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Keine Gentech-Freisetzungsversuche

Für das BUWAL sind die möglichen Schäden des Versuchs nicht abschätzbar. swissinfo.ch

In der Schweiz werden weiterhin keine Gentech-Pflanzen freigesetzt. Das zuständige Bundesamt lehnte ein Gesuch der ETH Zürich ab.

Die Debatte um Freisetzungs-Versuche von gentechnisch veränderten Organismen wird in der Schweiz seit Jahren intensiv geführt. Kommerziell werden Gentechpflanzen hierzulande nirgends angebaut. Und auch punkto Versuchsflächen gibt es kaum Erfahrungen: Einzig Anfang der 90er-Jahre waren Experimente im Freien (damals mit genveränderten Kartoffeln) durchgeführt worden.

Seither sind die Schweizer Felder «gentechfrei», und das werden sie vorerst auch bleiben. Das Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) hat das Gesuch der ETH Zürich für einen Freisetzungs-Versuch mit gentechnisch verändertem Weizen abgelehnt.

Keine Bedeutung für Schweizer Landwirtschaft

Der spezielle Weizen wurde zuvor im Labor gentechnisch so verändert, dass er nicht mehr von Stinkbrand befallen werden kann. Dank einem Fremdgen entwickelt er ein Eiweiss (KP4), mit dem er sich selber gegen die Pilzerkrankung wehren kann.

In der Schweiz allerdings ist diese Weizen-Schädigung in der landwirtschaftlichen Praxis nicht relevant: Sie kommt selten vor und lässt sich gemäss Fachleuten recht einfach bekämpfen.

Streit um acht Quadratmeter

Im Zürcherischen Lindau wollte das Institut für Pflanzenwissenschaften in einem kleinflächigen Feldversuch die «Biosicherheit von transgenem Weizen unter natürlichen Bedingungen» abschätzen, wie es im offiziellen Gesuch heisst.

Geplant war, insgesamt rund 1’600 Gentech-Pflanzen auf einer Fläche von acht Quadratmetern anzubauen. Doch diese kleine Fläche reichte aus, um die Gemüter in Lindau zu erhitzen.

Sobald das Ansinnen bekannt wurde, machten die Gentech-Gegner mobil: An einer Informations-Veranstaltung letzten Winter schlug den Forschern harte Kritik entgegen – Konsumenten und Bauern wollten diese Pflanzen nicht, so der Grundtenor.

«Schadenpotenzial nicht abschätzbar»

Parallel zur wachsenden Opposition beschäftigte sich das BUWAL mit dem Gesuch. Mehr als ein Jahr nach der Einreichung liegt nun der ablehnende Entscheid auf dem Tisch.

Das BUWAL ist zum Schluss gekommen, das der geplante Versuch den Anforderungen nicht entspricht, die in der Schweiz an Freisetzungen gestellt werden. Das Schadens-Potenzial sei nicht abschätzbar, zu viele Fragen blieben offen, so die Verantwortlichen.

Besonders wisse man noch zuwenig über die Wirkung des KP4-Eiweisses; konkret fehlten Belege, dass andere Organismen durch dieses neue Eiweiss wirklich nicht geschädigt werden.

Kein Platz für Antibiotika-Resistenz

Zudem verweist das BUWAL auch auf die bisherige Entscheide: Bereits 1999 hatten Umweltfachleute zwei Freisetzungs-Gesuche unter anderem mit dem Hinweis abgelehnt, dass es nicht angehe, wenn sozusagen als Nebenprodukt die Gentech-Pflanzen ein Antibiotika-Resistenzgen aufweisen.

Er sei nicht grundsätzlich gegen Freisetzungs-Versuche, sagte BUWAL-Direktor Philippe Roch. Das Parlament habe aber mit der Gentechnik-Gesetzgebung die Latte für die Zulassung sehr hoch gesetzt. Es sei sehr schwierig, die Sicherheits-Anforderungen zu erfüllen und eine Bewilligung zu bekommen.

Rekurs wird geprüft

Die ETH Zürich bedauert den Entscheid. Feldversuche seien in der molekular-biologischen Grundlagenforschung unabdingbar. Projektleiter Christof Sautter sagte gegenüber swissinfo, dass er mit dem Nein gerechnet habe. Er verwies auf die schlechte Kommunikation mit dem BUWAL.

Zum Stichwort Antibiotika-Resistenz betont der Forscher, dass er drei Jahre gebraucht habe, um die Pflanzen herzustellen. Es gehe hier um Prototypen für kleinflächige Versuche und nicht um ein kommmerzielles Inverkehrbringen.

Abschliessend hält Sautter fest: «Ich glaube, dass es ein sehr schlechtes Zeichen für den Wissenschafts-Standort Schweiz ist.» Ähnlich äusserte sich Internutrion, die Dachorganisation von Firmen aus der Agro- und Lebensmittelbranche.

Während sich der Forscher selber noch nicht dazu äussern will, ob man den Entscheid akzeptieren oder dagegen rekurrieren werde, bestätigt Rolf Probala, Medienchef der ETH, dass ein Rekurs nun sorgfältig geprüft werde. Man sei sowohl über das Vorgehen wie über die Begründung des Neins sehr erstaunt, so Probala.

Umwelt- und Konsumenten-Organisationen dagegen begrüssten den Entscheid. Das BUWAL habe damit die zahlreichen Bedenken, welche die Umwelt-Organisationen und die ortsansässige Bevölkerung gegen das unnötige und gefährliche Gen-Experiment vorgelegt hätten, ernst genommen, erklärte Greenpeace in einer Mitteilung.

Eva Herrmann

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