Johannesburg: Schweizer hätten mehr erhofft
Die Schweizer Unterhändler erklärten in Johannesburg, sie seien insgesamt enttäuscht vom Ergebnis des Erdgipfels.
Positiv werden die Vereinbarungen zum Zugang zu sauberem Wasser und über die Reduktion der chemischen Abfälle gewertet.
Serge Chapatte, Chef der Sparte Entwicklungspolitik und multilaterale Zusammenarbeit bei der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA), sagte, dass das Schlussdokument hinter den Erwartungen der Schweizer Delegation zurückbleibe.
«Ich bin aber zufrieden, dass der Gipfel wenigstens zu einem Resultat gekommen ist», sagte Chapatte gegenüber swissinfo. In den ersten Tagen der Konferenz, so Chapatte weiter, habe man damit rechnen müssen, dass die Konferenz zu Ende gehe, ohne greifbaren Plan zur Minderung des Ungleichgewichtes zwischen Reich und Arm.
«Aber vergleiche ich das Resultat mit den Erwartungen der Schweizer Delegation, dann sind wir schon enttäuscht», sagt Chapatte.
Schweiz bei der Artenvielfalt gefordert
Insgesamt aber findet die Schweizer Delegation, das Glas sei etwas mehr als halbvoll. Positiv wird gewertet, dass es gelungen sei, Ziele zum Zugang zu sauberem Wasser zu vereinbaren. Positiv sei auch die Vereinbarung über die Reduktion der chemischen Abfälle.
Für die Schweiz von besonderer Bedeutung ist die Vereinbarung zum Schutz der Artenvielfalt. Bis 2010 soll der Verlust der Arten zum Stillstand kommen. Die Schweiz als dicht besiedeltes Land habe ein gewisses Problem, seine eigene Artenvielfalt zu behalten. Deshalb werde sich diese Vereinbarung konkret auf die Schweiz auswirken, hiess es aus der Schweizer Delegation.
Der am Mittwochnachmittag in Johannesburg verabschiedete Aktionsplan deckt ein weites Themenfeld ab. Dazu gehören Wasser und sanitäre Einrichtungen, Energie und Biodiversität. Insgesamt umfasst der Plan 152 Punkte. Der Plan wurde auch von den Entwicklungsländern kritisiert.
NGO verbittert
Die wichtigsten Nichtregierungs-Organisationen (NGO)haben am Mittwoch den UNO-Gipfel in Johannesburg demonstrativ verlassen. Damit protestierten sie gegen die Resultate der Verhandlungen.
Die Umweltorganisationen haben viele Länder angeklagt, sie würden ihre Verantwortung für die zentralen Themen nicht genügend wahrnehmen. Für Claude Martin, Generaldirektor des WWF International, hat es der Gipfel verpasst, «die Ursachen der Armut und das Fehlen einer nachhaltigen Entwicklung» konkret anzugehen.
«Wir hatten keine grossen Erwartungen in diesen Gipfel», so Martin gegenüber swissinfo. «Doch wir sind sehr enttäuscht, dass sich nicht einmal unsere geringen Erwartungen erfüllt haben.»
Die NGO kritisieren vor allem, dass den meisten Zielen konkrete Zeitrahmen fehlen. Auch mangle es oftmals an Angaben über konkrete Massnahmen, wie die Ziele erreicht werden könnten.
Man habe um jeden Preis Einigkeit erreichen wollen, so Martin. «Herausgekommen ist ein Papier, das nicht viel wert ist… und zumeist bloss frühere Abkommen bestätigt.»
Der Chef des Bundesamtes für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL), Philippe Roch, hält dem entgegen, dass der Gipfel die Fragen immerhin wieder auf die höchste Ebene der politischen Agenda gebracht habe. «Deshalb war er nützlich.» Allerdings: «In Johannesburg gab es nur Anfänge, keine Schlussfolgerungen.»
Schweiz für erneuerbare Energien
Die Regierungen haben sich einverstanden erklärt, bis 2015 die Zahl der Menschen, welche keinen Zugang zu sanitären Einrichtungen haben, zu halbieren. Keinen Konsens gab es jedoch bei den erneuerbaren Energien; ihr Anteil soll zwar erhöht werden, so der Appell, doch ein Abkommen mit Zeit- und Zielvorgaben konnte wegen der Opposition nicht geschlossen werden.
Um doch noch konkrete Schritte nach vorn zu machen, hat die EU eine internationale Initiative zum verbindlichen Ausbau erneuerbarer Energien gestartet. In der Erklärung heisst es unter anderem, die Teilnehmer beabsichtigten, «im Bereich erneuerbare Energien über die (beim Weltgipfel) erzielten Beschlüsse hinauszugehen». Auch die Schweiz hat die Initiative unterschrieben.
«Wir versichern, dass wir ein Programm zur weltweiten nachhaltigen Entwicklung implementieren. Dies mit der klaren Priorität, den tiefen Graben, der die Menschheit in Reich und Arm trennt, zu überbrücken.» So die Einleitung der politischen Deklaration zum Aktionsplan.
Einigkeit, aber wenig Konkretes
Der Schweizer Aussenminister Joseph Deiss begrüsste das Ergebnis des Gipfels, wies aber auch auf die Probleme beim Erreichen von multilateralem Konsens hin.
Die Aufgabe dieses Gipfel sei es, eine globale Strategie zu haben und eine gewisse Zahl der weltweiten Probleme anzupacken, so Deiss gegenüber swissinfo. «Die Schwierigkeit bei solchen Gipfeln ist, dass wir Einstimmigkeit brauchen und nicht bloss die Unterstützung einer Mehrheit der Teilnehmer-Länder.»
Für BUWAL-Chef Roch ist klar: «Johannesburg ist kein historischer Gipfel wie Rio es war.»
In Rio sei zum ersten Mal weltweit ein Bewusstsein für Umweltprobleme entstanden. In Johannesburg habe man dagegen nur die «Möbel gerettet». Der Aktionsplan sollte theoretisch die 2500 Empfehlungen konkret werden lassen, die in Rio zustandekamen. «Doch er bleibt ein sehr allgemein gehaltenes Papier», so Roch.
Lob für die Schweiz
WWF-Generaldirektor Martin anerkennt die Verhandlungs-Arbeit der Schweiz, um Differenzen zu lösen. «Wir sind glücklich mit der Rolle, welche die Schweiz hier gespielt hat. Es ist klar, dass die Grösse des Landes nicht bestimmt, ob man ein effektiver Verhandlungs-Partner ist», so Martin.
So habe die Schweiz beispielsweise bei der Energie-Frage eine sehr positive, proaktive Rolle eingenommen.
Was bleibt?
Zehn Tage Diskussionen: Welches Vermächtnis hinterlässt der grösste UNO-Gipfel aller Zeiten mit über 50’000 Teilnehmenden?
«Johannesburg wird in Erinnerung bleiben wegen dem peinlichen Benehmen einiger Regierungen», betonte Martin. «Doch gleichzeitig bleiben die vielfältigen «public-private partnerships» haften. Diese zeigen vermutlich, wohin der Weg geht.»
Die Schweiz selber hat am Montag eine solche Initiative lanciert: eine internationale Alpeninitiative.
Die Schweizer Regierung hofft, mit dem Begehren Privatunternehmen und gesellschaftliche Gruppierungen zusammen zu bringen, um an spezifischen Projekten zum Schutz des Alpenraums und der dort lebenden Bevölkerung zusammen zu arbeiten.
swissinfo, Ramsey Zarifeh, Johannesburg und Agenturen
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