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Roche will Rekordpreis für Aids-Medikament

In den stark von Aids betroffenen afrikanischen Ländern wird Fuzeon in den nächsten Jahren nicht zum Einsatz kommen. Keystone

Das neue Medikament Fuzeon des Schweizer Pharmakonzerns Roche kostet das Doppelte herkömmlicher HIV-Medikamente.

Fuzeon eignet sich für Patienten, die auf die bisherigen Medikamente nicht mehr ansprechen. Es wird vorerst nur in den reicheren Ländern zum Einsatz kommen.

Fuzeon soll pro Patient und Jahr in Europa rund 28’000 Franken kosten. Es wird zweimal täglich gespritzt und muss lebenslang verabreicht werden.

Zulassungsgesuche für Fuzeon sind in der EU, den USA, Australien, Kanada und der Schweiz hängig. Das Medikament ist das erste einer neuen Klasse von Medikamenten und soll bei Patienten eingesetzt werden, die eine Resistenz gegen andere HIV/AIDS-Medikamente entwickelt haben.

Zunächst wird das Medikament nur Patienten in EU-Ländern zur Verfügung stehen. Roche rechnet mit der Marktzulassung von Fuzeon in Europa und den USA im März.

Zulassungshürden

Laut Peter Marbet, Sprecher von santésuisse, dem Dachverband der schweizerischen Krankenversicherer, muss ein neues Medikament zwei Hürden nehmen, ehe seine Bezahlung von den Krankenkassen übernommen wird:

“1. Ein Medikament muss in der Schweiz von der zuständigen Behörde, der Swissmedic registriert werden. Diese prüft, ob das Medikament sicher ist und es keine unzulässigen Nebenwirkungen verursacht.

2. Das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) legt fest, welche Medikamente kassenpflichtig sind und setzt den Verkaufspreis fest. Die Eidgenössische Arzneimittelkommission berät das BSV.”

Es gibt laut Marbet Aids-Medikamente, die ähnlich viel kosten wie Fuzeon. Für eine Multiple Sklerose-Behandlung mit der Interferon-Therapie werden zwischen 18’000 und 22’000 Franken pro Jahr veranschlagt.

Eindringen verhindern

Fuzeon, bekannt auch unter der Bezeichnung T20, zielt darauf ab, das HI-Virus am Eindringen in gesunde menschliche Immunzellen zu hindern, während die bisherigen Mittel im Innern der Zelle wirken. Roche entwickelte das Medikament zusammen mit Trimeris.

Roche begründete den hohen Preis des Medikamentes – Fuzeon ist teurer als jedes andere Aids-Medikament auf dem Markt – mit dem komplexen Herstellungsprozess. David Reddy, Chef des HIV-Geschäftes bei Roche, sagte, die Entwicklung von Fuzeon habe ohne Vermarktungsaufwendungen 840 Millionen Franken gekostet.

Mehr als die Hälfte der Entwicklungskosten wurden für klinische Versuche aufgewendet. Der Löwenanteil der Restsumme musste in die neuen Produktionsanlagen investiert werden. Die reinen Forschungskosten betragen lediglich etwa ein Prozent.

Äusserst komplexes Medikament

“Fuzeon ist in Bezug auf die Produktion das komplexeste Medikament, das die Pharmaindustrie je hergestellt hat”, sagt Roche-Sprecher Horst Kramer gegenüber swissinfo.

“Zur Herstellung sind mehr als 100 Produktionsschritte nötig. Um ein Kilogramm Fuzeon herzustellen, braucht es 45 Kilogramm sehr spezieller Rohmaterialien. Die Komplexität der Ausgangsstoffe, der aufwändige Produktionsprozess sowie die hohen Kosten der klinischen Prüfung sind für die hohen Kosten des Medikaments verantwortlich” erklärt Kramer weiter.

Nicht für Afrika vorgesehen

David Reddy erklärte, wegen der hohen Herstellungskosten sei Fuzeon nicht für den Markt in Afrika in Betracht gezogen worden. Afrika ist der von Aids am schlimmsten betroffene Teil der Welt.

Roche und andere Pharmakonzerne haben sich in den letzten Jahren dem Druck von Hilfsorganisationen sowie dem drohenden Einsatz von billigeren Generika gebeugt und die lebensverlängernden Aids-Medikamenten-Preise für afrikanische und arme Länder gesenkt.

Roche gab kürzlich bekannt, das Präparat Viracept in gewissen Entwicklungsländern künftig zum Selbstkostenpreis abzugeben.

Milliardenmarkt

Roche rechnet bis Ende 2003 mit 3500 klinischen Versuchen und 12’000 bis 15’000 Früh-Abgaben. Horst Kramer: “2005 sollten ungefähr 40’000 Personen Fuzeon anwenden.”

Für Patrick Burgermeister, Analyst bei der Zürcher Kantonalbank, liegt der Preis deutlich über den Erwartungen. Er zeige, dass die beschränkte Menge, die produziert werden könne, in den Industrieländern zu einem möglichst hohen Preis abgesetzt werden solle.

Roche erhofft sich einen jährlichen Fuzeon-Umsatz von bis zu einer Milliarde Franken.

swissinfo, Etienne Strebel

Roche hat den Preis seines neuen Aids-Medikaments auf 52 Euro (76 Franken) pro Tag fixiert.
Fuzeon ist für Patienten, die auf andere Aids-Medikamente nicht mehr reagieren.
Roche sagt, dass die hohen Kosten vom komplexen und teuren Produktionsprozess rühren.
Roche rechnet mit einem Jahresumsatz bis 1 Mrd. Franken.

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