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Tuareg: Nomaden-Romantik in Neuenburg

Der Blick des Nomaden schweift über den Wüstenhorizont hinweg. MEN

Das ethnografische Museum Neuenburg offeriert den Besuchern zum Beginn der 100-Jahr-Feiern die Wanderausstellung "Tuareg - Nomaden der Wüste".

Neben dieser herkömmlichen Sammlung heckt das als unkonventionell bekannte Museum für sein Jubiläumsjahr allerlei Überraschungen aus.

Schon das Plakat lässt auf den Grundtenor der Ausstellung schliessen: Es zeigt einen Tuareg-Krieger mit Turban. Blaue Wüsten-Männer mit tiefem und durchdringendem Blick.

Die neuste Ausstellung in Neuenburg wird dem Klischee in allen Tonlagen gerecht: Kamelsättel, Waffen, Schmuck, Zelte aus Ziegenfell. Die Schau «Tuareg, die Wüstennomaden» ist gewollt konventionell aufgezogen.

Nostalgischer Blick auf alte Ausstellungstechniken

«Für das Jubiläumsjahr fanden wir diesen Kontrast zur Art und Weise, wie wir üblicherweise Ausstellungen gestalten, angebracht», sagt der Museumskonservator Jacques Hainard gegenüber swissinfo.

«Mit Schalk soll diese Tuareg-Ausstellung auch an vergangene museale Zeiten erinnern, als man all die Objekte nostalgisch präsentierte», sagt Hainard. «In einer Art Schwanengesang auf die gesellschaftlichen Lebensformen, die von den Ethnologen untersucht worden waren.»

Das Bild, das in Neuenburg von den Tuaregs gezeichnet wird, liegt demnach näher am Klischee als an der zeitgemässen Wirklichkeit. So geht beispielsweise die Ausstellung auf die behördlichen Bemühungen gar nicht ein, die Tuaregs von ihrem Nomadenleben abzubringen und fest anzusiedeln.

Reisekatalog-Bild als Retro-Kulturgut?

«Die Ausstellung reflektiert eher unser eigenes, rückwärtsgewandtes Bild, das wir von den Tuaregs bewahrt haben», sagt Hainard. «Damit nähern wir uns den Allgemeinplätzen, die von den Traumfabriken und den Reiseveranstaltern vermittelt werden.

Obwohl der Zugang des Konservators zur Ethnografie völlig im Gegensatz zu diesem Klischee steht, gibt sich Jacques Hainard gutmütig und erscheint darüber sogar etwas amüsiert.

«Damals glaubte man wirklich, dass solche Kollektionen von Exponaten uns die fernen Völker näher bringen», so Hainard. Heute zeige sich jedoch, dass die Ethnologen ihre Recherchen sehr wohl durchführen können, auch ohne die entsprechenden Kulturgüter zu uns transportieren zu müssen.

Schlüsselfrage Kulturgüter-Handling

Das führe zur Schlüsselfrage, was man mit den Kulturgüter-Sammlungen der anderen eigentlich tun soll. Laut Hainard sollten sich das alle Museen einmal überlegen. Das ethnografische Museum in Neuenburg (MEN) seinerseits hatte sich dazu entschlossen, seine reiche Kollektion in Umlauf zu bringen.

So lieh es den spanischen Gestaltern der Ausstellung «Tuareg, Nomadas del desierto» 260 Tuareg-Objekte Die Neuenburger Kollektion geht auf Jean Gabus, den Vorgänger von Hainard zurück. «Es handelt sich um eine wichtige Sammlung», sagt Hainard. «Man könnte damit in Neuenburg beinahe à la Tuareg leben. Es fehlen uns nur noch etwas Sand und ein paar Kamele!»

Die Kollektion war seit Herbst 2001 während 26 Monaten in ganz Spanien zu sehen, wo sie insgesamt 200’000 Besucherinnen und Besucher anzog. Nun beenden die 260 Ausstellungsstücke ihre Tournée im Museum von Neuenburg.

Eingeborenen-Hütten und Ethno-Musik

Wie stark sich die Perspektive in der Ethnografie ganz allgemein geändert hat, zeigt sich daran, dass am Einweihungsfest im Juli 1904 der damalige Konservator Charles Kneipp allen Ernstes den Wunsch äusserte, im Museums-Ethnopark Hütten aufzustellen, um dort echte «Eingeborene» leben zu lassen.

Genau 100 Jahre später soll nun sein Wunsch in Erfüllung gehen. Die Theatergruppe «Caméléon» wird während der Jubiläumsfeier ein Spektakel aufziehen. Darin wird aufgezeigt, wie sich das reiche Abendland das Leben der «Wilden» vorstellt.

Dazu wird es ein ethnisch inspiriertes Musikprogramm geben, welches das Museum in einen Musik-Club umfunktioniert.

swissinfo, Alexandra Richard, Luigi Jorio
(Aus dem Französischen von Alexander Künzle)

Die Tuareg-Ausstellung zeigt das Leben dieser Nomaden, die ursprünglich als Hirten und Händler in einer riesigen Region in der westlichen Sahara und im Sahel-Gebiet lebten.

Aufgeteilt in vier Räume illustrieren die Objekte verschiedene Aspekte des täglichen Lebens der Tuareg: Ihre Geschichte, ihre Wirtschaft, ihren Alltag und ihr Handwerk.

Die 260 Objekte des Neuenburger Museums stammen aus der Sammlung von Jean Gabus, dem Vorgänger des jetzigen Konservators Jacques Hainard.

Als weitere Höhepunkte des Jubiläumsjahrs sind auch Theateraufführungen, Konzerte, Filme und Podien vorgesehen.

Die offizielle 100-Jahr-Feier findet am 15. Mai statt.

«Tuareg. Nomadas del desierto» ist eine mit spanischem Geld finanzierte und mit 260 Objekten aus dem ethnografischen Museum Neuenburg ausgestattete Wanderausstellung.

Sie wurde 2001 in Sevilla eröffnet, und während ihrer 26 Monaten Wanderschaft durch Spanien von 200’000 Leuten besucht.

In Neuenburg ist sie bis zum 18. April zu sehen.

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