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Startschuss für neues Klimaschutz-Abkommen

Umweltminister Moritz Leuenberger hämmert seinen Vorschlag für eine weltweite CO2-Steuer ein. Keystone

Die Weltklimakonferenz hat eine Einigung erzielt. Vertreter von über 180 Ländern verständigten sich in Bali auf das Verhandlungsmandat für einen neuen Weltklimaschutz-Vertrag.

Für Umweltminister Moritz Leuenberger ist das Resultat der UNO-Klimakonferenz vom Samstag besser als erwartet. Er verwies auf die Einbindung von Nicht-Kyoto-Ländern wie die USA und die Einigung auf einen Verhandlungsfahrplan.

Die UNO-Konferenz mit 11’000 Teilnehmern hatte 13 Tage lang über das Verhandlungsmandat gestritten. Das fünfseitige Papier legt nun bereits einige Grundlagen für das kommende Abkommen, das 2009 fertig sein soll.

Ziel ist eine drastische Verminderung der Treibhausgase, um die Erwärmung der Erde zu bremsen.

Konferenz blockiert

Zuletzt hatte ein Streit über die Anstrengungen der Entwicklungsländer beim Klimaschutz die Konferenz stundenlang blockiert. China und Indien hatten Einwände gegen einen Kompromissvorschlag vorgebracht, der in der Nacht auf Samstag ausgehandelt worden war.

Die Verhandlungen wurden unterbrochen, weil die chinesische Delegation geltend machte, dass die Verhandlungen in der Gruppe der Entwicklungs- und Schwellenländer (G-77) noch nicht abgeschlossen seien. Die indische Delegation erklärte, die in dem Entwurf enthaltene Passage über Pflichten der Entwicklungsländer beim Klimaschutz sei so nicht abgestimmt und machte einen Alternativvorschlag.

Bewegung dank UNO-Generalsekretär

Bewegung war nach der Rede von UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon in die festgefahrene Situation gekommen. Die Welt warte auf einen Durchbruch, sagte Ban. «Ganz ehrlich, ich bin enttäuscht über das Niveau des Fortschritts, der hier gemacht wurde.» Der in der Nacht ausgehandelte Kompromissvorschlag sei überzeugend und sollte nicht weiter blockiert werden. Jeder müsse bereit sein zum Kompromiss.

Die EU stellte sich ausdrücklich hinter den Kompromiss. Darin fehlt allerdings das von der EU geforderte Ziel, dass Industriestaaten ihre Treibhausgase bis 2020 um 25 bis 40% vermindern sollen. Stattdessen gibt es nur einen Hinweis auf die Ergebnisse des Klimarats (IPCC), der diese Zielmarke nennt, sowie eine Fussnote mit der Fundstelle.

Ein zufriedener Schweizer Umweltminister

Umweltminister Moritz Leuenberger hat sich nach der Einigung an der Klimakonferenz in Bali zufrieden gezeigt. Die Hauptziele seien erreicht worden, sagte er. Man habe sich auf einen verbindlichen Zeitplan geeinigt, und vor allem würden alle Länder mitmachen, auch die USA, Brasilien und China, die bei Kyoto nicht dabei gewesen seien.

Beeindruckt hat den Umweltminister, dass die USA zum Umdenken gebracht werden konnten. «Es war berührend, wie die Weltgemeinschaft die USA emotional in die Pflicht genommen hat», sagte Leuenberger. Innerhalb einer halben Stunde habe Amerika wegen der Buhrufe im ganzen Saal und der scharfen Worte seine Meinung geändert.

Kein Papiertiger

Der Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) zeigte sich zudem überzeugt, dass die «Bali Roadmap» nicht zu einem Papiertiger werde, «wenn im gleichen konstruktiven Sinn weitergemacht wird».

Dass die Länder unterschrieben hätten, zeige auch deren Willen, etwas zu machen. Es stehe aber noch viel Arbeit bevor.

Leuenbergers Plan

Leuenberger hatte in Bali einen Vorschlag zu einer Finanzierungsabgabe über die CO2-Emissionen gemacht. «Er berücksichtigt darin industrialisierte und nicht- oder wenig industrialisierte Länder», erklärte Elisabeth Maret, Informationsbeauftragte im Bundesamt für Umwelt, gegenüber swissinfo.

«Die Finanzierungsabgabe beruht wie eine ’normale› CO2-Abgabe auf dem Verursacherprinzip, aber auch auf Solidarität und Selbstverantwortung.»

Gemäss Leuenbergers Vorschlag sollen die industrialisierten Länder zwei Dollar pro Tonne ausgestossenes CO2 in den Fonds einzahlen, die anderen nur einen Dollar. Die reichen Länder könnten 50% der Abgaben behalten, die armen Länder 90% für Klimaschutz-Aufgaben einsetzen.

Leuenberger schätzt, dass mit diesem System bis 47 Mrd. Dollar pro Jahr zusammenkommen könnten.

Kritik von Umweltorganisationen

Umweltorganisationen begrüssten die Weichenstellung von Bali, kritisierten aber eine zu geringe Substanz. Der WWF sprach von einem «hart erkämpften Kompromiss». Mehr sei nicht möglich gewesen, «weil die USA ein Klotz am Bein waren».

Für Greenpeace ist das Resultat der UNO-Klimakonferenz eine Enttäuschung. Mit dem Verzicht auf verbindliche Reduktionsvorgaben für Industriestaaten im Verhandlungsmandat habe man die Empfehlung des Weltklimarates ignoriert, rasch zu handeln.

Das schwache Verhandlungsergebnis zeigt laut Greenpeace auch, dass die Entwicklungsländer sich nicht zu Klimaschutzverpflichtungen zwingen lassen, solange sie nicht von den Industrieländern substanzielle Zugeständnisse zur Reduktion ihres eigenen Treibhausgasausstosses erhielten.

Die Organisation warf den USA vor, «skrupellos das Konsens-Prinzip der Klimaverhandlungen missbraucht und echte Fortschritte behindert» zu haben.

Das Mandat bereite aber immerhin den Weg für ein Nachfolgeprotokoll zu Kyoto, das strengere Reduktionsziele vorsieht, so Greenpeace.

swissinfo und Agenturen

1992: Am Weltgipfel in Rio de Janeiro wird die erste UNO-Rahmenkonvention über Klimaveränderungen (UNFCCC) unterzeichnet.

1997: Am 11. Dezember wird in Japan das Kyoto-Protokoll genehmigt. Es ist das erste Abkommen, das konkrete Massnahmen zur Verlangsamung der Klimaveränderungen beinhaltet.

2005: Im Februar tritt das von 130 Ländern ratifizierte Kyoto-Protokoll in Kraft.

2007: Vom 3. bis 15. Dezember findet auf der indonesischen Insel Bali die 13. UNFCCC-Konferenz statt. Sie einigt sich auf ein Verhandlungsmandat für einen neuen Weltklimaschutz-Vertrag. Das Papier legt einige Grundlagen für das kommende Abkommen, das 2009 fertig sein und zur Reduktion der Treibhausgase ab 2012 führen soll.

Mit dem von bisher 170 Ländern ratifizierten Kyoto-Protokoll verpflichten sich die Industriestaaten, ihre CO2-Emissionen zwischen 2008 und 2012 um mindestens 5% im Vergleich mit 1990 zu reduzieren. Die EU-Staaten und die Schweiz haben sich auf eine Reduktion von 8% verpflichtet.

Diese Ziele können durch umweltpolitische Massnahmen im eigenen Land (erneuerbare Energien, Steigerung der Energieeffizienz) oder durch Kompensierung der Emissionen im Ausland verfolgt werden.

Auf diesem Weg können sich die Industriestaaten Emissionszertifikate von Ländern erkaufen, die weniger CO2-Ausstoss produzieren als ihnen gemäss Vorgaben des Kyoto-Protokolls erlaubt wäre.

Die Kompensierungs-Massnahmen können auch durch die Unterstützung von umwelttechnologischen Projekten in Entwicklungsländern realisiert werden.

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