisten grossen Flüsse, blieben aber nach wie vor sehr hoch. Entspannung auch in Glarus: Der Pegelstand der Linth sank. Im Waadtland normalisierte sich die Lage ebenfalls.
swissinfo und Agenturen
Die seit 1999 grössten Regenfälle und Überschwemmungen in der Schweiz haben bisher fünf Todesopfer gefordert. Zwei Personen gelten als vermisst.
Tausende mussten evakuiert werden. Die geschätzten Schäden belaufen sich auf zwei Milliarden Franken geschätzt.
Unwetter gab es auch in Österreich, wo zwei Personen getötet wurden.
Auch in Bayern (Deutschland), Tschechien, Slowenien, Bulgarien und Rumänien kam es zu Unwetter-Schäden.
Die Glückskette leistet aus ihrem «Unwetter Schweiz»-Fonds Unterstützung in Härtefällen.
Zudem hat sie das Sammelkonto für Spenden zugunsten der Opfer des Hochwassers eröffnet. PC-Konto 10-15000-6, Vermerk «Unwetter Schweiz».
Auch die Schweizer Berghilfe hat ein Sammelkonto eröffnet: PC-Konto 80-32443-2.
Das Schweizerische Rote Kreuz und die Caritas haben je 100’000 Franken zur Unterstützung der Hochwasser-Geschädigten freigegeben.
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