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Zwei junge Talente – Nando von Arb und Vamille

Nando von Arbs "Drei Väter" gehört zu den neu erschienenen Graphic Novels in der Schweiz. Edition Moderne sda-ats

(Keystone-SDA) Der Comic-Nachwuchs drängt nach, durch Zeitschriften (Strapazin, Drozophile) und Festivals (Fumetto, BDFIL) gefördert. Zwei dieser jungen Comic-Artisten sind der Zürcher Nando von Arb und Vamille aus Yverdon.

Der 1992 geborene Grafiker und Illustrator Nando von Arb, Absolvent im Fach Illustration Fiction an der Hochschule Luzern, legt als Debüt eine 300-seitige Graphic Novel vor, die durch ihre kühne Bildsprache und ihre liebenswürdige Expressivität imponiert.

«Drei Väter» erzählt eine farbenfrohe Familiengeschichte mit autobiographischen Zügen. Ein kleiner Junge wächst in einer Patchworkfamilie mit einer Mutter, zwei Schwestern und drei Vätern auf. So kompliziert die Verhältnisse erscheinen, so harmonisch geht es letztlich trotz allem dabei zu.

Drei ungleiche Väter

Den drei ungleichen Vätern weist der Zeichner Nando von Arb je eine prägnante Gestalt zu, mit der er sie auf rohe Art präzise charakterisiert. Der leibliche Papi ist ein Wolf, Mutters Zweiter Kiko gleicht einem Hampelmann mit Gummi-Beinen, und der neue Liebhaber Zelo steht da wie ein archaischer Muskelprotz mit kleinem Kopf.

Jeden von ihnen erlebt der kleine Pimpf auf seine Weise als freundliche Gestalt. Dafür sorgt auch die Mutter, die als grosser weisser Vogel mit weiten Flügeln beschützend über ihn und seine Schwestern wacht.

Nando von Arb hat für seine Familiengeschichte eine formal befreite Bildsprache gefunden. Die Figurenzeichnung behält etwas kindlich Ungelenkes, ja fast Art-Brut-Mässiges, wodurch sie expressive Frische und Kraft ausstrahlt. Die Doppelseite ist virtuos gestaltet. Mal zeigt sie grosse Tableaus, mal vereint sie kleinteilige Szenen, doch immer ohne klassische Panelstruktur.

Expressive Frische

Bildnerisch variiert von Arb zwischen schwarzer Strichzeichnung und grosszügigen Farbflächen in satten, knalligen Tönen, die hin und wieder in ein psychedelisches Farbenspiel übergehen. Die Sprache bleibt demgegenüber zurückhaltend eingesetzt, sie behält immer etwas Kindliches und macht so deutlich, wessen Perspektive hier gilt.

Auch wenn nicht jede der Anekdoten ganz zu Ende erzählt und die Dramaturgie ab und an sprunghaft wirkt, überzeugt die furiose, hinreissende Graphic Novel mit ihrer kühnen Bildsprache, frechen Erzählweise und unverwechselbaren Handschrift. Zu alledem gesellt sich die ausgesprochen gute Druckqualität und die schöne Ausstattung mit den drei farbigen Lesebändchen.

Yin und Yang

Vor drei Jahren hat die 1991 geborene Illustratorin und Zeichnerin Vamille alias Camille Vallotton den «Prix Töpffer de la jeune bande-dessinée» für ihr Debüt «Speculum Mortis» erhalten. 2019 ist nun ihr zweiter Comic-Band «Bonjour, Bonsoir» erschienen.

Das Buch präsentiert eine kleine Yin-und-Yang-Welt. Die Herren Bonjour und Bonsoir leben in derselben Stadt. Weil sie ganz unterschiedliche Gewohnheiten pflegen, begegnen sie sich nur selten. Konkret geschieht es zwei Mal am Tag auf der Passarelle beim Botanischen Garten.

Bonjour – Bonsoir

Wie es sein Name sagt, ist Herr Bonjour ein Morgenmensch. Er steht früh auf, holt sich beim Bäcker zwei Carac, isst sie im Botanischen Garten, durchstreift die Stadt und kehrt zeitig heim. Sein Tag dauert so lange, wie die Menschen sich «bonjour» sagen. Manchmal erwidern sie den Gruss auch nicht und schweigen bloss.

Herr Bonsoir dagegen arbeitet bis spät. Wenn es auf dem Nachhauseweg regnet, flieht er in ein Café beim Botanischen Garten. Er kauft unterwegs ein und wünscht allen anständig ein «Bonsoir». Einmal sagt eine Frau «à demain». Mehr passiert hier nicht.

Die beiden Teile in Hell und Dunkel lesen sich je von ihrer eigenen Seite. In der Mitte des reversiblen Buches findet sich ein Ortsplan, der den Überblick zu bewahren hilft.

Leben in der Klötzchenwelt

Vamille entwirft mit einfachen Graphit-Strichen und Schraffuren eine Klötzchenwelt, in der sich der graue Alltag abspielt. Die zwischenmenschliche Kommunikation ist kühl und distanziert. Die Häuser sind hoch und unpersönlich, Auf- und Abgänge führen über die breiten Strassen. Einzig im Café und im Botanischen Garten spriessen bunte Farben.

Es sind die kleinen, oft kaum merklichen Details, die zum Hinschauen verleiten: ein kurzer Blickkontakt (ohne Folgen), ein filmischer Schnitt, oder eine Spiegelung in einer Pfütze. Vamille trägt nirgends dick auf, sie vertraut vielmehr auf den Charme und die Poesie ihrer beinahe kindlich anmutenden Bilderwelt.

Verfasser: Beat Mazenauer, ch-intercultur

Notiz: Nando von Arb: Drei Väter. Edition Moderne, Zürich 2019, 304 Seiten, 49 Franken (UVP).

Vamille: Bonjour, Bonsoir. Joie de Lire, Genf 2019. 52 Seiten, 14 Franken (UVP).

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