Wenn Bilder lügen
Seit es Bilder gibt, werden sie manipuliert. Eine Ausstellung im Berner Museum für Kommunikation zeigt über 300 Beispiele von gefälschten oder veränderten Bildern und deckt die Hintergründe auf.
So wird zum Beispiel gezeigt, wie eine Wasserlache vor dem Hatschepsut-Tempel im ägyptischen Luxor nach dem Massaker an Touristen plötzlich zur Blutlache wurde.
Das Bild hatte im November 1997 für viele Schlagzeilen und heftige Diskussionen über die Macht der Bilder gesorgt.
Bei dem Massaker in Luxor waren 62 Menschen ermordet worden, darunter 36 Schweizerinnen und Schweizer.
Nach der Tragödie hatten sowohl die Boulevardzeitung Blick wie auch das Schweizer Fernsehen unabhängig voneinander das Wasser, das auf dem Bild aus dem Tempel fliesst, rot einfärben lassen.
Die Manipulation flog rasch auf, und die beiden Medien mussten sich entschuldigen. Doch nicht immer fallen Manipulationen sofort auf.
«Es kann sein, dass es sich um amüsante Beispiele handelt, die zum Schmunzeln anregen und über die man gut lachen kann», sagt Ulrich Schenk, Ausstellungsmacher im Museum für Kommunikation. «Aber es kann auch sein, dass man mit gefälschten Bildern Leute kaputtmachen kann, dass man Menschen schaden kann.»
Gezeigt wird dies am Beispiel des ehemaligen Schweizer Botschafters in Deutschland, Thomas Borer. Ihm wurde eine Affäre angedichtet, die mit getürkten Bildern in der Boulevardpresse breitgetreten wurde.
Borer kostete die Geschichte den Job. Später entschuldigten sich die Medien bei ihm, doch das Geschirr war bereits zerbrochen.
Keine Bären aufbinden
Dies sind nur zwei der unzähligen Beispiele, die das Museum für Kommunikation in der Wanderausstellung «Bilder, die lügen» zeigt.
Von A wie Aktuell über I wie Ikone bis Z wie Zukunft buchstabiert die Ausstellung alle Möglichkeiten durch, wie Leserinnen oder Zuschauer mit Bildern an der Nase herumgeführt werden.
«Es geht darum, dass wir unser Publikum sensibilisieren möchten, dass sie Bilder sorgfältig unter die Lupe nehmen, hinterfragen, nach den Machtverhältnissen fragen, die hinter Bildern stehen können», betont Kurator Schenk.
Es sei wichtig, sich zu fragen, woher diese Bilder kommen, wer sie zeige und welche Absichten dahinter stehen würden. «Dass ich Bilder genauso hinterfrage wie ich mir das von Texten gewohnt bin. Das heisst auch, dass man da Zeit investieren muss.»
Und diese Zeit wollen anscheinend viele Leute aufwenden. Das Interesse an der Ausstellung ist gross. «Die Rückmeldungen sind sehr gut und es ist interessant, zu sehen, dass die Leute wirklich auch ein Bedürfnis haben, sich damit zu beschäftigen», so Schenk.
«Seit es Bilder gibt»
Zu sehen gibt es auch unzählige Bilder aus der Zeit der russischen Revolution. Der Diktator Stalin liess aus den historischen Bildern mit der Zeit immer mehr Leute entfernen, die ihm nicht mehr genehm waren.
Gehört die Fälschung also seit Beginn zur Fotografie? «Ich würde sogar noch weiter gehen», sagt Ulrich Schenk: «Die Bildfälschung oder Bildinterpretation gehört dazu, seit es Bilder gibt.»
Als Beispiele nennt er Gemälde von Königinnen oder Königen, die von ihren Malern in ein besseres Licht gerückt oder verschönert wurden.
Moderne Technik
Heute sei dies mit dem Computer natürlich viel einfacher geworden. Und Fotoapparate böten auch immer ausgefeiltere Möglichkeiten an.
«Vielleicht werden bald schon automatisch irgendwelche Pickel entfernt oder Falten aus dem Gesicht wegmanipuliert, damit wir schön jung und knackig aussehen. Ich bin gespannt, was da passiert in den nächsten Jahren.»
Dagegen, dass alle schön aussehen möchten, gebe es natürlich nichts einzuwenden, meint Schenk. «So lange man das auch klar deklariert.»
Erfolgreiche Bilderschau
Entwickelt wurde die Ausstellung vom deutschen Haus der Geschichte. Die Bilderschau, die im nördlichen Nachbarland grossen Erfolg hatte, wurde um Schweizer Themen erweitert. Schenk musste nicht lange suchen.
«Ich war selber ein wenig erstaunt, wie ‹einfach› sich das angelassen hat, weil es auch in der Schweiz unzählige Beispiele gibt», sagt er. «Wir hatten da in recht kurzer Zeit ein sehr breites Spektrum an spannenden, lustigen, erschütternden Beispielen, die wir in der Ausstellung zeigen wollten.»
Die Spannweite reicht von einem wegretuschierten Bierhumpen des Fahrers bei der Eröffnung der ersten Postauto-Linie der Schweiz 1906 über ein in den 1970er-Jahren mit Tipp-Ex unkenntlich gemachtes Sponsorenlogo auf den Shirts von Fussballern bis zur berühmten «Blutlache» in Luxor.
swissinfo, Christian Raaflaub
Die Ausstellung «Bilder, die lügen» im Berner Museum für Kommunikation dauert noch bis am 6. Juli 2008.
Für Schulklassen werden Workshops durchgeführt, bei denen die Methoden der Bildmanipulation, die Motive der Macher und die Macht der Bilder diskutiert werden.
Die Schweizer Version der Ausstellung wartet mit einem eigens geschaffenen Magazin auf («objektiv»), in dem zusätzliche Beispiele namentlich aus der Schweiz aufgeklärt werden.
Im Februar und März 2008 sind zwei Podiumsdiskussionen mit hochkarätigen Fachleuten vorgesehen.
Schliesslich ist im Zusammenhang mit der Ausstellung auch ein Buch erschienen.
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