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Schweizer Solarprojekt wieder auf Kurs

Gleiswartungs-Waggon
Die Solarmodule können manuell oder maschinell mit einer speziell von Scheuchzer SA entwickelten Bahnmaschine installiert werden. Das Unternehmen behauptet, dass es bis zu 1000 m2 Solarmodule pro Tag installieren kann. Sun-Ways

Die Schweizer Behörden haben einem dreijährigen Pilotprojekt grünes Licht erteilt, abnehmbare Solarmodule auf Bahnstrecken in der Westschweiz zu installieren. Diese einzigartige Technologie stösst auch in anderen Ländern auf Interesse.

Sun-WaysExterner Link, ein kleines Schweizer Startup, bestätigte Anfang Oktober, dass nach zehn Monaten, in denen Prototypen gebaut, getestet, Ergebnisse gemessen und von Sachverständigen bewertet wurden, das Schweizer Bundesamt für Verkehr der Firma nun die Erlaubnis erteilte, ihre Technologie auf einer für den Verkehr freigegebenen Bahnstrecke im Kanton Neuenburg zu testen.

Vom Frühjahr 2025 an wird das Unternehmen die abnehmbaren Solarpaneele auf einem 100 Meter langen Streckenabschnitt installieren, der von «transN» betrieben wird, der öffentlichen Verkehrsgesellschaft des Kantons Neuenburg.

Für eine zunächst dreijährige Testphase werden 48 Paneele auf Schwellen zwischen den Schienen eingefügt. In Kombination mit einer elektrischen Infrastruktur können sie den Solarstrom in das lokale Netz einspeisen. Das Budget für die Testphase liegt bei 585’000 Schweizer Franken.

Externer Inhalt

Dies ist eine Weltneuheit, sagt Sun-Ways-Geschäftsführer Joseph Scuderi. «Es ist das erste Mal, dass Solarmodule zwischen Schienen installiert und Züge über sie hinwegfahren werden», sagte er SWI swissinfo.ch.

Die Idee, Solarmodule entlang von Bahnstrecken zu installieren, ist nicht neu. Zwei andere Unternehmen, Italiens Greenrail and Englands Bankset Energy haben bereits auf Eisenbahnschwellen installierte Photovoltaik-Elemente getestet.

Doch Sun-Ways hat als erste Firma in Zusammenarbeit mit Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL) ein entfernbares System patentieren lassen.

Die Solarmodule des Unternehmens können per Hand oder maschinell eingefügt werden, letzteres mithilfe einer speziellen Bahntrassen-Maschine der Gleiswartungsfirma Scheuchzer SA.

1000 m2 Solarmodule sollen so täglich installiert werden können. Jedes Element der Solaranlage lässt sich für Wartungsarbeiten rasch entfernen.

Gleisstrecke
Sun-Ways wird seine Technologie ab Frühjahr 2025 auf einer für den Verkehr freigegebenen Bahnstrecke bei Buttes im Kanton Neuenburg in der Westschweiz testen. Sun-Ways

«Die Module können jederzeit abgenommen werden, um zu schweissen, einen Bolzen zu entfernen oder Schwellen auszutauschen», sagt Scuderi.

+ So soll eine klimaneutrale Schweiz 2050 aussehen

Der Unternehmer ist erleichtert. Noch im vergangenen Sommer stand sein Projekt ernsthaft auf der Kippe. Die Verkehrsbehörde hatte Sun-Ways› Antrag als Vorsichtsmassnahme abgelehnt, da das Unternehmen keine technischen Referenzen über die vorgeschlagene Solartechnologie vorlegen konnte.

Doch nachdem Sun-Ways spezielle Prototypen und zusätzliche technische Berichte präsentierte, kann die Testphase nun beginnen.

Pilotprojekte auf der ganzen Welt

Das internationale Interesse an der Sun-Ways-Technologie wächst. «Manchmal bin ich ein wenig überwältigt von den Ereignissen», sagt Scuderi. «Es geht wirklich rasant voran.»

Nachdem seine Firma in Frankreich Innovationspreise für Startups gewonnen hatte, nahm dort ein Pilotprojekt mit der staatlichen Eisenbahngesellschaft SNCF Form an.

Sun-Ways ist an ähnlichen geplanten Projekten in Südkorea, Spanien und Rumänien beteiligt. Mit potenziellen Partnern in China, Thailand, Australien und den USA sind Gespräche im Gang.

Gleis mit Solarpanels in der Mitte
Das Waadtländer Startup-Unternehmen musste mehrere Prototypen entwickeln, um das Bundesamt für Verkehr (BAV) zu überzeugen, das Pilotprojekt zu bewilligen. Sun-Ways

In der Schweiz hat das Unternehmen auch ein Solarmodul-System für private Schienenstrecken entwickelt, die zu Lagerhallen oder Industrieanlagen führen.

Die Gemeinde Aigle im Kanton Waadt hat einer Machbarkeitsstudie zugestimmt, im Rahmen derer auf einem 1500 Meter langen privaten Schienenabschnitt, der zu einem Industriegebiet führt, Solarmodule installiert werden sollen.

Das Potenzial, Strom ins Netz einzuspeisen

Welchen Nutzen für die Umwelt könnte die Solar-Schienen-Technologie haben? Laut Sun-Ways könnten auf sämtlichen 5317 Kilometern des Schweizer Bahnnetzes Solarmodule installiert werden. Dadurch könnte das nationale Schienennetz bis zu 1 Terawattstunde (TWh) Solarenergie pro Jahr produzieren, das wären rund 2% des Schweizer Strombedarfs.

+ Die Autobahn als Stromlieferantin

BAV-Sprecher Mark Siegenthaler kann diese langfristige Schätzung von Sun-Ways nicht bestätigen. Doch die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien im Umfeld der Schienen-Infrastruktur sei «zu begrüssen», sagt er gegenüber SWI swissinfo.ch.

Die Priorität liege darin, so Siegenthaler, dass Sun-Ways und «transN» in dem dreijährigen Pilotprojekt Erfahrungen über wesentliche Aspekte sammeln, zum Beispiel darüber, wie die Strecke auf Abnutzung und Verschleiss reagiere sowie hinsichtlich der Herausforderungen, das Schienensystem instand zu halten und zu überwachen.

+ Die Sonnenkraft vom Bahntrassee

Im vergangenen Jahr wies der Internationale Eisenbahnverband gegenüber SWI swissinfo.ch auf potenzielle Probleme hin, wie Mikrorisse in den Solarmodulen, ein erhöhtes Brandrisiko entlang der Schienen und zusätzlich durch die Paneele reflektierten Lärm.

Scuderi betont, seine Initiative befinde sich noch in der Pilotphase. «Wir werden ohne Zweifel noch viel lernen, um die Technologie zu verbessern.»

Die Förderung der Solarenergie beschleunigen

Einer der Hauptpunkte der Netto-Null Strategie der Schweiz ist es, die Sonnenenergie stärker zu nutzen. Bis 2050 wollen die Behörden 45 Terawattstunden Solar- und Windenergie erzeugen. Das ist sieben Mal so viel wie 2023.

Erst kürzlich hat die Schweiz ein Gesetz verabschiedet, um die Verbreitung von Solaranlagen landesweit zu beschleunigen. Die Schweizer Regierung unterstützt die Installation von Solarmodulen auf einer Reihe von Oberflächen, von Dächern bis hin zu Autobahnen, und selbst auf Alpwiesen.

Wie in zahlreichen anderen Ländern auf der ganzen Welt ist der Schweizer Photovoltaik-Markt stark gewachsen. Seit 2020 stieg die Menge der aus Sonnenkraft gewonnenen Elektrizität um jährlich mehr als 40%.

«Der Ausbau der Solarenergie deckt jedes Jahr zusätzliche 2-3% des Strombedarfs in der Schweiz ab. Neben der Wasserkraft wird die Solarenergie so zur zweiten Säule unserer Energieversorgung. Trotz wachsenden Energieverbrauchs wird die Solarenergie bis 2050 50% des jährlichen Strombedarfs decken können», sagt Matthias Egli, Geschäftsführer von Swissolar, dem Schweizer Fachverband der Solarbranche.

Die Schweiz holt auf

Doch trotz der Aufholjagd hinkt die Schweiz nach wie vor anderen europäischen Ländern hinterher.

Laut einer im Mai veröffentlichten Studie der Schweizerischen Energie-Stiftung, welche die Solar- und Windkraftproduktion pro Kopf in Europa untersuchte, liegt die Schweiz auf Platz 22, knapp vor Malta, Rumänien, der Tschechischen Republik, Slowenien, der Slowakei und Lettland.

Im Bereich der Solarstromerzeugung wird die Schweiz deutlich von nordeuropäischen Ländern übertroffen, die eine geringere Sonneneinstrahlung haben.

So führten die Niederlande im vergangenen Jahr mit einer im Vergleich zur Schweiz doppelt so grossen Solarenergieproduktion pro Kopf die Liste an. Auch Deutschlands Solarerstromzeugung pro Kopf übersteigt jene der Schweiz.

Das Problem liegt laut der Schweizerischen Energie-Stiftung in den gesetzlichen Rahmenbedingungen der Schweiz. «Die finanziellen und planerischen Risiken für Investitionen in Wind- und Solaranlagen sind zu hoch», schrieb sie im Mai.

Neue Gesetze wie das im Mai von der Bevölkerung befürwortete Stromgesetz sollen der Nutzung erneuerbarer Energien einen Schub verleihen und dazu beitragen, «verbindliche Ziele und investitionsfreundliche Rahmenbedingungen» sicherzustellen, so die Stiftung.

Übertragung aus dem Englischen: Petra Krimphove

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