Steine des Himmels
Ein Berner Forscherteam hat in Oman einen Meteoriten entdeckt, der genau aus dem rechten Auge des "Mannes im Mond" stammt. Ein einzigartiger Fund.
Das Schweizer Forschungs-Unternehmen ist das einzige offizielle Projekt dieser Art in Oman – mit Sonderbewilligung des Sultans.
Der Fund hat weltweit für Aufsehen gesorgt: Eine Gruppe von Wissenschaftern unter Leitung von Edwin Gnos (Institut für Geologie der Universität Bern) und Beda Hofmann (Naturhistorisches Museum Bern) hat in der Wüste von Oman in jahrelanger Arbeit rund 70 Meteoriten gefunden und nun einen davon dem Mond zuordnen können.
Vom Auto aus entdeckt
Das ist speziell, weil Brocken, die vom Mond stammen, überaus selten sind. Der Meteorit war Gnos und zwei Kollegen im Jahr 2002 auf der Fahrt durch die riesigen Kalksteinwüsten aufgefallen.
«Wir haben den Stein zuerst vom Autofenster aus gesehen und sind dann ausgestiegen, um ihn genauer in Augenschein zu nehmen. Er sah ungewöhnlich aus. Wir waren anfangs jedoch nicht sicher, ob es ein Meteorit war oder nicht», berichtet Gnos.
Bei Analysen gelang es schliesslich, die aufregende Geschichte des Mondmeteoriten Sayh al Uhaymir 169, kurz «SaU 169», nachzuvollziehen.
Ein besonderes Stück
Der 206 Gramm schwere, rundliche und graugrüne Stein entpuppte sich als ganz besonderes Stück: Unter den nur gerade 30 bekannten Mondmeteoriten ist der gefundene «SaU 169» einzigartig, weil er aussergewöhnlich hohe Konzentrationen der radioaktiven Elemente Uran und Thorium aufweist und damit der radioaktivste aller bekannten Meteoriten ist.
Anhand dieser Eigenschaften konnte die Herkunft auf dem Mond auf das riesige Einschlagbecken Mare Imbrium auf der zur Erde gewandten Seite, auf das «rechte Auge» des «Mannes im Mond» eingeschränkt werden.
Nur dort hatten amerikanische Mondforschungsonden ähnlich hohe Thorium-Konzentrationen gemessen. «SaU 169» ist damit sogar der erste Mondmeteorit, dessen Herkunft Geologen exakt lokalisieren können.
Der Beginn lebensfreundlicher Bedingungen
Über das uranreiche Mineral Zirkon konnte der Stein auch genau datiert werden. Mit 3909 Millionen Jahren ist es das genaueste bekannte Alter des Mare Imbrium.
Damals stürzte – zum letzten Mal nach einem Millionen Jahre dauernden «Bombardement» im inneren Sonnensystem durch Asteroiden – ein 50 Kilometer grosser Himmelskörper auf den Mond und schlug den riesigen Einschlagkrater.
Danach war Ruhe, auch auf der Erde, und ab diesem Zeitpunkt war Leben auf der Erde möglich. «Der Stein datiert also sozusagen den Beginn lebensfreundlicher Bedingungen auf der Erde», halten die Forscher fest.
Landung in der Wüste vor 10’000 Jahren
Vom Mond weggeschleudert wurde der Stein jedoch nicht bei der Entstehung des Mare Imbrium, sondern erst viel später.
Der Stein wurde nach Aussagen der Forscher von drei weiteren Einschlägen auf dem Mond getroffen, der letzte schleuderte ihn vor rund 340’000 Jahren ins All. Dort fing ihn schliesslich die Schwerkraft der Erde ein, und er stürzte vor weniger als 10’000 Jahren in eine Wüste des heutigen Oman.
Der Mond-Stein ist bereits seit Ende November 2003 Teil der Ausstellung
«Ping-Pong im All» im Naturhistorischem Museum Bern und noch bis Ende September zu sehen.
«Sayh al Uhaymir 094»
Neben Mondgestein sind an der Ausstellung weitere Fundstücke zu sehen. Darunter auch der Mars-Meteorit des Geologen Marc Hauser, der bereits vor dem Meteoriten-Projekt in Oman tätig war, unter anderem für Landvermessungen.
Dank einer 35-jährigen Kooperation mit dem liberalen Sultanat konnte die Schweiz im Frühjahr 2001 das erste offizielle Meteoriten-Projekt in der geologischen Fundgrube Oman realisieren.
Kurz nach Beginn der Suchkampagne wurde dem Team ein sensationeller Fund beschert:
Marc Hauser fand ein Stück Mars, 223 Gramm schwer – ein ausserirdisches Stück Materie, das den Namen «Sayh al Uhaymir 094» erhielt und wohl Jahrmillionen unterwegs war vom Roten Planeten auf unsere Welt.
Der Geologe erinnert sich noch gut an seinen ersten ausserirdischen Fund: «Hier ist er als Nummer 211 in meinem Notizbuch eingetragen: Es war am 6.2.2001 um 13.40», hatte Hauser letzten Herbst gegenüber swissinfo erklärt.
Auch dieser Zeuge unseres Nachbarplaneten wurde in einem aufwändigen Verfahren auf Alter und Beschaffenheit untersucht.
Fremdkörper in der Wüste
Oman wird von ausserirdischen Gesteinsbrocken nicht etwa häufiger «heimgesucht» als andere Gegenden, nur sind sie im dortigen Wüstengelände leichter zu finden als etwa in den Schweizer Alpen.
«Oman ist eines der besten Gebiete, da es grosse Flächen aufweist, die sich über lange Zeit wenig verändert haben», betont Marc Hauser.
Unsere ewig zurückliegende Entstehung
Der Geologe Hauser ist fasziniert von seiner Arbeit. Er arbeite lieber als Feldforscher als im Labor.
«Meteoriten, eigentlich Sternschnuppen, die es geschafft haben, auf unsere Erde zu fallen, geben uns Hinweise über die Entstehungsgeschichte unseres Sonnensystems.»
Meteoriten würden mithelfen zu erklären, wie und was sich vor etwa 5 Milliarden Jahren abgespielt habe. «Es sind faszinierende Boten aus dem All.» Manchmal verspüre er zwar auch den Wunsch, diese ausserirdischen Zeugen einfach liegen zu lassen.
swissinfo
Meteorit: Restteil eines Körpers, der in die Erdatmosphäre eingedrungen ist und den Erdboden erreicht hat.
Meteoriten sind in der Regel magnetisch.
Meteoriten von Mond, Mars oder Erde sind nicht magnetisch.
1 Gramm Marsmeteorit kostet 1000 Dollar.
1 Gramm Mondmeteorit 30 bis 40 Dollar.
Ein Meteorit braucht vom Mars zur Erde 700’000 – 20 Mio. Jahre.
Auch in der Schweiz sind Meteoritenfunde bekannt (u.a. Twannberg, Utzenstorf, Ulmiz).
Die Universität Bern ist seit 35 Jahren in Oman tätig.
Das Meteoritenprojekt des Geologischen Instituts der Uni Bern, des Naturhistorischen Museums Bern und des Handelsministeriums von Oman begann 2001.
Es wird noch bis 2004 vom Schweizerischen Nationalfonds unterstützt.
Studenten aus Oman sind in Projekte an der Uni Bern integriert.
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