Kleines Land – grosse Naturgefahren
Die Schweiz hat gelernt, mit den Naturgefahren umzugehen. Sie ist auf Schadenereignisse vorbereitet. Zur Zeit steht die Prävention im Vordergrund.
Eine Bestandesaufnahme am internationalen Tag der Vorbeugung gegen Naturkatastrophen.
Ist die Schweiz gewappnet gegen grosse Naturschäden?
Nach Meinung von Experten ist das im Wesentlichen der Fall. «Die Schweiz hat während den Überschwemmungen im August sehr schnell reagiert. Dabei hat sich auch gezeigt, dass im Vergleich zu den Überschwemmungen 1999 Fortschritte erzielt worden sind», sagt ein Sprecher des Rückversicherers Swiss Re. «Die Schweiz ist gut vorbereitet, auch wenn es immer etwas zu verbessern gibt.»
Die Anstrengungen auf dem Gebiet der Prävention sind international anerkannt. Das Land gibt pro Jahr rund 2,5 Mrd. Franken dafür aus. Das hat eine Konferenz Anfang 2005 in Kobe gezeigt.
«Wir brauchen zum Beispiel in sämtlichen Kantonen Gefahrenkarten, die zeigen, wo nicht gebaut werden darf», sagt Florian Widmer, Sekretär der Nationalen Plattform Naturgefahren PLANAT gegenüber swissinfo. Diese Karten sollten bis 2011 verfügbar sein.
Die kartographische Erhebung der Daten zieht sich von Kanton zu Kanton unterschiedlich lange hin, denn nicht selten machen wirtschaftliche oder touristische Kreise Druck, damit eine Zone nicht in die Karte aufgenommen wird.
«Es ist deshalb dringend, die Karten zu erstellen, damit die Daten in die Raumplanung einbezogen werden können», doppelt Martin Kamber, Vizedirektor des Interkantonalen Versicherungsverbandes (IRV) nach.
Welches sind die hauptsächlichen Risiken, denen die Schweiz ausgesetzt ist?
Zu den grössten Risiken zählen die Erdbeben. Solche mit einer Stärke von 5 bis 6 auf der Richterskala sind in der Gegend von Basel und im Wallis denkbar. Würde heute in Basel die Erde beben, wie sie das 1356 getan hat, dann würde das Schäden in der Höhe von rund 60 Mrd. Franken bedeuten.. Im Vergleich dazu: Die Überschwemmungen im August haben 2 Mrd. Franken Schaden angerichtet.
Weitere Risiken sind Überschwemmungen, Kältewellen, Trockenheit und Hitzeperioden, Stürme, Gewitter und Lawinen. «Paradox an der Sache ist, dass die seltensten Ereignisse die grössten Schäden verursachen», sagt Florian Widmer.
Behindert der Föderalismus in der Schweiz vorbeugende Schritte gegen Natur-Katastrophen und ein Krisenmanagement?
Der Föderalismus delegiert die Verantwortungen an die Kantone und Gemeinden. Sie kennen ihre Territorien, das wirke sich auf die Effizienz aus, sagt Martin Kamber.
Florian Widmer ist da skeptischer: Wenn der Bund Massnahmen zur Prävention gegen Naturgefahren erlasse, müssten sie die Kantone nicht zwingend umsetzen.
Das zeige sich am Beispiel der Gefahrenkarte. Der Bund habe keine Möglichkeit, gegen säumige Kantone vorzugehen. Eine diesbezügliche Verfassungsänderung verstaube in den Schubladen.
Was hat bei grossen Naturkatastrophen zu geschehen?
Das hängt ganz vom jeweiligen Ereignis ab. Doch prinzipiell sollen die Gemeinden oder die betroffenen Kantone die Sache in die Hand nehmen. Sie bieten die Feuerwehr, die Polizei, die zivilen Rettungs- und Instandstellungsdienste und den Zivildienst auf. Dazu braucht es einen Führungsstab, der die Hilfe koordiniert.
Wenn es die Lage verlangt, können diese Dienste auch landesweit mobilisiert werden. Bei grossen Ereignisse wäre das die Armee, die – wie im August – die Hilfskräfte unterstützt.
Ganz zentral bei möglichen Naturkatastrophen ist, dass die Handlungsabläufe eingeübt sind, sagt Pascal Aebischer, Sprecher des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz.
Für Florian Widmer sind allerdings wesentliche Kompetenzen noch nicht geklärt: Wer löst wann Alarm aus und wer ist dann der Ansprechpartner?
swissinfo, Pierre-François Besson
(Übertragung aus dem Französischen: Urs Maurer)
Bei Naturkatastrophen sind in der Schweiz die Kantone zuständig. Der Bund hilft nur unterstützend mit.
Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz führt die Oberaufsicht auf Bundesebene.
Das Bundesamt für Wasser und Geologie ist für die Prävention verantwortlich. Es wird von PLANAT unterstützt.
PLANAT ist die ausserparlamentarische Kommission, welche einen Paradigmenwechsel von der reinen Gefahren-Abwehr zu einer Risikokultur zum Ziel hat.
Ihre Stossrichtung ist: Strategische Arbeit, Bewusstseinsbildung und Koordination.
Im Fall von Unwettern oder Erdbeben gibt die Nationale Alarmzentrale (NAZ) die Alarme von MeteoSchweiz oder dem Nationalen Erdbebendienst in die betroffenen Gebiete, an die Armee und das Bundesamt für Polizei weiter.
Die Bevölkerung wird durch die 7750 Sirenen im Land alarmiert und aufgefordert Radio zu hören.
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