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Zwei Grundsatzfragen spalten den Schweizer Fussball

(Keystone-SDA) Die Klubs der Challenge League sind für die Wiederaufnahme der Saison. Am Freitag ist für sie an der ausserordentlichen GV der SFL aber etwas anderes wichtig: Sie fürchten sich vor der Zwölferliga.

Eines dürfte Daniel Koch, Delegierter des BAG für Covid-19, mit seinem Auftritt im «Sportpanorama» am Sonntag vorweggenommen haben: Der Bundesrat wird sich in seiner Sitzung am Mittwoch kaum noch gegen die Wiederaufnahme des Spielbetriebes aussprechen, wenn sein wichtigster Berater für Juli bereits das mögliche Ende von Geisterspielen in Aussicht stellt. Wer bei den Klubs oder der Liga auf einen übergeordneten Entscheid gehofft hat, sollte spätestens jetzt mit dem Umdenken beginnen.

Ein Urteil, ob die seit Ende Februar unterbrochenen Meisterschaften in Super League und Challenge League regulär beendet oder abgebrochen gehört, wird an der ausserordentlichen Generalversammlung der Swiss Football League am Freitag gefällt. Die Zeichen stehen auf Wiederaufnahme, auch wenn sich die Befürworter eines Abbruchs über den Boulevard als Lautsprecher zuweilen am stärksten Gehör verschaffen. Der Liga drohen sowohl für das Szenario Weiterspielen wie auch im Falle eines Abbruchs juristische Nachspiele. Der 29. Mai spaltet den Schweizer Profifussball.

Offenbar eine übergeordnete Rolle für die Meinungsbildung in der Super League spielt die Rangliste, das Punktekonto trennt die Liga in zwei Lager. Während die Teams an der Spitze und im Mittelfeld weitermachen möchten, setzen sich die abstiegsgefährdeten Teams unterhalb der 30-Punkte-Zone teils vehement für den Abbruch ein. Die Challenge League tritt in dieser Frage geeinter auf, eine klare Mehrheit will spielen, kein Klub propagiert den Abbruch offen. Weder sportlich noch finanziell ist in der zweithöchste Schweizer Fussballliga der Abbruch das reizvollere Szenario.

In der Liga mit durchschnittlich rund 2000 Zuschauern pro Spiel fallen Geisterspiele nicht so stark ins Gewicht wie beim grossen Bruder, der Super League. Selbst den FC Aarau, was das Zuschauer-Aufkommen betrifft hinter Winterthur und gemeinsam mit GC die Nummer 2 der Liga, kommt die Fortsetzung der Meisterschaft ohne Zuschauer günstiger als ein Abbruch. «Ein Schaden im höheren sechsstelligen Bereich», kalkuliert Aarau bei einem Szenario «Geisterspiele» bis Saisonende, wie der Co-Vizepräsident und designierte Präsident Philipp Bonorand gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA sagte. «Im Falle eines Abbruchs dürfte der Fehlbetrag zudem höher sein.» Zum gleichen Schluss kommt Winterthurs Geschäftsführer Andreas Mösli, der Geisterspiele gegenüber dem Winterthurer Lokalradio «Stadtfilter» als das «finanziell kleinere Übel» bezeichnete.

Zwölferliga als Todesstoss für die Challenge League?

Die Rechnung von Mösli und Bonorand stimmt auch für kleinere Challenge-League-Teams wie den SC Kriens. Sportlich mit dem 4. Rang überraschend gut unterwegs, liegen die rund 1500 Zuschauer pro Heimspiel etwas unter dem Liga-Durchschnitt. Dennoch koste ein Heimspiel ohne Zuschauer Kriens «schon auch viel Geld», wie Werner Baumgartner sagte. Denn «neben den Ticketeinnahmen fallen auch sämtliche Einnahmen im für uns sehr wichtigen Gastrobereich weg», so der 58-jährige Klubpräsident, der auch im Komitee der SFL sitzt.

Heile Welt also in der Challenge League? Mitnichten. Der Konsens der Klubs endet mit der Frage nach der Saison-Fortsetzung, darüber hinaus steht die Liga am Scheideweg. Der Grund dafür liegt im Vorstoss von Leader Lausanne-Sport, die Super League auf zwölf Teams aufzustocken und die Challenge League eine Saison im Achtermodus durchzuführen, um sie darauf mit der Promotion League zu verschmelzen. Der Schweizer Fussball sei nur so zu retten, sagte Lausannes Vizepräsident Stefan Nellen gegenüber dem «Blick».

Nichts von Nellens Aussagen hält Kriens-Präsident Baumgartner. «Es ist ein schlechter Witz, wenn jemand sagt: Die Zwölferliga rettet den Schweizer Fussball», sagte er. Zuschauer und ein vernünftiges Wirtschaften würden den Fussball retten, «und nicht ein Zwölfermodus». Dass der Antrag aus Lausanne nur gut einen Monat nach der letzten Abstimmung über eine Modus-Änderung folgt, wird vielerorts als Zwängelei wahrgenommen. Am 23. April hatten sich die Klubs nicht auf eine Zwölferliga einigen können.

Klar ist, kurzfristig würden von der Aufstockung vor allem die abstiegsgefährdeten Super-League-Klubs, die somit sportlich gerettet würden, sowie Lausanne profitieren. Für den durchschnittlichen Challenge-League-Klub dagegen zeichnet Baumgartner ein düsteres Bild: «Eine Liga mit acht Klubs funktioniert nicht, und es ist aus Sicht der Challenge League ein Bankrott-Modus. Ihr droht damit die Liquidation.» Der Schweizer Fussball will an der SFL-Generalversammlung am Freitag an seiner Wiederauferstehung arbeiten, für die Challenge League könnte dies das Ende bedeuten.

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