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Nicht-Rauchen attraktiver machen

Auch Sportidol Simon Amman lässt sich für die Kampagne einspannen. (experimentnichtrauchen.ch) Auch Sportidol Simon Amman lässt sich für die Kampagne einspannen. (experimentnichtrauchen.ch)

Die Kampagne "Experiment NichtRauchen" biegt auf die Zielgerade ein. Schulklassen, die auf das Rauchen verzichten, haben Aussicht auf Belohnung.

In den letzten Jahren hat die Anzahl der rauchenden Jugendlichen stark zugenommen. Nicht anfangen ist einfacher als Aufhören.

«Ich rauche schon seit drei Jahren, habe mir auch schon mehrmals vorgenommen aufzuhören, leider habe ich es nur für einen Monat geschafft. Der Druck der Clique war einfach zu hoch!» Dies schreibt eine 16-Jährige in einem Internet-Forum zum Thema Rauchen.

Der Gruppendruck, weiter mitzurauchen, wird von vielen Jugendlichen ins Feld geführt. Doch könnte man den Gruppendruck nicht dazu einsetzen, den Tabak-Konsum einzuschränken?

Die Arbeitsgemeinschaft Tabakprävention (AT) versucht genau das: Rund 50’000 Schülerinnen und Schüler in 2592 Schweizer Schulklassen machten sich beim Start des Wettbewerbs «Experiment NichtRauchen», am 15. November 2002, auf den Weg in eine rauchfreiere Zukunft und auf die Jagd nach attraktiven Preisen. Das ist ein neuer Teilnahmerekord. Am 31. Mai, dem Tag des «Nichtrauchens», wird Bilanz gezogen.

«Experiment NichtRauchen» für Schulklassen

Das «Experiment NichtRauchen» beruht in erster Linie auf der Ehrlichkeit der Teilnehmenden. Mitmachen können Schülerinnen und Schüler von der 6. bis zur 9. Klasse, die eine Schule in der Schweiz oder im Fürstentum Liechtenstein besuchen.

In der Kategorie A verpflichtet sich die ganze Klasse kollektiv rauchfrei zu bleiben. In der Kategorie B sind Klassen des 7.-9. Schuljahres mit Rauchern und Raucherinnen zugelassen. So dürfen in einer 20-köpfigen Klasse höchstens drei Raucher sein.

Diese werden am Anfang des Wettbewerbs definiert und von den Tests, die jederzeit und unangemeldet in jeder Klasse durchgeführt werden können, ausgenommen.

Von den 2592 teilnehmenden Klassen sind bis zum 13. März 2003 gut 10%, konkret 265 Klassen, ausgeschieden. 21 davon nach einem Test.

Kontrolle ist gut…

Der «Cotinin-Test» sucht im Speichel nach der Substanz Cotinin, einem Abbauprodukt des Nikotins. Im Gegensatz zum Nikotin ist Cotinin wesentlich stabiler und daher auch länger im Speichel oder im Urin nachweisbar. Auch der Konsum einzelner Zigaretten kann so bewiesen werden.

Cotinin bleibt einige Tage im Körper. Wenn an einem Montag getestet wird, kann auch Nikotinkonsum vom Wochenende nachgewiesen werden. Aus Kapazitäts- und Kostengründen können nur 10% der Klassen getestet werden.

…Vertrauen ist besser

Markus Schulthess, Sekundarlehrer im solothurnischen Biberist erklärt: «Man hält die Kinder ‹bei Stimmung›, indem man ab und zu betont, dass jeden Tag die Testequipe anrollen könnte. Aber eigentlich muss man auf die Ehrlichkeit zählen. Deshalb frage ich periodisch: ‹Müssen wir aussteigen?› Bis jetzt war das nicht der Fall.»

Überhaupt wird beim «Experiment NichtRauchen» das Hauptaugenmerk auf gegenseitiges Vertrauen gesetzt. Bei der Anmeldung zum Wettbewerb muss jede Schülerin, jeder Schüler unterschreiben, der Lehrperson zu melden wenn sie oder er geraucht hat.

Scheitern ist kein Weltuntergang

Tritt dieser Fall ein, wird die Gruppe vom «Experiment NichtRauchen» abgemeldet. Es liegt nun an der Lehrperson, mit der Klasse das Ausscheiden professionell zu verarbeiten. Der Verzicht auf den mit 20’000 Franken dotierten Hauptgewinn kann durchaus zu frustrierten Äusserungen führen.

Karin Erb von der Arbeitsgemeinschaft Tabakprävention: «Die ’schwach gewordenen› Schülerinnen oder Schüler werden normalerweise nicht ausgegrenzt, auch wenn sich die Aussicht auf den erhofften Gewinn in Rauch aufgelöst hat.»

Trotzdem dürfen die Lehrkräfte psychologische Aspekte nicht ausser Acht lassen. In einer Klasse wollte ein Mädchen von Beginn an nicht mitmachen, obwohl es gar nicht rauchte. Sein Argument: «Ich könnte den Druck nicht ertragen, wenn die Klasse aufhören müsste, wenn ich mit Rauchen anfangen würde.»

Grosser Nutzen

Auch wenn eine Klasse vorzeitig ausscheidet, hat sich die Teilnahme auf jeden Fall gelohnt. Anita Erb: «Wenn man den Einstieg vermeiden oder herauszögern kann, ist dies schon ein Gewinn.»

Die Biberister Sekundarklasse von Markus Schulthess beteiligt sich bereits zu dritten Mal am Wettbewerb. Es gibt in der Klasse noch einen Raucher. Ein Mädchen hat aufgehört.

Rauchen und andere Sucht-Themen

Die blosse Teilnahme am Wettbewerb bringt jedoch nicht viel. Markus Schulthess beleuchtet die verschiedenen Facetten des Themas im Unterricht: «Wieso ist Rauchen schädlich?» «Rauchen und Sport», «Ist Rauchen cool?», «Warum rauchst du?».

Mit Fragestellungen wie «Was ist Genuss?» erweitert der Sekundarlehrer die Monothematik des blauen Dunstes und wendet sich auch anderen Sucht-Themen zu.

«Auch der Alkoholkonsum von Jugendlichen ist in den letzten Jahren stark angestiegen. Wir thematisieren das im Unterricht als gemeinsames Thema. Sexualität und die Aids-Problematik gehören ebenfalls dazu.»

Im Unterricht gelangt auch das Internet zum Einsatz. «feelok» ist ein internetbasiertes Computerprogramm, das fünf Themenbereiche fokussiert: Rauchen, Stress, Selbstvertrauen, Internet und Sexualität. «Ich habe mit der Klasse diese Seite besucht, da ich die Erfahrung gemacht habe, dass die Kinder privat diese Adresse nicht aufsuchen», sagt Schulthess. «Sind sie jedoch erst mal drin, findet der Inhalt ihr Interesse, und sie arbeiten mit.»

Erschreckende Zahlen

Aktionen gegen den steigenden Tabakkonsum von Jugendlichen sind nötig. Die Zahlen sprechen für sich: In der Altersgruppe der 15- bis 19-Jährigen erhöhte sich der Anteil der Rauchenden von 1992 bis 1997 von 23% auf 40%, während der Raucheranteil in der erwachsenen Bevölkerung nahezu stabil blieb.

Diese Zunahme lässt sich aber nicht nur mit dem Gruppendruck erklären. Gesicherte Antworten, weshalb immer mehr Jugendliche rauchen, gibt es nicht. So ist man auf Erklärungsversuche und Vermutungen angewiesen.

Ins Feld geführt werden mangelnde Zukunfts-Perspektiven, der relativ günstige Zigaretten-Preis in der Schweiz, die gesunkene Hemmschwelle oder die grössere Akzeptanz des Rauchens durch Erwachsene, die sich auch auf die Jugendlichen auswirkt.

swissinfo, Etienne Strebel

Das «Experiment NichtRauchen» findet bereits zum dritten Mal statt.
Teilnehmer 2003: 2592 Klassen, davon 2399 in der Deutschschweiz, 138 in der Westschweiz und 55 im Tessin

Stand 13. März 2003: 265 Klassen ausgeschieden, davon 21 nach Test

Hauptpreis: 20’000 Fr.

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