Als Frauen gegen ihre politischen Rechte politisierten
Die Schweiz, das ist bekannt, gab ihren Frauen als eines der letzten Länder der Welt das Stimm- und Wahlrecht. Nicht nur gegen männlichen Widerstand, auch gegen weiblichen. Was trieb Frauen dazu, gegen ihre Rechte zu kämpfen?
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Ich bin in England geboren und lebe seit 1994 in der Schweiz. Zwischen 1997 und 2002 machte ich in Zürich eine Ausbildung zur Grafikerin. In den letzten Jahren begann ich als Fotoredaktorin zu arbeiten; seit März 2017 gehöre ich zum Team von swissinfo.ch.
Eine der letzten, die davon noch berichten kann, ist Rosmarie Köppel-Küng, die Ende der 1950er-Jahre als 30-jährige Kindergärtnerin zum Bund der Schweizerinnen gegen das Frauenstimmrecht kam.
Protestformen
Stimmrechtsgegnerinnen begaben sich in die paradoxe Situation, sich politisch zu engagieren, um sich nicht politisch engagieren zu können. Dabei waren ihnen Grenzen gesteckt. Während die Befürworterinnen mit ihrem kreativen und aufsehenserregenden Aktivismus Medienaufmerksamkeit erlangen konnten, blieb es bei den Gegnerinnen bei Stammtischen, Teilnahme an Podien und Inseratenschaltung.
Kurz liessen sie sich vom Geist der Zeit mitreissen und versuchten sich in grober Rhetorik, krebsten dann aber bald zurück, da man diese Art des Engagement als wenig weiblich einstufte.
Den Männern der Staat, den Frauen das Haus
Die Gegnerinnen argumentierten primär mit der natürlichen Rollenverteilung. So meinte die Anti-Suffragette Gertrud Haldimann-WeissExterner Link in einem Brief an eine Mitstreiterin: «Unsere wahre Aufgabe ist dienen, schenken, danken, nicht herrschen, fordern oder kalte Berechnung.» Während der Mann für den Staat zuständig war, kümmerte sich die Frau um die kleinste Zelle – natürlich stets unter der Aufsicht der «väterlichen Autorität» ihres Mannes. So hiess es in einem Brief an die Zürcher Formation der Stimmrechtsgegnerinnen:
«Die Ablehnung der politischen Gleichstellung unter den Frauen beruht aber auf der Gewissheit, dass das, was sie als Gattinnen und Mütter, als Schwestern und Töchter, als berufstätige Mitarbeiterinnen leisten, mindestens so hohen Rang besitzt wie die Lenkung der Staatsgeschäfte.»
Männer, die sich für Gleichstellung einsetzten, wurden von Frauenrechtlerinnen oft als schwach dargestellt, so schreibt Haldimann: «Ich platze manchmal fast. Aber ich knirsche oft mit den Zähnen, wenn ich sehe, wie sich die Männer so alles bieten lassen.»
Internationaler Antifeminismus
Damit waren sie nicht allein: international gab es in den 1960er-Jahren die Tendenz, die Verweichlichung der Männer und ihre integration in Hausarbeit zu beklagen. Im Film «Rebel without a cause» findet sich eine Szene, in der der Vater in einer Schürze herumläuft und die Familie bedient – kein Wunder kommt es am Schluss nicht gut mit James Dean!
Diese Ansichten vertrat vor allem die in Havard ausgebildete Anwältin und Autorin Phyllis Shafly, die gegen das Equal Rights Amendment (ERA) kämpfte und die Meinung vertrat, dass Frauen zu Hause bleiben sollten. Paradoxerweise war Shafly hochpolitisiert und kandidierte 1952 für den republikanischen Kongress. Später behauptete sie auch, dass die ERA zu Unisex-Toiletten und zur Förderung der Homosexuellenehe führen würde. Ein Narrativ, das sich in ähnlicher Weise bis heute durchzieht.
SchlaflyExterner Link argumentierte weiter, dass die Rechte der Frauen bereits durch die Verfassung geschützt seien und dass das ERA die Familie gefährden würde – wie sie sagteExterner Link«die Grundeinheit der Gesellschaft, die in den Gesetzen und Bräuchen unserer jüdisch-christlichen Zivilisation verankert ist». Die moderne amerikanische Frau würde den Schutz von Vater und Ehemann und die «christliche Tradition des Rittertums» verlieren.
Bürgerliche Statuswahrung
Trotz der Betonung der Häuslichkeit wäre es falsch davon auszugehen, es habe sich bei den Gegnerinnen vor allem um stolze Hausfrauen gehandelt: Auffällig viele Gegnerinnen konnten sich Hausangestellte leisten und stammten aus begüterten und bürgerlichen Verhältnissen. Sie hatten schlicht ein Interesse an der Aufrechterhaltung des Status Quo.
So wurde der Wunsch nach Gleichstellung der Geschlechter damals im Kalten Krieg auch gerne mit der «Gleichmacherei» im Kommunismus gleichgestellt – auch im Wissen, dass der Status der Frauen im Ostblock etwas anders war, wurde die Ablehnung der Rechte von Frauen mit dem Kampf gegen den Kommunismus begründet. Man fürchtete, das Frauenstimmrecht könnte die Nation erschüttern und anfällig für linke Subversion machen. So war ein Szenario, dass das Frauenstimmrecht die militärische Wehrkraft gezielt angreifen könnte, um die Schweiz zu schwächen. Daraus spricht auch ein grundlegendes Misstrauen, dass die anderen Frauen manipulierbar und irrational handeln werden.
Antifeminismus heute
Sich als Antifeministin zu bezeichnen, ist auch heute noch ein weitverbreitetes Statement – es bezieht sich letztlich meist auf Fragen der alltäglichen Kultur der Geschlechter: Wer kümmert sich um die Kinder? Wer arbeitet Teilzeit?
Doch die Vorstellung, dass Frauen das Stimmrecht abgeben sollten, ist undenkbar geworden. Selbst Rosmarie Köppel-Küng meinte im Interview 2017: «Heute wäre ich dafür.»
Dieser Text basiert auf der Lizenzarbeit des Historikers und Museumsleiters von Schloss Burgdorf, Daniel Furter: «Die umgekehrten Suffragetten», Die Gegnerinnen des Frauenstimmrechts in der Schweiz von 1958 bis 1971.
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