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«Open Forum»: Nestlé am Pranger

1999 lancierte UNO-Generalsekretär Kofi Annan in Davos die Initiative "Global Compact". Vertreter aus Politik und Wirtschaft sowie von NGOs zogen Bilanz.

Mit auf dem Podium und im Kreuzfeuer der Kritik: Nestlé-Chef Peter Brabeck.

«Wie können Unternehmen zum «Global Compact» beitragen?» Rund 300 Personen verfolgten am Freitag die Debatte der sieben Podiums-Teilnehmer.

Sowohl das Diskussionsthema – die Unternehmens-Verantwortung – als auch die Anwesenheit des Nestléchefs bot verschiedenen NGOs Anlass, das Vorgehen des Nahrungsmittelkonzerns in Ländern wie Äthiopien oder Kolumbien zu kritisieren.

Mit scharfen Worten verteidigte sich Nestlé-Chef Peter Brabeck: » Wir werden von Menschenrechts-Organisationen angeklagt, kolumbianische Mitarbeiter den Todesschwadronen auszuliefern. Doch wo sind diese, wenn Nestlé-Mitarbeiter umgebracht werden?»

Der Druck der NGOs

Der CEO von Nestlé fühlt sich dem «Global Compact» besonders verpflichtet und reagierte deshalb unwirsch auf ein Spruchband mit der Aufschrift: «Nestlé: Profit mit verfallenen Produkten und mit Repression.»

Als Beweis für die Unternehmens-Verantwortung seines Konzerns gab Brabeck während der Diskussion bekannt, Nestle sei am Freitag in einem 27 Jahre alten Gerichtsfall dem Staat Äthiopien sehr entgegengekommen. Zwar müsse der Staat Schadenersatz bezahlen, doch anstatt der 6 Mio. Dollar nur noch 1,5 Mio. Dollar.

Peter Brabeck: «Das Geld fliesst nicht in unsere Kasse, sondern geht an eine NGO in Äthiopien zur Finanzierung von Nahrungsmitteln.»

Der Nestlé-Chef musste jedoch zugeben, dass diese Regelung massgeblich durch den Druck seitens der britischen NGO Oxfam zustande gekommen war.

«Global Compact» umstritten

Die Initiative «Global Compact» ist nicht unumstritten. NGOs, Unternehmen und Regierungen streiten sich über die Verbindlichkeit des «Global Compact».

Die NGOs wollen eine internationale, sanktionierbare Regelung; die Unternehmen und viele Regierungen wollen den «Global Compact» nicht rechtlich regeln. Eine Bürokratisierung wäre einer schnellen und flexiblen Umsetzung nicht förderlich, so ihr Argument.

Einig war man sich auf dem Podium darüber, dass es klare, kontrollierbare Standards geben müsse, aber nicht darüber, wer diese definieren und kontrollieren soll.

Der «Global Compact» könne nicht die Probleme rund um die Globalisierung lösen, meinte der amerikanische Politologe John Ruggie, der die Initiative «Global Compact» 1999 mit ausgearbeitet hatte. Dafür sei der «Global Compact» eindeutig die falsche Plattform.

Schweiz sehr engagiert

Bundesrat Joseph Deiss, der ebenfalls an der Debatte teilnahm, äusserte sich zur besonderen Rolle der Schweiz bei der Gestaltung des «Global Compact»: «Der ‹Global Compact› wurde hier in Davos lanciert. Deshalb fühlen wir uns besonders eingebunden.»

Die Schweiz sei in der Diskussion rund um den «Global Compact» deshalb so engagiert, weil es hier überproportional viele multinationale Unternehmen gebe.

Joseph Deiss: «Die Schweiz hat ein Interesse an verantwortungsvollen Unternehmen. Denn das Image der Schweizer Multis fällt auf unser Land zurück.»

swissinfo-Sonderkorrespondentin, Elvira Wiegers

Das WEF will mit dem «Open Forum» einen kritischen Dialog zwischen Nichtregierungs-Organisationen (NGOs), Politikern und Unternehmen anbieten.

Beim «Global Compact» geht es insbesondere um Menschenrechts-Fragen und um die soziale Verantwortung globaler Unternehmen.

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