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Kompromiss beim Mindestzinssatz

Der Sozialminister Pascal Couchepin deutet den oberen Plafond an. Keystone

Die Bundesrat senkt den Mindestzinssatz für Altersguthaben auf 2,25%. Die Gewerkschaften schlagen "Rentenalarm".

Befürchtungen und Ärger wegen der Alters- und der Beruflichen Vorsorge führten zum «Aktionstag» in 40 Schweizer Ortschaften.

Eigentlich hätte der Bundesrat einen Mindestzinssatz von 2% gewollt – und die Gewerkschaften wünschten sich mindestens 2,5%. Der Regierungsentscheid betrifft den obligatorischen Teil der Beruflichen Vorsorge, der sogenannten Zweiten Säule.

Gleichzeitig veranstaltete der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) am Mittwoch einen «Aktionstag» in 40 Schweizer Ortschaften, um gegen den Leistungsabbau bei der AHV («Erste Säule») und bei den Pensionskassen («Zweite Säule») zu protestieren.

Bei der Zweiten Säule ersparen sich die Versicherten über Jahrzehnte hinweg ihr eigenes Deckungskapital mit obligatorischen Lohnbeiträgen. Im Gegensatz zur Ersten Säule, die mit Lohnprozenten der Berufstätigen finanziert wird, die den Rentnern im Umlageverfahren sofort zugute kommen.

Nach dem «heissen Sommer» 2002 ein «heisser Herbst» 2003

2002 hatte der Bundesrat den Mindestzins nach einem «heissen Sommer» für Anfang Januar 2003 von 4 auf 3,25% gesenkt. Dem Entscheid waren Parlaments-Debatten und hitzige Diskussionen rund um den «Rentenklau» vorausgegangen. Die 4% galten unverändert seit 1985 und galten als politisches Tabu.

Solche «Rentenklau»-Kundgebungen fanden am Mittwoch wieder statt. Dieser «Aktionstag» soll dem SGB auch als Auftakt für die nationale Grosskundgebung vom kommenden 20. September in Bern dienen. Am Mittwoch selbst blieb die Mobilisation zahlenmässig eher bescheiden.

Klingen schon im Vorfeld gekreuzt

In der Presse hatten die Exponenten schon im Vorfeld dieses Mittwochs die Klingen gekreuzt. In Interviews beharrten sowohl Sozialminister Pascal Couchepin als auch Nationalrat Paul Rechsteiner, Präsident des Schweizerischer Gewerkschaftsbund, auf ihren Standpunkten.

Rechsteiner setzte sich für ein weiterhin flexibles Rentenalter und für das Beibehalten des Mischindexes ein. Werde der Mischindex dem Sparprogramm geopfert, würden die Gewerkschaften ein Referendum ergreifen.

Pascal Couchepin meinte, es sei zweitrangig, ob der Verfassungsauftrag nur mit AHV oder mit dem Drei-Säulen-Prinzip erreicht werde. Man müsse sich klar sein, dass es entweder mehr Renten-Beiträge oder mehr (Mehrwert-)Steuer brauche, um die verlangte Existenzsicherung zu garantieren.

Renten-Räuber und Säulen-Schieflage

Innen- und Sozialminister Pascal Couchepin wurde von den Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern wiederholt als «Räuber» bezeichnet, die Chefs der Lebensversicherungen ebenfalls. Die Versicherungen spielten in der Beruflichen Vorsorge «ein ganz trauriges Spiel», hiess es.

Die Leistungskraft des einzelnen Arbeitnehmers und der Wirtschaft werde durch die schlechteren Bedingungen in der Ersten und Zweiten Säule massiv geschwächt, monierten die Gewerkschaften.

Doch auch um die Leistungskraft der Pensionskassen steht es seit der Talfahrt der Finanzmärkte 2002 nicht mehr zum besten. Die gesetzlich vorgeschriebene finanzielle Deckung wird seither oft unterschritten. Obwohl sich die Situation seit dem ersten Halbjahr 2003 dank der besseren Verfassung der Börsen etwas beruhigt hat.

Der Regierungsbeschluss, den Mindestsatz zu senken, ziele auf die finanzielle Stabilisierung der Pensionskassen, sagte Couchepin am Mittwoch. Damit sollte auch die langfristige Sicherstellung und Entwicklung der Beruflichen Vorsorge (BV) gesichert werden.

Fehlende Renten-Sicherheit oder Sozialabbau

Natalie Imboden, SGB-Zentralsekretärin, sieht das anders: «Das System in der Schweiz ist sehr sicher, wir haben eine gute Finanzierung, und es ist nicht nötig, die Leute zu verärgern», sagte sie gegenüber swissinfo. «Die Bevölkerung ist verunsichert, weil man nicht weiss, ob die Renten gesichert sind».

Der SGB hatte vor der Presse Anfang Juli 2003 gegen den geplanten Abbau bei der AHV mobilisiert. Dabei wehrte sich gegen die «falschen AHV-Bilder», die zum Sparkurs führen, wie zum Beispiel die «reichen Alten» oder die «erdrückende Demografie». Die Gewerkschaften fordern auch das Beibehalten eines korrekten Mischindexes, der die AHV-Renten der jeweiligen Kaufkraft angleicht.

swissinfo und Agenturen

Mindestzinssatz (für die Altersguthaben der Beruflichen Vorsorge): Minimalsatz zur zukünftigen Verzinsung des Altersguthabens gemäss dem Bundesgesetz über die berufliche Vorsorge (BVG). Dabei berücksichtigt wird die Rendite der Bundesobligationen, die Ertragsmöglichkeiten weiterer marktgängiger Anlagen und die finanzielle Lage der Vorsorge-Einrichtungen.

Mischindex: Dieser wird seit 1979 als Durchschnitt zwischen dem Teuerungs- und dem Lohnindex errechnet. Damit werden periodisch die AHV-Renten angepasst. Zweck: Die Renten wenigstens teilweise der Reallohnentwicklung anzupassen. Im Rahmen des «Sparprogramms» will der Bundesrat diese Anpassung (vorderhand) abschaffen.

«Unterdeckung»: Wenn die eingegangenen Vorsorge-Verpflichtungen der betroffenen Pensionskasse das vorhandene Vermögen übersteigen. Der Anteil von Pensionskassen mit Unterdeckung stieg zwischen Anfang 2003 und März 2003 von 45 auf 50 Prozent.

«Rentenalter 67»: In der Schweiz haben sich in den letzten 20 Jahren die Berechnungsvoraussetzungen für Renten verschlechtert. Die Überalterung bei gleichzeitig erhöhter Lebenserwartung führt dazu, dass weniger Berufstätige mehr Rentner finanzieren müssen (AHV). Ausserdem fielen 2002 die Finanzerträge zurück. Deshalb soll länger gearbeitet werden.

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