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Menschen für Klimaerwärmung verantwortlich

Sich ausbreitende Wüstengebiete sind eine Folge der Klimaerwärmung. Keystone

Jetzt ist es sozusagen wissenschaftlich erwiesen: Der Mensch ist "sehr wahrscheinlich" für den Klimawandel verantwortlich, der über 1000 Jahre anhalten könnte.

Es sei höchste Zeit zu Handeln, sagt der Schweizer Forscher Fortunat Joos gegenüber swissinfo. Er ist Mitglied der UNO-Klimakonferenz (IPCC), die in Paris tagte.

Der Klimabericht der UNO zeichnet ein düsteres Bild: Bis 2100 steigt die Temperatur um bis zu 6,4 Grad, der Meeresspiegel erhöht sich um rund einen halben Meter. Am menschlichen Verschulden lassen die Klimaforscher keinen Zweifel mehr.

Nunmehr stehe zu 90 Prozent fest, dass der Mensch den natürlichen Treibhauseffekt durch das Verfeuern fossiler Brennstoffe verstärke, heisst es im Dokument des zwischenstaatlichen Ausschusses zum Klimawandel (IPCC), der die führenden Klimaforscher vereint.

Auch wenn die Staaten ihre schädlichen Emissionen reduzierten oder gar stoppten, würden Erderwärmung und Anstieg der Meeresspiegel noch für Jahrhunderte anhalten.

Wenn die Menschheit jetzt handle, würden dennoch wichtige Auswirkungen des Klimawandels eingedämmt, glaubt Fortunat Joos, Professor am Institut für Klima und Umweltphysik an der Universität Bern.

swissinfo: Gemäss Bericht hat «sehr wahrscheinlich» der Mensch das Klima beeinflusst. Ist das der Konsens der Forscher?

Fortunat Joos: Die grosse Mehrheit der Wissenschafter ist überzeugt, dass die Klimaerwärmung andauern wird. Es gibt zahlreiche Hinweise, dass die Erwärmung überall feststellbar ist, und genügend Beweise, dass die Menschen die Zusammensetzung der Atmosphäre verändern. Laut Messungen war die Konzentration von Treibhausgasen wie CO2 und Methan in den letzten 650’000 Jahren nie so hoch wie heute.

Wir wissen auch, dass Vulkanismus und die Veränderung der von der Sonne ausgesandten Energie die Atmosphäre abgekühlt hat. Dadurch wird klar, dass die Erderwärmung der letzten Jahrzehnte von Menschen gemacht ist.

swissinfo: Der Bericht bezeichnet den Einfluss des Menschen auf das Klima als «sehr wahrscheinlich», mit einer Wahrscheinlichkeit von 90%. Was fehlt zur letzten Gewissheit?

F.J.: Die Erde ist ein komplexes System, deshalb existiert die Möglichkeit, dass wir nicht alles verstehen. Wir haben keine Daten, die über Jahrtausende zurück gehen. Während der Abschlussredaktion des Berichts gab es einige Diskussionen, ob die Wortwahl nicht schärfer ausfallen sollte. Wir wollten auf der gesicherten Seite bleiben. Aber 90% sind eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit.

swissinfo: Sie sagen, dass der Bericht vorsichtig abgefasst ist. Ist das aber nicht Wasser auf die Mühlen derjeniger, welche die Erderwärmung abstreiten, oder zumindest deren Folgen?

F.J.: Das denke ich nicht. Die IPCC hat in den letzten 17 Jahren die wissenschaftlichen Beweise ausgewogen präsentiert, statt in Panik zu verfallen oder Fakten zu ignorieren. Die IPCC-Berichte wurden aufgrund der grösseren Datenmenge immer zuverlässiger. Skeptiker haben es sehr schwer, unsere Erkenntnisse in Zweifel zu ziehen. Stattdessen führen sie jetzt ins Feld, dass die Kosten der Klimaerwärmung übertrieben sind.

swissinfo: Der Bericht ist für die Politiker verfasst, wird er auch deren Politik beeinflussen?

F.J.: Die Zusammenfassung sagt klipp und klar: Die Erwärmung wird zunehmen, die Menschen sind dafür verantwortlich und die negativen Folgen des Klimawandels werden andauern. Ich denke, das ist für einen Entscheidungsträger sehr leicht verständlich. Es wird aber von persönlichen Meinungen und Interessen abhängen, ob sie nachhaltige Energien zur Verbesserung der Energieeffiezenz fördern werden.

Wenn wir uns Richtung Alternativenergien bewegen, wird es einige Wirtschaftsbranchen geben, die verlieren. Viele andere aber und vor allem die Gesellschaft wird gewinnen.

swissinfo-Interview: Scott Capper
(Übertragung aus dem Englischen: Renat Künzi)

Prognosen des IPCC bis 2100:
Wahrscheinlicher Temperaturanstieg: zwischen 1.8 und 4 Grad
Möglicher Temperaturanstieg: bis zu 6,4 Grad
Wahrscheinlicher Anstieg des Meeresspiegels bis zu 43 Zentimeter
Das arktische Eis (Nordhalbkugel) wird wahrscheinlich zwischen 2050 und 2100 verschwinden
Dürreperioden werden zunehmen
Ebenso die tropischen Stürme

Der zwischenstaatliche Ausschusses zum
Klimawandel (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) wurde 1988 von zwei UNO-Organisationen gegründet, der World Meteorological Organization (WMO) und dem UNO-Umweltprogramm (UNEP). Ziel ist die Erforschung des von «Menschen beeinflussten Klimawandels».

Die IPCC steht allem Mitgliedsländern von WMO und UNEP offen.

Die Berichte der IPCC werden praktisch in allen Debatten über Klimawandel zitiert.

Der alarmierende Weltklimabericht hat auch in der Schweiz besorgte Reaktionen ausgelöst. Die Grünen fordern zum Thema eine dringliche Parlamentsdebatte und die Sozialdemokraten haben für die Frühlingssession ebenfalls Vorstösse in Aussicht gestellt. Einzig die SVP sieht keinen Anlass zur Sorge. Klimaschwankungen habe es schon früher gegeben.

Bundesrat und Umweltminister Moritz Leuenberger hat am Freitag an der Konferenz über eine internationale Umweltpolitik in Paris seine Forderung nach einem gemeinsamen Vorgehen gegen die Klimaerwärmung erneuert und seinen Vorschlag für eine internationale CO2-Abgabe wiederholt.

Daneben müsse auch die Schweiz eigene Anstrengungen unternehmen, sagte Leuenberger. Als Alpenland sei die Schweiz von den Klimaänderungen in besonderem Mass betroffen.

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